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    „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“

    tönt eine Stimme vom Band. Die Zuschauer im vollbesetzten Saal des Frankfurter Stalburg Theaters lauschen gespannt. Das ist der Auftakt zu einem Mord(s)szenario des Ensembles Stalburg in ureigenster Form. Einen Film wie „Das Gasthaus an der Themse“ auf der Bühne zu inszenieren, gibt den fünf Protagonisten die Möglichkeit, mit jeder Menge Slapstick-Ideen und originellen Requisiten aufzuwarten. Mit einfachen Hilfsmitteln entsteht auf der Stalburgbühne die schön-schaurige Hintergrund-Atmosphäre für das turbulente Spiel um Schmuggler, Mörder, Kommissare, Erbschleicher und eine unschuldige Schönheit. Ein blau-schimmernder Plastikvorhang simuliert die Themse.

    Die Theke der verschlagenen Wirtin des Gasthauses „Mekka“, Mrs. Nelly Oaks, schafft mehrere Spielebenen. Und die im Zuschauerraum installierte Technikempore wird zu einem Schiff, von dem aus mit Hilfe eines gespannten Fadens ein Harpunen-Anschlag auf den ermittelnden Inspektor Wade verübt wird. Besonders originell: Sämtliche Requisiten, seien es die Gläser und Flaschen auf Nellys Theke, ein Akkordeon oder auch die Harpune des Froschmann-Mörders mit dem Pseudonym „Hai“, sind aus Pappe. Zur Belustigung der Zuschauer sind alle Gegenstände zudem mit der englischen Bezeichnung versehen. So dient beispielsweise ein Pappschild mit der Aufschrift „Ich bin eine Menschenmenge mit Hund“ einem Akteur als Aufhänger zum Ein-Mann-Theater, indem er beim Auffinden eines Mordopfers sämtliche Stimmen der Schaulustigen sowie das Bellen des Hundes intoniert.

    Ansonsten spielen die fünf Protagonisten, Thomas Hartmann, Thomas Rausch, Alison Rippier, Steffen Schwarz und Harald Uhrig, unzählige Rollen im fliegenden Wechsel – inklusive einem Schiffshorn, das immer wieder für Lachsalven im Zuschauerraum sorgt. Und wenn der Kostümwechsel Pausen erfordert, wird auch schon mal eine Szene verlangsamt oder, à la „Und ewig grüßt das Murmeltier“, ein Satz mehrfach wiederholt. Zwar fiel der zweite Teil der Inszenierung etwas langatmig aus, und auch der Gag mit den Papp-Requisiten nutzt sich irgendwann ein wenig ab, aber dennoch gelang dem Ensemble Stalburg unter der Regie von Manfred Roth ein amüsantes Spektakel, an dem sicherlich auch Altmeister Edgar Wallace seine helle Freude gehabt hätte.

    Zum Spielort: Der Autor und Journalist Michael Herl kam 1998 auf die Idee, sich im angrenzenden Saal der Äpplerkneipe Stalburg anzusiedeln, um dort einen Theaterbetrieb aufzubauen. Nachdem sich fünf Laienschauspieler, die Gruppe 97, bei Herl vorgestellt hatten, holte er die Truppe mit einer Inszenierung der Familie Hesselbach auf seine Bühne und engagierte den Regisseur Manfred Roth für die Produktion. Das war der Beginn einer Reihe von Eigenproduktionen des Ensembles Stalburg sowie von drei Projekten mit Einzelschauspielern, die schon bald für einen regen Zuschauerzuspruch sorgten. Für Herbst 2005 sind nunmehr neun Eigenproduktionen geplant. Werkverträge sichern das Einkommen der Akteure. Doch auch Gastspiele sorgen im Stalburg Theater für ein volles Haus, darunter die U-Bahn Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern, wenn auch die Eigenproduktionen laut Herl überwiegen sollen.

    2004 riefen Michael Herl und seine Kollegen zudem ihr Sommertheater ins Leben. Sie holten Schauspieler, Musiker und Literaten in der spielfreien Sommerzeit erstmalig auf eine Freilichtbühne in den beliebten Günthersburgpark der Mainmetropole. Vier Wochen lang wurden auf der grünen Wiese sehr erfolgreich allabendlich Jazz, Klassik, Theater, Kabarett, Literatur, Folk, Folklore, Blues getreu Herls Motto „Voll im Trend? Och nö“ geboten – und das bei freiem Eintritt. Das Sommertheater 2005 des Stalburg Theaters ist mit ein bis zwei Vorstellungen täglich für den Zeitraum 23. Juli bis 21. August geplant. Infos unter www.stalburg.de.

