Werner Schretzmeier und das Theaterhaus-Team wurden mit dem Hans-Peter-Stil-Preis ausgezeichnet. Geehrt werden mit diesem Preis Leute, die sich für die Region Stuttgart stark gemacht haben. Schretzmeier hatte schon die Manufaktur in Schorndorf und das alte Theaterhaus gegründet, bevor er das neue Haus am Pragsattel gegen etliche Widerstände durchsetzen konnte. Kleinkunst und Jazz, Theater und Konzerte werden jetzt in vier gleichzeitig bespielbaren Sälen angeboten. Das Konzept geht auf. Ein witziger Videozusammenschnitt über Schretzmeiers Werdegang, Lobeshymnen von OB Schuster bis Hans Peter Stihl sowie ein mit künstlerischen Beiträgen gestaltetes Programm der Weggefährten wie Dauner, Mariano, Baisch und die Kleine Tierschau bilden den Rahmen. Eine verdiente Anerkennung für jahrzehntelange Arbeit, die das Theaterhaus und somit die gesamte Region Stuttgart über die Grenzen hinaus bekannt gemacht hat.
Im Renitenz hatte das Hausprogramm diesmal den zugkräftigen Titel „Wir können alles, außer Schwäbisch“! Die Rahmenhandlung bezieht sich auf die Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl im Herbst. Ein CDU-Wahlkampfteam, in das sich ein SPD-Kuckucksei eingeschlichen hat, bemüht sich um die Titelverteidigung des Amtsinhabers. Es bleibt die Frage, welche Null diesmal die Nummer Eins wird. Gute Texte, die thematisch von Stuttgart über Merkel und Co. bis zum kreativen Terror reichen. Verantwortlich zeichnen dafür Ulf Dietrich, Martin Maier-Bode, Wolfgang Marshall und der scheidende Intendant Gerhard Woyda, der auch einen Teil der Musik komponiert hat. Gute Übergänge, musicalmäßiger Spitzengesang, schrille Überraschungen wie die „Forever-Young-Oma“ im knallgrünen Outfit lassen das Ganze zu einem Erlebnis werden. Mit dem Ergebnis kann der neue Leiter das Hauses, Sebastian Weingarten, der mit Hilpert, Mueller und Gerdell auf der Bühne stand, sehr zufrieden sein.
Am gleichen Ort wie jedes Jahr zur Sommerzeit die Premiere von Wommy Wonder. Ein überraschendes Stewardess-Intro, das gestisch überspitzt signalisiert, was das Publikum an diesem Abend zu tun und zu lassen hat.
Diesmal tritt Wommy im Duo mit dem Zauberer Timo Marc auf. Der passende Titel: „Nix wie Tricks“. Zu einem Renner haben sich Ernst und Heinrich entwickelt, akustische Musik der Spitzenklasse, schwäbisch-humorige Texte, verrückte Videos, die ins Spiel einbezogen werden. Thomas Felder mit seinen Ausnahmeliedern, der es schafft, Politisches, Alltägliches und ganz Persönliches zu mischen und mit einer Power wie der frühe Dylan zu präsentieren.
Im Hi, einer ehemaligen Rotlichtkneipe, wurde das Kultbuch „High Fidelity“ von Nick Hornby in Szene gesetzt. Der Lebensweg eines Gebrauchtschallplattenhändlers wird aufgezeigt, der noch einmal all seinen ehemaligen Freundinnen einen Besuch abstattet. Erinnerungen werden wach: Die erste Liebe, Trennungen – sie bekam die Möbel, er die LPs und CDs – das Neusortieren der Sammlung nach Kaufdatum oder Alphabet und letztendlich mit einem Augenzwinkern die Erkenntnis, dass Musik und Frauen harmonieren müssen, sonst wird das alles nichts. Silja Bächli und Sierk Radzei in den Nebenrollen, beide glänzen mit musikalischen Solonummern, und Sebastian Röhrle als Rob. Gut herausgearbeitete Pointen, die Musik, das Lebensgefühl der Achtziger und die Umgebung – halb Club, halb Schmuddelbar – machen aus diesem Stück ein Event.
Im Depot gab es die Premiere von „Volksvernichtung“ von Schwab. Ein schwarzhumoriger bis bitterböser Einstieg, wenn Mutter und Sohn sich Redeschlachten liefern, immer wieder verstärkt durch kurze Stopps, stummfilmhafte Bilder von großer Intensität. Im zweiten Teil der ganz normale Familienhorror zwischen Alkohol, Konflikten und vorgespielter heiler Welt.
Das Humorige schlägt endgültig in Grauen um, wenn sich Juliane Koren als Frau Grollfeuer in einem grandiosen Finale zur Richterin aufschwingt.
Eine Woche lang in der Theaterkiste: Erich Gautier, Tänzer und mehrfach ausgezeichneter Songpoet. Ein Balladenprogramm, unterbrochen von schlitzohrigen Conferencen und eingespielten Videos, die mit den Liedern korrespondierten. Erfolgreiche, ausverkaufte Abende in einer schönen Atmosphäre.
Im Merlin fand nach der „Langen erotischen Nacht“ die erste „Lange komische Nacht“ statt. Der Politkabarettist Thomas Schreckenberger eröffnete den Reigen, pointensicher und eloquent, gefolgt von Alltagssatire mit Musik von Achim Fuchs, Vera Badt und dem Kleinen Grinsverkehr, Theatersport mit Comedy-Elementen. Das erfolgreiche Spektakel soll fortgesetzt werden.
Das teatro piccolo spielte „Berta, La Larga“. Poesie und Humor, Leidenschaft und Lebensphilosophie zeichnen dieses Stück aus. Es lebt von seinen wunderbaren Bildern, passender Musik, von sprachlichem und körperlichem Witz. Wenn der Spielwitz in Tragik umschlägt, wird das durch einen Wolkenbruch symbolisiert und die Bühne steht im wahrsten Sinne des Wortes unter Wasser. Eine gelungene Produktion, die im Gedächtnis haften bleibt.
In Herbrechtingen ging das alljährliche Guckna-Festival mit A Capella, Flamenco und Kindertheater über die Bühne, zusammengestellt von Tobias Zahn.
Redaktion: Bruno Schollenbruch
Theaterhaus:
09.10.04 Atze Schröder
20.10.04 Lisa & Nepo Fitz
01.11.04 Schollenbruch & Grohmann: „Stupid White Men“
04.11.04 Johann König
15.11.04 Hannes Wader
26.11.04 Christoph Sonntag
12.12.04 Tim Fischer
Renitenz Theater:
12.–17.10.04 Henning Venske
21.–22.10.04 Michael Frowin
23.–24.10.04 Klaus Birk
02.–14.11.04 Reiner Kröhnert
18.11.04–20.2.05: Premiere: Renitenz-Ensemble
PFORZHEIM
Osterfeld:
08.10.04 Jürgen Becker
11.10.04 Ernesto Cardenal
21.10.04 Django Asül
25.11.04 Iris Berben
03.12.04 Schwabenoffensive
28.12.04–2.1.05 Winterträume-Varieté
2004-09-15 | Nr. 44 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch