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    Die Premiere: Black And White, Unite, Unite?

    Bunter Abend für Farbenblinde

    Im Renitenztheater spielten Christine Prayon und Delila Abdallah zum ersten Mal ihr Stück „SCHWARZ AUF WEISS“, einen Bunten Abend für Farbenblinde. Die beiden haben sich in der letzten Hausproduktion des Renitenztheaters in Stuttgart kennengelernt, sich nach dem überraschenden Ende des erfolgreichen Duos Top Sigrid in kurzer Zeit zusammengerauft und ein Stück über rassistische Vorurteile im privaten und politischen Raum auf die Beine gestellt. Beide bringen ihre Erfahrungen mit dem Thema ein. Christine Prayon ist nach einigen Jahren Kabarett zwar die erfahrenere Texterin und Schauspielerin, aber die frische Art ihrer neuen Partnerin gleicht das mit frecher, hessischer Schnodderschnauze fast wieder aus. Frauenduos im deutschen Kabarett sind selten, erst recht, nachdem die „Missfits“ vor einigen Jahren den nicht gesellschaftsfähigen Löffel abgegeben haben. Und mit „Schwarz auf Weiß“ haben die beiden Protagonistinnen sicher ein Alleinstellungsmerkmal auf deutschsprachigen Bühnen. Sicher könnten die Texte im Laufe der Zeit noch ätzender werden, die Pointen etwas genauer, aber ein guter Grundstock ist gelegt. Vielleicht ein neuer Glücksfall für das deutsche Kabarett. Mainz und Salzburg sind gefordert. Aber gemach, wie hat es mal ein schlauer Satiriker formuliert: „Kabarettpreise sind ja wie Hämorriden, irgendwann kriegt jeder Arsch welche!“

     Der mit dem Shakespeare tanzt

    In Göppingen in der Theaterwerkstatt spielte Bernd Lafrenz sein Jubiläumsprogramm, die vollständige Überarbeitung von „Minne, Mord und Memmen“ zu „LIEBE, LUST UND LEIDENSCHAFT“, acht Shakespeare-Stücke in 120 Minuten, eine Art Weltrekord im Solotheater. Exaktes Spiel, tolle Grimassen, perfekte Licht- und Schattenspiele. Beeindruckend schon der Einstieg, wenn hinter Lafrenz' Rücken auf dem Vorhang ein teuflischer Schattenriss entsteht, der das Böse in den Stücken des guten, alten William S. voraus ahnen lässt. Lafrenz – Theater König Alfons – ist der, der seit 26 Jahren mit dem Shakespeare tanzt, ohne dass es ihm oder seinem Publikum langweilig wird. Im Gegenteil, sein Spiel ist wie alter Wein, der im Laufe der Zeit immer besser wird. Lafrenz schlüpft in seinem Programm in gut 40 Rollen, mal als hinterhältiger Mordbube, mal als verliebte Jungfer, mal als bösartiges, altes Weib. Seine Liebe zu Stoff und Autor, zum Detail ist in jeder Sekunde spürbar. Und Lafrenz spielt auch in Paris und in anderen Städten im Ausland, und das perfekt in der Landessprache. Wer ihn im letzten Vierteljahrhundert noch nicht gesehen hat, sollte hingehen, sich gruseln, lachen und auf dem Nachhauseweg über die Irrungen und Wirrungen des Lebens plaudern oder nachdenken.

    Shakespeare zum Zweiten: Im Schauspielhaus gab es eine spektakuläre satirisch-theatralische Uraufführung von und mit Harald Schmidt: „Der Prinz von Dänemark. Ein Hamlet-Musical“. Seitdem Schmidt nicht mehr Abend für Abend seine teilweise gequälten Witze im Privatfernsehen reißen muss, hat er die Bühne wiederentdeckt, ist halb in seine schwäbische Heimat zurückgekehrt und spielt als Ensemble-Mitglied im Stuttgarter Staatstheater. Hamlet als ironische Provokation? Was gibt es nicht alles auf deutschen Bühnen: Hamlet nackt, Hamlet als Frau, Hamlet beim theatralischen Totenkopf-Kegeln. Schmidt wäre nicht Schmidt, wenn er nicht ganz anders mit dem Stoff umgehen würde. Hier wird gesungen und gerockt, hier darf man bei den weltberühmten Zitaten endlich mal mitschunkeln. Das Ensemble hat unter der Regie von Christian Brey eine musikalische Show auf die Beine gestellt, die sich sehen lassen kann. Schmidt hat seine Verdienste als Autor, als Schauspieler kann er mit den erfahrenen Bühnenhasen nur schwer mithalten. Das Publikum stürmt das Theater und ist begeistert, „Harald Hamlet“ hat so sein Ziel erreicht, Komik und Satire in die heiligen Staatstheater-Hallen zu tragen, und fühlt sich dabei sichtlich wohl!

