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  • Themen-Fokus :: Kindertheater

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    20 Jahre Kindermusik-Szene

    von Klaus W. Hoffmann - Kinderliedermacher

    20 Jahre Erlebnisse und Erfahrungen in der Kindermusik-Szene gab mir TROTTOIR beim Redaktionsgespräch als Thema vor. Ich hätte auch Kinderlieder-Szene titeln können oder auch Kinderliedermacher-Szene. Dabei kamen die Interpreten und Schreiber der Kinderlieder ursprünglich aus zwei verschiedenen Richtungen:

    Rolf Zuckowski und später Detlev Jöker eher aus dem Schlagerbereich, Klaus W. Hoffmann und Frederik Vahle aus der Liedermacher- und Folkbewegung der siebziger Jahre. Doch wie fing es nun an?


    Einstieg mit schlotternden Knien

    Mein Einstieg in diese Szene konnte kaum heftiger ausfallen. Mit meiner Ex-Partnerin Karin Heimann im Duo Karin und Klaus wurde ich 1980 von Dieter Dehm zum Frankfurter Festival „Lieder im Park eingeladen“. Mit unserer ersten punkigen Eigenproduktion „…sonst fahr ich nach Amerika“ im Gepäck reisten wir ganz wichtig mit Band und eigenem Roadie von Dortmund nach Frankfurt. Der erste Auftritt mit unseren Kinderliedern gleich vor mehreren tausend Zuschauern. Die gesammelten Erinnerungen an dieses Ereignis:

    - die schlotternden Knie vor dem Auftritt

    - meine Ehrfurcht vor Henning Venske (mit Lilo Pulver das Traumpaar der Sesamstraße)

    - meine Bewunderung für Knisters furiosen Soloauftritt (1980 Autor der Sesamstraße, später zwei     Kinderlieder-LP’s für Pläne, jetzt Bestseller-Autor im Arena-Verlag)

    - der Respekt vor dem Magen unseres Roadies Jochen, der in einer nahe gelegenen Pommesbude die Speisekarte rauf und runter aß.

     

    Die erste „amtliche Schallplatte“

    Als ich 1985 als dritter Kinderliedermacher neben Klaus W. Hoffmann und Fredrik Vahle zur Plattenfirma Pläne kam, waren deren Lieder wie „Der Cowboy Jim“ oder „Wenn der Elefant in die Disco geht“ bereits auf dem Weg zum Volkslied. Zum Glück hatte unser Duo Karin und Klaus mit der ersten LP für Pläne (Klaus, die Maus) einen großen Erfolg und durfte sofort den „Dackel-Wackel-Tanz“ nachlegen. Zu uns Liedermachern gesellten sich nach und nach Bands wie Firlefanz und Trio Kunterbunt aus Hessen oder Atze aus Berlin.

     

    Hits für Kids 1989

    Unter diesem Motto lud Bernd Meyerholz (Trio Kunterbunt) die –fast- komplette Kindermusik-Szene zu Fernsehaufnahmen nach Kassel ein. Veranstalter war der Hessische Rundfunk. Für halbstündige Sendungen, die 1990 von der ARD ausgestrahlt wurden, stellte Bernd Paare zusammen wie z.B. Fredrik Vahle mit Gerhard Schöne oder Klaus W. Hoffmann mit Klaus Neuhaus. Unsere Sendung hieß „Klaus, die Maus, trifft den Discoelefanten“ und war der Anstoß für eine langjährige Zusammenarbeit Hoffmann/Neuhaus mit insgesamt 6 CD’s. Für die skurrile Anmoderation der Lieder engagierte der HR den Kabarettisten Erwin Grosche. Nicht so bekannt ist, dass Erwin Grosche einige Kinderlieder geschrieben hat, die inhaltlich nicht weit von seinem Kabarettprogramm entfernt sind. Mein Lieblingslied von ihm heißt „Der blöde Bulli springt nicht an“ und traf mich just zu einem Zeitpunkt, als mich hintereinander zwei ständig defekte VW-Bullis fast in den Wahnsinn getrieben hätten.

    Die große Entdeckung und Überraschung des Kasseler Festivals 1989 war jedoch der in Berlin lebende Engländer Robert Metcalf, der mit Liedern wie „Dabei hab ich’s absichtlich gemacht“ oder „Die Feuerwehr kommt…nicht“ völlig neue Aspekte in die Kindermusik einbrachte.

    Noch heute greifen Fernsehsendungen wie die Musikboxx im Kinderkanal gerne auf diese Aufzeichnungen zurück.

     

    Festivals als Familientreffen

    In der Hauptsache zwei langjährige Festivals in Berlin und im Ostkanton Belgiens hielten die übersichtliche Familie der Kinderliedermacher und Bands zusammen. Das Festival in Berlin fand erstmals 1985 statt und wurde anfangs vom SFB unterstützt. In den letzten 12 Jahren wurden die Berliner Musik-Theater-Wochen von einem Team um Gabi Hilsberg organisiert; mit leider nur sehr schmalen Zuschüssen. Hier führte das große Engagement aller Beteiligten zum Erfolg. In Eupen (Belgien) veranstaltete die KAP, eine Kulturvereinigung der Sozialistischen Partei Belgiens, ähnliche Wochen der Kindermusik, um die Muttersprache Deutsch bei den Kindern zu fördern. Ähnlich wie in Berlin im Haus der Kulturen waren auch in Belgien die Galaveranstaltungen mit allen teilnehmenden Musikern Abschluß und Höhepunkt der Festivals; für die Künstler gleichzeitig eine Newsbörse, bei der Neuigkeiten über Verträge, GEMA oder frische Projekte ausgetauscht wurden.

