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    Hanns Dieter Hüsch: Zugabe

    Über 50 Jahre schon macht er Kabarett, er hat in seiner wechselvollen Karriere mehr Höhen als Tiefen gehabt, er wurde zur Legende um die es alters- und krankheitsbedingt in letzter Zeit ruhiger geworden ist. Doch jetzt gibt er noch einmal eine schriftliche Zugabe (Kiepenheuer & Witsch ISBN 3-462-03539-8; 608 S., 24,90 €): Hanns Dieter Hüsch. Unveröffentlichte Texte aus fünf Jahrzehnten (leider sind sie nicht datiert), direkt aus den Manuskriptordnern ausgewählt und zusammengestellt. Es sind überwiegend diese klugen, diese netten Geschichten, nicht die zornigen, die  revolutionären – aber mal ehrlich – die haben sowieso besser zu ihm gepasst. Es ist also eine freundliche, eine erbauliche Lektüre, man hört seine Stimme bei jedem Satz, den man liest. Viele Fotos aus alten Zeiten und die hübschen Zeichnungen von J. Pankarz runden das Buch ab. Zum Freuen und Schmunzeln.

    Vom Niederrhein nach Zwickau und Leipzig: hier ist Bernd-Lutz Lange aufgewachsen und er erzählt in seinem zweiten Erinnerungsband von den wilden Sechzigern: Mauer, Jeans und Prager Frühling (G. Kiepenheuer ISBN 3-378-01066-5; 351 S., 17,90 €). Aus kleinen Verhältnissen kommend, stand er der DDR stets kritisch gegenüber und ist doch ein Kind des sozialistischen Deutschlands. So sind auch seine Geschichten: mit Distanz und doch mittendrin. Neben den schon im Titel erwähnten politischen Großereignissen sind es vor allem die kleinen atmosphärischen Details, gerade über Leipzig und seine Szenen, die das Buch so interessant machen. Diese Stadt hatte und hat schon ein besonderes Flair. Ein lesenswertes Buch, nach dessen Lektüre man ein Stück klüger geworden ist und das einen ebenso unterhalten hat – wie man es von guten Kabarettisten auch erwartet.

    Mein schönes Leben (ECON ISBN 3-430-15733-1; 456 S., 24 €) nennt Manfred Krug seine Erinnerungen an die Jahre bis 1954, bevor er mit der Schauspielerei anfing. Mit seinem Vater ist er von Westdeutschland nach Hennigsdorf (bei Berlin) gezogen und damit Ossi geworden. Ein Lausbub war er, der in den schwierigen und armen Nachkriegsjahren so manchen Schabernack getrieben hat. Er erzählt unbefangen aus einer Kinderperspektive, was das Buch sehr lesbar macht. Besonders liebevoll schildert er seine Oma Lisa, die ihren kleinen „schwarzen Zigeuner“ abgöttisch liebt. Plastisch, ohne Larmoyanz wird das Chaos der Familie und der Zeit beschrieben und zum guten Schluss klärt er uns noch darüber auf, wen er denn als Schauspieler spielen will: Sich selbst – so ist es ja dann auch gekommen.

    Merkwürdige Lebenswege gibt es! Ein solcher ist der Weg der Isa Vermehren, die, aus einer liberalen, protestantischen Lübecker Familie stammend, als junges Mädchen in Werner Fincks Katakombe freche Seemannslieder zur Quetschkommode sang, von den Nazis ins KZ gesteckt wurde und die dann nach dem Krieg in einen konservativen katholischen Orden eintrat und seither als Nonne streng nach Ordensregeln lebt. Manch einem ist sie vielleicht vom Wort zum Sonntag bekannt. Sie hat diese Ordensstrenge regelrecht gesucht, obwohl ihr persönlich Toleranz, Humor und kritische Nachdenklichkeit bescheinigt werden. Merkwürdig! Ein weites Herz (Claassen ISBN 3-546-00339-X, 368 S., 22 €) nennt Matthias Wegner seine „Lebensbeschreibung der zwei Leben der Isa Vermehren“, bzw. seine „Liebeserklärung an eine Nonne“. Er ist fasziniert von dieser Frau, die so geradeaus und auch so widersprüchlich ist, dass es keine kritische, distanzierte Biographie geworden ist. Dennoch ein interessantes Buch über eine interessante Person.

    Zum Weiterlesen sei noch ein Buch empfohlen, das Isa Vermehren 1945 selbst geschrieben hat und in dem sie (als eine der ersten überhaupt) ihre Erfahrungen und Erlebnisse in deutschen KZs beschrieben hat: Reise durch den letzten Akt (rororo 22361; 288 S., 7,50 €). Da ihr Bruder sich nach England abgesetzt hatte, wurde die ganze Familie in Sippenhaft genommen. Sie war zu der Zeit schon zum Katholizismus konvertiert, sehr gläubig und dies schlägt sich auch in ihren Erinnerungen nieder. Sie erzählt ohne jedes Heldenpathos ihre Erlebnisse, versucht zu ergründen, wie und warum Menschen sich so unmenschlich verhalten können und sie meint dabei sowohl die Häftlinge als auch das Wachpersonal. Ein sehr authentisches Buch, das Beachtung verdient hat.

    Seit über 25 Jahren sammelt Werner Hinze Lieder, aber nicht irgendwelche, nein, er sucht und erforscht Lieder der Straße (Tonsplitter ISBN 3-936743-01-0; 2 Bände im Schuber, 176 S. + 192 S., 32,80 €). Der erste Band des Schubers versammelt 111 Lieder mit Noten und Texten, thematisch (z. B. Handwerksburschen, Auswanderer, Jugendbewegung u. a.) geordnet. Der zweite Band ist ein Lexikon, das sehr informativ in das Sujet der Straßenlieder einführt, Begriffe erläutert, Personen vorstellt und Hintergründe erklärt und damit wirklich sehr hilfreich ist. Über manche Erklärung könnte man indes diskutieren (z. B. hat der Rezensent schon anderes über den „Zapfenstreich“ gelesen), bzw. könnte die Zuordnung Liederbuch – Lexikon erleichtert werden. Im Liederbuch findet sich beim „Lampenputzer“ kein Hinweis auf E. Mühsam als Autor, im Lexikon unter „Mühsam“ wird aber auf den Lampenputzer verwiesen. Zum „Moorsoldatenlied“ ist leider kein Lexikoneintrag zu finden (die abgedruckte, ursprüngliche Melodie von Goguel ist eigentlich kaum geläufig), auch die „fünf wilden Schwäne“ werden im Lexikon nicht näher erklärt. Doch einige Details schmälern nicht den Verdienst dieser Edition. Wer sich mit Liedern befasst, dem sei sie ausdrücklich empfohlen.

    Keiner ist zu blöd ein Schwein zu sein (Heavy-Books ISBN 3-924604-03-7; 122 S., 14,90€) behauptet Silke Hauck und vielleicht hat sie ja Recht. Diese junge Sängerin aus Berlin/Mannheim ist wirklich ein bemerkenswertes Geschöpf. Sie singt Chansons und Pop und kann das auch alles. Sie ist ein wenig Unschuld, ein wenig Vamp und es wirkt beides. In diesem (Fan-)Buch sind Fotos, Liedertexte, Kritiken und Fanpost zu sehen in der zeitlichen Abfolge ihrer (unterschiedlichen) Programme. Viel Erfolg für die Zukunft!