    Auf der Suche nach Erleuchtung waren vier Grazien im Frankfurter Traditionstheater Die Schmiere. Erhardt lebt – zumindest in den Gedanken der Damen, die mit Inbrunst in einer spirituellen Sitzung den ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik herbeibeschwören wollen. „Oh Ludwig Erhardt, Herrscher der dicken Zigarren, gib uns einen Rat“, flehen die „Vollwaisen der deutschen Wirtschaft“ und fragen: „Wann kommt endlich der Aufschwung, wann das Wirtschaftswunder?“ Plötzlich steht die Leitung zum großen Erhardt, nur dass sein Vorname Heinz lautet. Das nunmehr dritte reine Frauenprogramm der Schmiere feierte Premiere, und die Akteurinnen beweisen in der Produktion „Achtung: Möpse“ kabarettistischen Spürsinn und humoristischen Scharfsinn. Geboten wird eine dynamische Mischung aus Szenen und Liedern.

    Eine zusätzliche Pointierung erfolgt durch eingespielte Werbesingles. So wird die neueste Barbie mit Bullemie-Effekt angeboten. Den roten Faden ziehen die vier Akteurinnen, Susanne Lammertz, Gabriele Meyer, Manuela Koszhwitz (sie ersetzt zur Zeit die erkrankte Kabarettistin Hildegard Nied) und Effi Rolfs, als Putzkolonne des Schmiere-Theaters. Die gutgelaunten Raumpflegerinnen können es sich leisten, weitere Arbeitskräfte auf Ein-Euro-Basis einzustellen, um gemeinschaftlich dem ganztägigen Kaffeeklatsch zu frönen: Schließlich, so die Putzfrauen, würde es die Schmiere-Leitung ohnehin nicht zulassen, dass im Kellertheater der Staubwedel geschwungen wird, um das angestaubte chaotisch-plüschige Ambiente nicht zu zerstören. Bei „Achtung: Möpse“, führte Anne Georgio Regie, die Texte stammen von den Akteurinnen sowie von Bernd Krieg. Im Programm stehen die deutsche Wirtschaft und der Sex im Vordergrund – beziehungsweise die Chance zum Aufschwung durch die Produktion von Nachwuchs. „Denn wenn Deutschland aus der Talsohle herauskommen soll, brauchen wir mehr Mut zum Sex mit Folgen.“

    Da wird Hartz IV als Märchengeschichte inszeniert, in der Frau Puttel, die unangemeldete Haushaltshilfe, Frau Röschen, das verwöhnte Prinzesschen, und Frau Wittchen, die als Asylantin im Wald haust, aufeinander treffen, um gemeinschaftlich Erfassungsbögen auszufüllen. Fazit: Aschenputtel, Dornröschen und Schneewittchen werden als zu kostenintensiv eingestuft. Empfehlung der Märchentante: „Lesen Sie stattdessen Hans im Glück.“

    Und während den Zuschauern in der Pause ganz stilgerecht mit Urne und Kabine die Chance geboten wird, die Bundeskanzlerin für 2006 zu wählen, bereiten sich die Protagonistinnen auf weitere gut pointierte Szenen vor: Da streiten sich Mutter und Tochter, wem die nächste Schönheits-OP zusteht, und die Dame vom Amt für Vollzug klingelt bei ahnungslosen Bürgern, um Kindersegen fürs deutsche Vaterland samt den Elternführerschein einzufordern. Wenn dann der Vorhang fällt – im Schmiere-Theater dient hierzu ein uraltes, ausgefranstes Pappschild – kann sich der Zuschauer im angrenzenden Künstlerkeller eigenen Gedanken über die weibliche Sicht aufs Polit- und Gesellschaftsgeschehen hingeben. Oder vielleicht auch am Stammtisch der Schmiere mit den Akteurinnen ins Gespräch kommen.

    Zum Spielort: Die Schmiere wurde 1950 vom bekannten Kabarettisten und Frankfurter Unikum Rudolph Rolfs in einem Gewölbekeller des Karmeliterklosters ins Leben gerufen. Vierzig Jahre lang feierten Rolfs und seine Bühnenpartner, darunter Reno Nonsens, auch bekannt aus dem Blauen Bock, riesige Erfolge. Im Jahr 1990 zog sich Rolfs nach Italien zurück, um dort weiterhin als Autor zu arbeiten. Seine Tochter Effi übernahm daraufhin die Spielstätte mit einem jungen Ensemble. Gründungsmitglieder des jungen Ensembles waren auch Matthias Stich und Klaus Tessnow, die Effi Rolfs heute noch die Treue halten. Sabine Hübner blieb nur ein Jahr, da sie nach Amerika auswanderte. Heute spielt das junge Ensemble mit wechselnder Besetzung insgesamt sieben Produktionen sowie ein Schmiere-Spezial mit Gästen.