     

    Die Wende in der Kindermusik

    1989, alles neu - alles anders, zumindest für mich. Das Duo Karin und Klaus existiert nicht mehr, meine dritte Produktion für Pläne „Kater Karuso“ also ein Solo-Album. Das erste Liederbuch „Dackel-Wackel-Tanz“ gleich hinterher.

    Die frühe Vermutung eines Westberliner Kollegen im Sommer 1989: „Pass auf, die steh’n hier bald vorm Aldi“ sollte sich schnell bestätigen. Im Dezember 1989 spielte ich mit meinem neuen Duopartner Jürgen Lesker auf Einladung von Buch International in Nürnberg in einem Jugendzentrum und hörte nach dem Konzert zum ersten Mal den Satz: „…und ihr werdet auch noch verkauft“. Das sollte im Klartext wohl heißen, dass die Firma Pläne –weil der DKP nahestehend- kurz vor dem Ende sei. Die Plattenfirma Pläne, das Mutterschiff des neuen deutschen Kinderliedes, vor dem Ende? Unvorstellbar, dieser Gedanke. Nach vielen Dementis, die so schlecht waren wie in der Fußball-Bundesliga, kam Anfang 1990 der „blaue Brief“ mit der Einladung zur Großversammlung in Dortmund. Das Ende vom Lied war der Verkauf des kompletten Kinderlieder-Labels an den katholischen Patmos-Verlag in Düsseldorf. Von den Kommunisten an den Vatikan verscherbelt, das war gewöhnungsbedürftig.

    Kurz danach gleich die nächste Großversammlung in den Patmos-Räumen in Düsseldorf. Uns stellte sich ein moderater Verlagsleiter italienischer Herkunft vor, also doch Vatikan? Nein, nein, alles ganz frei und offen. „Sie haben bei uns keinerlei Einschränkungen“ wurde uns offeriert. Doch nicht alle Kollegen mochten dem Angebot folgen. Ulrich Maske aus Hamburg gründete recht zügig sein eigenes Label mit dem Namen Jumbo. Den Dieter Süverkrüp (Baggerführer Willibald) habe ich nach diesem Treffen nie wieder gesehen.

     

    Der Austausch Ost-West

    Klaus W. Hoffmann durfte für Ravensburger in der Semper-Oper Dresden spielen. Ich spielte, wie andere Kollegen auch, während des Berliner Festivals in Brandenburg, doch sämtliche Veranstaltungen blieben ohne Nachhall. Der Austausch wurde und blieb einseitig. Während Gerhard Schöne oder später die Band Rumpelstil aus der ehemaligen DDR im Westen Fuß fassen konnten, wurde für uns Wessi-Liedermacher die „Ehemalige“ schnell wieder dunkel oder besser: ein weißer Fleck auf unserer Tourlandkarte. Bis auf wenige Ausnahmen gilt das leider auch noch heute. Das kann auch als Anreiz für die Veranstalter im Osten gedeutet werden: Ihr dürft uns ruhig mal einladen!

     

    Wo bleiben die Frauen?

    Gute Frage, nächste Frage, war mein erster Gedanke. Wohl kein anderes Thema ist in der Kindermusik-Szene so häufig und ohne Erfolg diskutiert worden. Dorothee Kreusch-Jacob hat sehr viele Kinderlieder geschrieben, tritt allerdings nicht live auf. Marie-Luise Ritter aus Frankfurt habe ich in Erinnerung wie einige Frauen, die als Autorinnen für verschiedene Verlage Lieder schreiben. In der Live-Musik ist die Kindermusik-Szene mit sehr wenigen Ausnahmen eine Männer-Szene geblieben, warum auch immer.

     

    Regionaler Zungenschlag

    Zum Glück haben die meisten Kinderliedermacher sprachliche Besonderheiten ihrer Region in ihre Lieder einfliessen lassen. Als ich 1984 bei der WDR-Matinee der Liedersänger die Gruppe Atze kennenlernte, sang Thomas Sutter: „Murmeln sind so kleene, kullern fast alleene“.

    Bei Ferris Liedern kann ein Reim auch gerne einmal hessisch enden, dann wird aus kurzsichtig kotzischtisch oder so ähnlich.

    Geraldino aus Nürnberg fränkelt eigentlich durchgehend, was ihm jedoch niemand wirklich übel nimmt.

    Im Gegensatz zu Geraldino singt Sternschnuppe (Margit Sarholz und Werner Meier) die „richtige“ bayerische Sprache. Sie kommen auch nicht aus Franken, sondern aus Ottenhofen, also aus ganz tief drin im Bayernland.

     

    TIPP:

    Der kleine Häwelmann von Theodor Storm, eine musikalische Reise durch die Nacht, gibt es jetzt als Hörspiel von Thomas Riedel, Geschichtenerzähler und Liederschreiber. Die Geschichte ist für Kinder ab drei Jahren und begleitet sie zum Tagesausklang in eine geruhsame Nacht (www.geschichtenlieder.de).  

     

    Redaktion: Klaus W. Hoffmann

    2003-03-15 | Nr. 38 | Weitere Artikel von: Klaus W. Hoffmann





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