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    Keulen für Schlemmer – Da schweigen Dilemma

    Irritiert bis entsetzt reagieren nicht selten Besucher Hamburger Kleinkunst-Vorstellungen, wenn unversehens ein akkurat aussehender älterer Herr – in Tweed-Sakko und mit Fliege – aus ihren Reihen die Bühne erklimmt und dort verkündet, er wolle nun mehrere lange Gedichte aufsagen. Doch was dann folgt, lässt das Publikum schnell vor Lachen brüllen – und die Künstler-Kollegen in Alma Hoppes Lustspielhaus, dem Schmidt-Theater oder der „Wendeltreppe“ im Ratsweinkeller vielleicht sogar ein wenig älter aussehen: „Lenin“, kündigt Heinrich von Gyldenfeldt (63) ohne jegliches Mienenspiel etwa an und reimt lakonisch: „Opa’s voll bis an den Rand!“ / Dann Lenin einfach an die Wand.“

    Seit 30 Jahren fertigt Gyldenfeldt alias Herr Heino seine „Verse von der Brechstange“, diese von Robert Gernhardt inspirierten, kalauernden Brachialgedichte. Er präsentiert sie zuweilen auch im musikalischen Duo mit seinem alten Kumpel Jürgen Krejci, Anwalt und Notar aus Hannover, als „Heino und Mäuse“. Während die beiden Barden die Tradition der 70er-Jahre-Liedermacher pflegen, scheint Gyldenfeldt jedoch seine wahre Bestimmung als Lyrik-Solist zu finden – und wurde damit zum von Corny Littmann entdeckten Helden der „Schmidt Mitternachtsshow“. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass der Verseschmied ein Doppelleben führt, denn tagsüber ist der Ehemann und Vater von vier Kindern Soziologie-Dozent an der Universität der Bundeswehr. Schwerpunktthemen: Kriminal- und Religionssoziologie.

    An manchen der frechen, frivolen oder makabren Poeme arbeitet er bis zu 100 Stunden, verriet Herr Heino im Trottoir-Gespräch. Einiges hat inzwischen Eingang gefunden in die Anthologie seines Anregers Gernhardt, „Hell und schnell – 555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten“, dort zu lesen neben Goethe, Heine und Tucholsky. Nach dem Tod seiner ersten Frau hatte Gyldenfeldt einst begonnen, sich in jedweder Lage zwecks Lyrikproduktion das Gehirn zu zermartern – zu verstehen ist daher nach eigenem Bekunden sein Witz „als Obsession gegen die Tragik des Lebens“. Die Gäste seiner bundesweiten Auftritte genießen auch dieses „Dilemma“: „Keulen für Schlemmer – Da schweigen Dilemma.“

    Kein Schweigen, sondern wie erwartet fidele Stimmung herrschte Ende Januar bei der Eröffnung des Quatsch Comedy Clubs (wir berichteten im Vorfeld): Comedy-Urvater Thomas Herrmanns (42), heute in Berlin, kehrt nach vier Jahren zurück in seine alte Wirkungsstadt mit einer Dependance im plüschigen Kiez-Etablissement Café Keese, ehemals ein Ball Paradox. Gemeinsam mit der Stage Entertainment konzipierte der erfolgsgewohnte Entertainer nun jeweils für die Wochenenden zweistündige Club-Mix-Programme mit bekannten Namen der Szene bei Eintrittspreisen zwischen 19 und 24,90 Euro. Wie professionell das Ganze ist, bewiesen zum Einstieg der Meister selbst sowie u. a. Ole Lehmann und die unverwüstlichen Emmi & Herr Willnowsky, die alle dem Geist des Ortes entsprechend ihre Schläge gern unter die Gürtellinie richteten. Das Publikum jubelte – ob die Veranstaltungen auf Dauer ihren eigenen, unverwechselbaren Charme entfalten, wird sich zeigen.

    Die Humor-Szene rund um Reeperbahn und Spielbudenplatz gewinnt in der Tat immer mehr an Gewicht. Dort hat übrigens auch – nach ihrem Wegzug aus dem goldbekHaus – Sebastians Schnoys und Kerim Pamuks beliebte „Catbird Comedy Show“ eine neue Bleibe gefunden: Jeden dritten Mittwoch im Monat darf nun im Imperial-Theater gelacht werden.

    Das Ergebnis hätte auch anders ausfallen können – dennoch war es mehr als eindeutig: Beim 4. Hamburger Comedy Pokal für Nachwuchs-Talente errang das sächsische Musik-Kasparett „Zärtlichkeiten mit Freunden” sowohl den mit 2.500 Euro dotierten ersten als auch den mit 300 Euro dotierten Publikums-Preis. Klassische Stand-up-Comedians kamen auf den zweiten und dritten Platz: die dicke Proll-Nudel und absolute Newcomerin Ilka Bessin aus Berlin und der behände deutsch-britische Alltagskultur-Experte Don Clarke. Doch auch die anderen Finalteilnehmer im ausverkauften goldbekHaus waren nicht von schlechten Eltern: die beiden Rap-freudigen Auslandstürken Fatih Cevikkolu (Köln) und Murat Topal (Berlin) sowie der Wort-Artist Clown KG aus Köln. Ursprünglich hatte es rund 100 Bewerbungen für den einzigen Kleinkunst-Wettbewerb in der Region gegeben. Knapp 2.000 Besucher lachten an drei Abenden in zehn Stadtteilkulturzentren, die sich davon wieder – wie es auch der Initiator und Moderator Sebastian Schnoy darf – einen nachhaltigen Image-Gewinn versprechen.

    Redaktion: Ulrike Cordes

     

    Termine

    28.3.–1.4.  4. German Impro Open,u. a. mit Steife Brise, Die Königs, Hidden Shakespeare. Alma Hoppes Lustspielhaus

    6.4. Spätzles Club von und mit Michael Krebs sowie Gästen. Motte

    1.5.–15.6. SchmidtCom – Das Hamburger Comedy-Festival, u. a. mit Ingo Appelt, Vince Ebert, Eckart von Hirschhausen,

    15.5. Käthe Lachmann mit empfehlenswertem Jubiläums-Best-of „Ten Years Laughter“. Schmidt und Schmidts Tivoli

    2006-03-15 | Nr. 50 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes





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