    Das originelle kleine Theater zieht mit seinen knapp hundert Plätzen nach wie vor enorm viele Zuschauer an. Einige kommen seit über vierzig Jahren. Noch heute bleibt Effi Rolfs der alten Tradition ihres Vaters aus der Gründungszeit treu, die damals aus der Not des mangelnden Mobiliars geboren worden war: Wer einen Stuhl mitbringt, bekommt eine Freikarte! Infos unter www.die-schmiere.de.

    „Kennen Sie Marinette?“, fragt die zierliche Brünette mit unverkennbarem französischen Akzent ihr Publikum – und hat damit im Handumdrehen die Herzen der Zuhörer erobert. Die französische Schauspielerin und Sängerin Anne Cazier und ihr Musiker Thomas Rohoska machten den Auftakt zur Abschlussveranstaltung „Begegnungen mit Frankreich“ im Mörfelder Bürgerhaus und boten damit eine amüsante, aber auch besinnliche Rundreise durch die Welt des französischen Chansons. Cazier überzeugt das Publikum nicht nur mit dem warmen Klang ihrer Stimme, sondern amüsierte immer wieder mit charmantem Kauderwelsch bei der Ankündigung ihrer Lieder. „In dem nächsten Liede, es gibt eine Mann, eine Frau und ein Auto“, so die gutgelaunte Französin. „Eine Mann bringt Marinette eine kleine Chanson – und er sieht am Ende immer dumm aus.“ Neben diesem Chanson von George Brassens haben Cazier und Rohoska eine reiche Auswahl an Liedern zu bieten, die mit den amüsanten Ankündigungen der Protagonistin auch für nicht französisch sprechende Zuschauer leicht nachvollziehbar sind. Caziers Spielfreude macht einen großen Teil des Programms aus. Im Mittelpunkt des Repertoires – ganz nach französischer Lebensart – stehen immer wieder die Liebe und andere Widrigkeiten des Lebens. „Denn manches Mal Frauen und Männer verstehen nicht zusammen“, sagt Cazier schmunzelnd, bevor sie „Fais moi mal, Jonny – tu mir weh, Jonny“ von Boris Vian präsentiert. Aber auch ernstere Töne hat die Künstlerin zu bieten: Mit dem Chanson „Il n’y a pas d’amour heureux – es gibt keine glückliche Liebe“ macht sie einen Rundumschlag über die Tiefen des menschlichen Gefühlslebens, um schlussendlich doch zu der Einsicht zu gelangen „Mais cette amour à nous deux – aber unsere Liebe ist es.“ Damit spricht die quirlige Sängerin vielleicht auch ein wenig sich selbst aus der Seele: Schließlich ist sie vor nunmehr fast sechs Jahren selber der Liebe wegen in Frankfurt „gestrandet“. Und für die Zuschauer, die bis heute noch nicht ihr Glück in der Liebe gefunden haben, hat die Französin ebenfalls einen musikalischen Rat von George Brassens parat: „Embrasse les Tous“, von Cazier in ihrer Ankündigung übersetzt mit den Worten „Küsse sie alle ab – einer wird der Richtige sein.“ Thomas Rohoska begleitet Anne Cazier souverän am Akkordeon oder Klavier und springt auch schon mal ein, wenn der deutsche Wortschatz der Französin dann doch nicht ausreicht, um ihre Zuhörerschaft sprachlich zu erreichen. Das nennt man deutsch-französische Freundschaft!


    Vorblicke

    Das Gasthaus an der Themse ist am 21. und 22. April im Stalburg Theater zu sehen. Am 1. und 2. April wird auf derselben Bühne die Produktion „Sperrmüll“ mit Nenand Smigoc, eine Satire von Michael Herl, geboten. Und am 3. April präsentiert Matthias Tretter sein Programm „Nachgetrettert“. Alle Vorstellungen beginnen um 20 Uhr.
    Im Fesche Keller in Ortenberg ist am 9. April Michael Frowin mit seinem neuen Programm „Schlaflos im Sattel“ zu Gast. Christof Stählin gibt sich am 15. und 16. April mit seiner neuesten Produktion „Casanova“ ein Stelldichein. Und Ex-Theaterchef Hans Schwab präsentiert am 29. und 30. April „Der Teufelsschiss“ und „bye bye Troja“. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr.
    6-Zylinder kommen
    vom 4. bis 8. April mit ihrem neuen Programm „Best of“ ins Neue Theater Höchst. Ihnen folgt Ulla Meinecke samt Band am 9. April mit „Die Luft ist rein“. Und Komiker Mark Britton serviert vom 13. bis 16. April ebenfalls Neues unter dem Titel „Welcome 2 Britton“. Alle Vorstellungen fangen um 20 Uhr an. Viel Spaß beim Schauen und selber Produzieren wünscht Kiki Krebs

    Redaktion: Kiki Krebs 

    2005-03-15 | Nr. 46 | Weitere Artikel von: Kiki Krebs





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