Auch die Kleinkunst scheint ihre Herbstfarben zu haben. Alles ist – zumindest äußerlich – etwas milder gestimmt, kommt besinnlicher daher und weist mitunter sogar einen religiös-erbaulichen Einschlag auf. Das Jahresendprogramm der Spielstätten in Köln und Bonn ist dafür ein gutes Beispiel. So feiert Ende November ein Solo-Programm von Gerd Weismann seine Köln-Premiere, das – passend zum Advent – einen Gebetsruf zum Titel hat: „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel“, erschallt es dann in den Räumlichkeiten des Bürgerhauses Stollwerck. Auch das neue Programm des Klüngelpütz-Ensembles Marina Barth und Marko Furck hat ein religiöses Motto: „Wer’s glaubt, wird selig“ – im so überaus heiligen Köln eine verheißungsvolle Aussicht! Nessi Tausendschöns neues Programm „Frustschutzmittel“, das ab Mitte Oktober in der Comedia zu sehen sein wird, trägt zwar keinen religiösen Titel, beruft sich aber auf einen großen Religionsstifter. Das Losungswort des Abends stammt nämlich von niemand anderem als dem großen Martin Luther, ist allerdings recht weltlicher Natur: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“.
Ein klassisch besinnliches November-Thema – den Tod – behandelt ein geistreich-informatives Kleinkunststück, das in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag feiert: Rainer Pauses und Martin Stankowskis „Tod im Rheinland“ ist auch im diesjährigen November wieder an ungewöhnlichen Orten, etwa in der Trauerhalle des Friedhofs Melaten, zu bewundern – dieses Meisterwerk der Mortalität ist in der Tat nicht totzukriegen. Das neue Programm des Trios Männerkulturen, ab Anfang Oktober im Senftöpfchen zu sehen, firmiert unter dem Titel „knallzart“. Bei soviel herbstlicher Sanftmut scheint selbst der für seine maßlosen Grobianismen bekannte Wilfried Schmickler milde gestimmt zu sein, wählt er doch für sein zweites Soloprogramm, das er ausgerechnet am Feiertag Allerheiligen in der Comedia der Öffentlichkeit vorstellt, den versöhnlichen Titel „Danke!“. Am Trend der sanften Ein-Wort-Titel orientiert sich offenbar auch Prix-Pantheon-Sieger Hagen Rether, dem das zeitlos-klassische Motto „Liebe“ als Überschrift genügt.
Aber natürlich ist das alles nur vorgetäuscht. Wer Schmickler und Rether kennt, weiß, dass hier für Besinnlichkeit überhaupt kein Platz ist. Beide sind dafür bekannt, dass sie den prominenten Zeitgenossen, die sie vorzugsweise im Visier haben, mit gnadenloser Schärfe zu Leibe rücken – Rether mit dem Skalpell, Schmickler eher mit der Axt. Letzteres charakterisiert auch die Methodik von Schmicklers 3-Gestirn-Köln-1-Partner Wolfgang Nitschke, der sich als „Bestsellerfresser“ ein festes Terrain erobert hat, auf dem er eine Art Gegenstück zur alles Literarische lobenden Elke Heidenreich darstellt. Sein erstes Soloprogramm mit dem ganz unbesinnlich-offensiven Titel „Solo gegen den Rest“ ist ab Oktober in der Comedia zu sehen. Bleibt noch der Hinweis auf das vielversprechende Programm der „Schräg-off-Show“ im Wohnzimmertheater, bei der in diesem Jahr der Comedian Johannes Flöck, die Häkelmützenaliens Ulan & Bator, das Schlagzeugertrio fourschlag und das Orchester Bürger Kreitmeier auftreten. Auch hier ist allzu große Besinnlichkeit wohl kaum zu befürchten.
Redaktion: Guido Bee
Bürgerhaus Stollwerck, Köln
27.11., „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel“ – Gerd Weismann
Comedia, Köln
8.10., „Solo gegen den Rest“ – Wolfgang Nitschke
16.10., „Frustschutzmittel“ – Nessi Tausendschön
1.11., „Danke!“ – Wilfried Schmickler
Pantheon, Bonn
8.10., „Liebe“ – Hagen Rether
Senftöpfchen, Köln
1.10., „Knallzart“ – Männerkulturen
Klüngelpütz, Köln
21.10., „Wer’s glaubt, wird selig“ – Klüngelpütz-Ensemble
Wohnzimmertheater, Köln
2.10., „Schräg-off-Show“
AdNr:1012
2004-09-15 | Nr. 44 | Weitere Artikel von: Guido Bee