    Alfred Polgar ist einer breiten Öffentlichkeit heute weitgehend unbekannt, dabei wurde er früher zusammen mit Tucholsky, Krauss oder Benjamin genannt. Seine geistreichen Essays, Erzählungen und Kritiken gehörten zum Besten im deutschen Sprachraum. Es ist fast unnötig zu erwähnen, dass solch ein geschliffener Geist keinen Platz in Nazideutschland/Österreich hatte, er emigrierte in die USA. 1955 ist er in Zürich gestorben. Das große Lesebuch (Kein & Aber ISBN 3-0369-5116-4; 431 S., 22,80 €), das Harry Rowohlt zusammengestellt hat, enthält über 130 seiner meisterhaften Skizzen aus fünf Jahrzehnten. Worüber dieser Mann sich alles Gedanken gemacht hat: von den kleinsten Alltagsbeobachtungen bis zur Weltpolitik, von kulturellen Fragen bis zur Sexualität. Zu allem schrieb er Kluges, Bedenkenswertes, distanziert und doch engagiert und voller Humor. Ein sehr erbauliches Buch.

    Vor 50 Jahren wurden in Berlin/DDR die satirische Zeitschrift Eulenspiegel  und der gleichnamige Eulenspiegel-Verlag gegründet. Beide haben getrennt und zusammen die Wende überlebt und können ihr Jubiläum begehen. Die Satirezeitschrift feiert mit vier Sonderausgaben, von denen die erste (Die Jahre von 1980–1989 (210 S., 5,80 €)) bereits erschienen ist, die weiteren drei Hefte decken die Jahre bis 1999 ab. Ein Who’s who der Karikaturisten und Autoren lässt das Sonderheft Revue passieren und man bekommt anhand der geschilderten Probleme, Satiren und Zeichnungen ein Geschmäckle dafür, warum die DDR eigentlich gescheitert ist.

    Der Verlag gibt einen Überblick über sein Buchprogramm, die Schallplattenbücher und Hörbücher der letzten fünf Jahrzehnte und präsentiert einige Leseproben und Bildbeispiele unter dem Titel: Die traun sich was (Eulenspiegel Verlag ISBN 3-359-01480-4; 256 S., 12,90 €). Für Freunde des Verlags sicher ein Muss!

    Einer der Zeichner der Zeitschrift hat mit seinen Bildern (und neuerdings auch Texten) im Verlag einen aufwändiges Buch spendiert bekommen: Ente kross (Eulenspiegel Verlag ISBN 3-359-01489-8; 76 S., 14,90 €) von Arno Funke (alias Onkel Dagobert; Karstadt-Erpresser, 1994). Auf dem Titelbild schlachtet Arno besagte Comic-Ente, er hat sein Leben also verändert, ein Beispiel für erfolgreiche Resozialisierung. Funke macht teuflisch-schöne, satirische Bilder und schreiben kann er auch, wie das Buch belegt. „Geld macht süchtig“ lautet der Titel einer Story über Therapien, wer wüsste das nicht, wer glaubte gerade ihm das nicht? Bei diesem Buch springt der „Funke“ über!

    Vor Jahren kam mit dem Schwanitz ein Bildungsschmöker auf den Markt, der neben großer Zustimmung auch einige Kritik erfahren hat. Unter anderem wurde bemängelt, dass Herr Schwanitz den Bereich der Naturwissenschaften aus seinem Kulturbegriff ausgeklammert hat. Diese Kritik hat den Verlag wohl nicht ruhen lassen und er hat jetzt einen entsprechenden Band nachgeschoben: Leben, Natur, Wissenschaft – Alles was man wissen muss (Eichborn ISBN 3-8218-3981-3; 608 S., 24,90 €). Die Autoren Detlev Ganten, Thomas Deichmann und Thilo Spahl haben bei diesem Band vor allem Wert darauf gelegt, dass der Bezug der wissenschaftlichen Erkenntnis zum Leben der Menschen deutlich wird. Ein spannender und lehrreicher Wälzer mit vielen biologischen, physikalischen und medizinischen Fakten, auch als Anregung zum Vertiefen und Weiterlesen gedacht. Ein ausgezeichneter Anhang mit Zeittafel und Sach- und Personenregister ist daher auch mit einem einladenden Bücherverzeichnis versehen. Man kann nur klüger werden.

    2004-09-15 | Nr. 44 |





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