    „Dunkle Zeiten“ von Sobol spielte die Freie Bühne Stuttgart unter der Regie von Isolde Alber im Treffpunkt Rothebühlplatz. Dieses deutsch-jüdische Drama über eine Kriegsreporterin, die mit 17 Jahren erfährt, dass ihr Vater als SS-Offizier an Kriegsverbrechen beteiligt war. Auf ihrer Suche nach der Vergangenheit trifft sie die ehemalige Geliebte ihres Vaters, eine Jüdin, die dieser vor der Deportation gerettet hat. Johanna Hanke als Anda und Ismene Schell als Petra haben diesen ewig aktuellen und brisanten Stoff sensibel auf die Bühne gebracht. Es ist erstaunlich, was freie Bühnen mit ihren knappen Ressourcen immer wieder leisten.

    Im Theaterhaus fand die Premiere von Christoph Sonntag statt. Ein Routinier, witzig, aktuell. Das kommt alles sehr sympathisch über die Rampe. Ausflüge ins Private sind bei ihm keine Stolperfallen, sie gehören einfach zu einem typischen „Sonntag-Programm“ dazu, das diesmal den Titel „Drin ist, was draufsteht“ trägt. Und da gibt es nichts hinzuzufügen.

    Am 16.2. platzte dann noch eine Bombe. Michael Gaedt und Michalel Schulig von " Die Kleine Tierschau" wollten am 19.2. eine Premiere unter dem ironisch gemeinten Namen "Die Große  Tierschau" machen. Der Dritte im Bunde, Ernst Mandel, der mittlerweile pro Jahr 140 eigene Auftritte macht und somit für die "KleineTierschau" nur noch an 49 Abenden zur Verfügung stand, hat gegen den neuen Namen durch seinen Rechtsanwalt Protest einlegen lassen. "Tierschau" wäre ein Markenname, den die Gruppe seit 28 Jahren benutzt. Deshalb hätte er seinen Anwalt einschalten müssen, der in  seinem Schreiben jede Nutzung des Begriffes "Tierschau" untersagt. Die  Premiere sollte nun unter dem Namen "Ex-Große-Tierschau" laufen. Auch  dagegen hat Ernst Mantel mit Klage gedroht.

    Natürlich machten auch die üblichen Verdächtigen in Stuttgart Station. Malediva im Renitenz zum Thema „Weihnachten“ mit einem guten Programm, das leider wie immer in der zweiten Hälfte etwas abfällt, dafür kann man in der ersten Halbzeit nur staunen. Dann kw.Timm, ebenfalls im Renitenztheater, der in der langen Theaternacht sein Kurzprogramm „Heut wird’s schön“ sieben Mal spielen durfte, ohne in der Intensität nachzulassen. Timms Programme sind wie Rosinen picken im ganz alltäglichen Schwachsinn, mit liebevollen Tritten gegen die Säulen einer schlummernden Nation und überraschenden Treffern auch zwischen den Zeilen. Timm hat sich in den letzten Jahren enorm gesteigert.

    Reutlingen: Im neuen Franz K. gastierte das Duo Theater Sturmvogel, das sich zum ersten Mal nach vielen Theaterproduktionen auf die Comedybretter begeben hatte. Eine rasante Show zum Thema „Deutschland sucht die Superfrau“, toller Gesang, einfühlsame Begleitung auf dem Klavier, lustvolles Ausspielen diverser Frauen- und Männerrollen, gehobene Unterhaltung im Gegensatz zu den Flach-Bildschirm-Fernseh-Stars der Privaten.

    Im April findet wieder das Kabarettfestival statt, an dem viele Stuttgarter Kabarettveranstalter wie das Theaterhaus, das Merlin, das Laboratorium, die Rosenau und das Renitenz beteiligt sind.

    Esslingen: Kabarett der Galgenstricke. Zwei neue Programme haben die einzigen Stadt-Kabarettisten der Republik in kurzer Zeit auf die Bühne gestellt. Das erste Soloprogramm ist von Erich Koslowski, Obergalgenstrick seit 1976, der sich um die wichtigste neue Werbegruppe „70 Plus“ kümmert. „Bettnäss-Wellness“, in der agile Greise ihre Nachfolgebrut schlitzohrig aufs Kreuz legen. Und dann, passend zur größten Finanzkrise der letzten 80 Jahre, die Premiere des neuen Duoprogramms mit seinem Partner und Musikgenie Herbert Häfele. Titel: „ Spekulatius und Googelhupf“, ein Programm über Bänker, flotte Bienen, Crash- und Brustvergrößerungen. Die beiden stürzen sich auf mediale und persönliche Turbulenzen, dass es nur so kracht, ein Eiertanz auf einem schwäbischen Vulkan. „Hast du zur Nacht gebetet, Acker-Merkel?“

    Redaktion: Bruno Schollenbruch

     Bernd Lafrenz 

    AdNr:1012

    2009-03-15 | Nr. 62 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch





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