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    TraumZeit-Theater Backnang jetzt auch Ausbildungszentrum

    Die Theaterbetriebe Holderried GmbH bauen die Schulungen weiter aus

    Sechzig Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 8 und 14 Jahren sitzen erwartungsvoll auf Sportmatten vor der Bühne des TraumZeit-Theaters in Backnang, das im März 2003 eröffnet hat und seither als beliebte und erfolgreiche Varieté-Spielstätte nicht mehr aus dem Kulturleben der Stadt und ihrer Region wegzudenken ist. Sechs Tage lang haben die Kinder die Varieté-Schule gebucht, die Michael Holderrieds Theaterbetriebe zum zweiten Mal anbieten. Es ist Dienstagvormittag, zweiter Tag des Ferienkurses. Die Kinder unterhalten sich ganz leise, um nicht zu sagen respektvoll, darüber, was sie wohl heute lernen sollen. Erst bei der Feststellung der Anwesenheit steigt dann der Geräuschpegel auf das übliche Maß. Noch haben nicht alle ihre endgültige Sparte gefunden; ein letztes Mal besteht die Möglichkeit zu wechseln. Denn die jungen Varieté-Interessierten sollen nicht nur die verschiedenen Fachgebiete der Körperkünste näher kennen lernen, sondern das Gelernte am letzten Tag in zwei öffentlichen Galas hintereinander in Kostüm und Maske ihren Eltern, Geschwistern und Freunden auch präsentieren, ins rechte Licht gerückt und auf optimale Wirkung hin inszeniert wie bei einer „richtigen“ Varieté-Vorstellung. Und dazu ist es zwingend erforderlich, dass intensiv geübt, das heißt nach einer Orientierungs- und Talentsuch-Phase auch an einer Sache drangeblieben wird.

    Nachdem jeder aufgerufen und eindeutig einer Gruppe zugeteilt worden ist, beginnen in verschiedenen Räumen die Übungen. Es ist schön zu sehen, mit welcher Konzentration und mit welchem Eifer, aber auch mit welcher Freude die Kinder bei der Sache sind. Als Lehrkräfte sind drei Profis engagiert: Alexander Koplin (Jongleur), Burkhardt Schmidt (Pantomime) und Janina (Akrobatik), assistiert von einigen weiteren Betreuungspersonen, die sich aus den Lehrlingen (zum Veranstaltungskaufmann), dem Servicepersonal der Theaterbetriebe Holderried GmbH und anderen rekrutieren. Für Essen und Trinken ist natürlich auch gesorgt. Die Eltern haben zudem die Möglichkeit, über zeitnah ins Internet gestellte Fotos und kurze Videos schon tagsüber oder am Abend zusammen mit ihren heimgekehrten Varieté-Schülern zu verfolgen, was diese den Tag über so getrieben haben.

    Die Gala am Samstag beginnt wie ein reguläres Varieté-Programm im TraumZeit-Theater auch: Die Beleuchtungsanlage samt rotierender Spiegelkugel tritt in Aktion, eine musikalische Einstimmung kommt vom Band und der Direktor begrüßt seine Gäste. Zu den Klängen der „alten Kameraden“ marschieren die Kinder durch den Zuschauerraum in zwei langen, sich vor der Bühne durchkreuzenden Reihen ein. Die Lehrer haben sich als Rahmen am Anfang und Schluss des Programms einen poetischen Text ausgedacht, der unter einem sich drehenden großen Globus das Miteinander im Varieté als Beispiel für einen sorgsamen Umgang mit der Schöpfung beschwört. Dies wird von der Gruppe „schwarzes Theater“ mit bunten und bewegten Bildern illustriert. Danach zeigt eine größere Kindergruppe die Vielfalt des Jonglierens mit Tüchern, Bällen, Keulen, Ringen und Tellern. Eine erste kurze Reprise der Clowntruppe leitet zu einer aus 10 Mädchen bestehenden Drahtseil-Demonstration über. Die Akteurinnen, die sich gerade nicht auf dem Draht befinden, sind – unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Größe –hinter dem Drahtseilapparat aufgestellt. Durch diesen Kniff werden zum einen die mitlaufenden, das Gleichgewichtsgefühl der Akteurinnen sanft unterstützenden Betreuerinnen fast unsichtbar, zum anderen entsteht schon fast so etwas wie eine Bühnendekoration. Anschließend fällt es dem „stärksten Mann der Welt“ erstaunlich leicht, seine Hanteln hochzustemmen; beim Ablassen quält er sich dann aber schon wesentlich deutlicher mit dem schweren Gewicht herum. „Typisch, diese Männer, lassen alles liegen“, meint danach ein die Bühne kehrendes, zierliches Mädchen und trägt das nicht mehr benötigte Requisit in der einen und den Besen in der anderen Hand hinaus. 6 weitere Mädchen führen anschließend vor, welche echt starken Tricks sie in der kurzen Zeit am Trapez gelernt haben, von ihrer Lehrerin Janina jeweils so hoch gehoben, dass sie das Trapez greifen können. Sogar ein kurzer Duo-Auftritt ist dabei. Die nächste Nummer mit mehreren, sich maschinenartig bewegenden Buben der Theater- und Zauberersparte bleibt für die hinteren Plätze etwas rätselhaft, weil vor dem weißen Hintergrundvorhang zwar die schwarzen TraumZeit-Theater-T-Shirts gut zur Geltung kommen, die übrigen, teilweise etwas zu kleinen Requisiten sich aber kaum abheben. Die anschließenden Varianten zum „Bienchen gib mir Honig“-Entree sorgen dagegen wieder für Vergnügen auf allen Plätzen, ebenso die weiteren Jongleure, die ihre Diabolos vorführen und beweisen, dass man in so kurzer Zeit auch schon eine Passage lernen kann. Weibliche und männliche Fakire laufen auf frischen Glasscherben herum, spucken und schlucken Feuer und zeigen, dass man auf einem Nagelbrett liegend auch als Untermann für eine pyramidenartige Skulptur aus weiteren Kinderkörpern dienen kann. In Verbindung mit dem bekannten Motiv „das Singen ist hier verboten“ ist die gesungene Geschichte von Rollmops und Hering (die da auf dem See schwammen bis zum bitteren Ende mit dem Hai) ein weiteres Highlight der Clowns. Die letzte Nummer der Jongleure ist optisch besonders ansprechend: UV-Licht macht die Akteure so gut wie unsichtbar und lässt ihre Bälle, Ringe und Diabolos wie von Zauberhand bewegt im Raum schweben.

    Die akrobatische Schlussnummer von Janinas Schützlingen verdeutlicht dann stellvertretend für die anderen – die für ein ähnlich perfektes Resultat vielleicht noch ein paar Proben mehr gebraucht hätten – besonders eindrucksvoll den pädagogischen Sinn der Übungen und was eine solche wohl vorbereitete Varieté-Schule in kürzester Zeit zu leisten imstande ist: Da ist zunächst die Freude, die die Schüler beim Agieren (nicht nur während der Aufführungen) und die Zuschauer an den erlernten Leistungen (nicht nur bei den eigenen Kindern) haben. Wie viel Disziplin aufgebracht werden muss, wenn sich so viele Akrobaten gleichzeitig auf und hinter der kleinen Bühne bewegen müssen, wird unmittelbar erlebbar. Und wie kann das Lernziel „soziale Kompetenz“ eindrucksvoller umgesetzt werden als beim Pyramidenbau? Pyramiden gelingen nur, wenn jeder auf den anderen achtet, auf dessen Aktionen und Reaktionen reagiert und diese gegebenenfalls ausgleicht. Und wenn dabei so schöne, exakt zusammenkomponierte Bilder entstehen wie in Backnang, dann bleiben kaum Wünsche offen. Außer vielleicht dem einen: Wie kann ich weitermachen? Doch, auch das geht. Vom 2. bis 6. November 2004 bietet Silvia Lichtenberg im TraumZeit-Theater einen Intensiv-Workshop für Anfänger und Fortgeschrittene an unter dem Titel „Die Kunst der Jonglage“, mit den Schwerpunkten Bälle, Keulen, Devilstick und Diabolo. Auch auf Teller, Ringe, Stockdrehen oder Pipe-Juggling kann eingegangen werden. Neben Erweiterung und Verfeinerung der Technik soll eine kleine Bühnennummer entstehen, die von den mindestens 10 und höchstens 18 Teilnehmern ab 12 Jahren zum Abschluss des Workshops auch vor Publikum präsentiert wird. Ähnlich aufgebaute Workshops in anderen Disziplinen sind bereits geplant.

    Während der Intensiv-Jonglierkurs neu im Angebot ist, wird im Deutschen Zauberzentrum, das sich ja ebenfalls unter dem Dach der Theaterbetriebe Holderried befindet, die seit Herbst 2003 bewährte Zauberschule fortgesetzt. Der derzeit laufende Lehrgang ist auch für 2005 ausgeschrieben. Kinder (ab 8) und Erwachsene (ab 14) üben getrennt zwei Stunden lang an jeweils vier Tagen in den Monaten Januar (+ 1. Februar), März und Mai. Auf diesen dreiteiligen Grundkurs folgt ein aus zwei Kurseinheiten bestehender Fortgeschrittenenkurs, wiederum jeweils zwei Stunden an vier Tagen in den Monaten September und November 2005. Wer Grund- und Fortgeschrittenenkurs erfolgreich abgeschlossen hat, wird als Gast in die I. B. M. (= Internationale Bruderschaft der Magier) aufgenommen und dort ein Jahr lang von einem Mentor betreut. Nach diesem Gastjahr kann die Aufnahmeprüfung in die I. B. M. beantragt und absolviert werden.

    Aber zurück zur Abschlussgala der diesjährigen Varieté-Schule, die nach den begeisternden Pyramidenbauern wieder unter den rotierenden Globus zurückfand. Mit dem Wunsch, die Träume von einer besseren Welt zu verwirklichen und in die Welt zu tragen, schloss das 75-minütige Programm. Die 60 Kinder versammelten sich noch einmal alle auf der Bühne und winkten ihrem Publikum zu. Ich denke, sie haben unter der Anleitung ihrer Varieté-Lehrer sich und ihre Zuschauer ein Stückchen weitergebracht auf einem sehr sinnvollen Weg, der vom Miteinander und nicht vom Gegeneinander geprägt ist. Diese Woche wird ganz sicher in jedem der 60 Kinder eine positive Spur hinterlassen.

    Redaktion: Manfred Hilsenbeck

    Kontakt: www.varieté-schule.de oder www. traumzeit-theater.de

    2004-09-15 | Nr. 44 | Weitere Artikel von: Manfred Hilsenbeck





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