Sommer, Sonne und Kultur: Eine Kombination, die das Herz erwärmt und die Sinne erweitert. Das dachten sich auch Michi Herl und seine Kollegen vom Frankfurter Stalburg-Theater, als sie sich dazu entschlossen, Schauspieler, Musiker und Literaten in der spielfreien Sommerzeit erstmalig auf eine Freilichtbühne in den beliebten Günthersburgpark der Mainmetropole zu holen. Vier Wochen lang wurden auf der grünen Wiese allabendlich Jazz, Klassik, Theater, Kabarett, Literatur, Folk, Folklore, Blues – getreu Herls Motto „Voll im Trend? Och nö“ – geboten, und das bei freiem Eintritt. Zudem konnten sich Parkbesucher bereits ab 10 Uhr morgens an den Buden neben der Bühne zu günstigen Preisen verköstigen lassen. Den Auftakt des sommerlichen Kulturspektakels machten übrigens Anne Bärenz, Frank Wolff, Markus Neumeyer unter dem Titel „Sommersprossen“ – als Hommage an das Friedberger Sommersprossenfestival, das – nicht nur zum Bedauern der Initiatorin Isa Schäfer – in diesem Jahr dem Rotstift zum Opfer fiel. Bärenz, Wolff und Neumeyer waren häufig in Friedberg zu Gast, unter anderem mit dem Neuen Frankfurter Schulorchester. „Und jetzt holen wir Friedberg nach Frankfurt“, ruft Cellist Wolff, nachdem der Sänger und Pianist Neumayer zum Show-Auftakt den UKW-Song „Ich bin ja so verschossen in deine Sommersprossen“ angestimmt hat. Ohne Schnickschnack und mit natürlichem Charme preschen die drei Protagonisten durch die Musikgeschichte, natürlich auf ihre ganz eigene Art. Ob „Summertime“ von Gershwin oder „We Are The Champions“ von Queen, der Stil der Frankfurter Lokalheros ist unverkennbar, wenn auch die Aufführung im Günthersburgpark improvisierter und weniger rund wirkt als die üblichen Präsentationen des Neuen Frankfurter Schulorchesters, zudem lässt die Tontechnik zu wünschen übrig. Der Stimmung der zahlreichen Besucher, die es sich auf Decken und Jacken vor der Stalburgbühne bequem gemacht haben, tut dies jedoch keinen Abbruch. Und als Neumayer zum Abschluss „Isa, wir gehen nach Pisa“ intoniert, bringt er auch die lokalpolitisch desillusionierte Friedberger Kulturamtsmitarbeiterin Isa Schäfer zum Lachen. Alles in allem ist die Freilichtbühne des Stalburg-Theaters eine echte Bereicherung für das Frankfurter Sommerleben. Nur weiter so!
Gemeinsam mit gut und gerne 200 Gästen feierten Axel Schiel und sein Kompagnon Reinhold Becker das nunmehr 11-jährige Bestehen der Kleinkunstbühne Achterbahn in Ginsheim-Gustavsburg im Kommunalen Kino. Mit von der Partie waren die Artistin Annette Will, das Duo Diagonal, Florin und sein Hund Cato, Stand-Up-Comedian Anny Hartmann, Papierkünstler Mr. Lo, Comedian Moses W., die Kontorsionistin Davaana Jargal sowie Kiki und die Notenspender und Christian Hirdes mit Chansons.
Selbst Fernsehmuffeln dürften sie nicht entgangen sein, die zahlreichen Casting-Shows, mit denen die Sender versuchen, für höhere Einschaltquoten zu sorgen. Und wenn selbst die Kandidaten dieser Show nicht mehr wissen, um was es eigentlich geht, dann muss improvisiert werden. Was bei den Casting-Kandidaten oft ungewollt komisch über die Bühne geht, hat das Frankfurter Improvisationstheater Äppler Express zum Programm gemacht, indem es „Pap-Stars – Bastel dir dein Musik-Idol“ konzipierte. Gemeinsam mit den Wiesbadener Impro-Kollegen von Für Garderobe keine Haftung inszenierten die Äppler-Spieler im Programm des Kulturcafés kp-21 in der Frankfurter Brotfabrik eine hemmungslose, musikalische Casting-Show. „Wer wird der Papstar 2004?“ fragten Pia Lindner und Hans-Heinrich Benda (beide Äppler Express) in der Rolle der Moderatoren Wicky von Viva und Harry Goldberg das gut gelaunte Publikum zu Beginn der Show. Das zu entscheiden ist Aufgabe der Zuschauer, die es sich auch nicht nehmen lassen, mit Titel- und Musikstil-Vorschlägen den Wettstreit um den kurzen Bühnenruhm in die Gänge zu bringen. Und so üben sich die Impro-Spieler im Dirty Dancing oder kreieren spontan Hardcore-Volksmusik. Ein frisch gegründetes Damenduo namens „Die Neandertalerinnen“ sorgt für Stimmung mit dem Titel „Heute noch nichts erlegt“, während das Operetten-Trio „Die lustigen Männer von Windsor“ mit dem Lied „Am Brunnen“ um die Gunst der Publikums-Jury kämpft. Voller Elan gaben sich die Frankfurter Katja Hergenhahn, Steffen Hertlein, Wulf Saggau, und die Wiesbadener Antje Mrozik, Silke Siegel, Nikolaus D. Bayer, Frederik Malsy sowie Jens K.E. Müller, spielerisch die Klinke in die Hand. Für die schwungvolle musikalische Begleitung sorgten Anna Rumpf, Tom Wende und Jobst Heintzig mit Piano, Gitarre und Percussion. Ein schönes Konzept, welches dem Reiz des Improvisationstheaters eine ganz neue Komponente hinzufügt!
Nichts von ihrem Reiz verloren haben offenbar die alljährlichen Varieté-Aufführungen des Neuen Theaters Höchst als Sommerevent im Zelt an der Burg Dreieichenhain. Trotz der hohen Temperaturen war das 600-Mann-Zelt fast vollbesetzt, so dass die Zuschauer von Moderator Oguz Engin kaum noch angewärmt werden mussten. Dieser hatte seine Hitzewallungen eher angesichts seiner kichernden, wasserstoffblonden Assistentin namens Jenny. „Es kam halt nur eine Kandidatin zum Casting“, seufzt der Magier. Ob es wirklich an der unbeholfenen Gehilfin liegt, dass der Zauberer seine Mühe hat, beim Varieté unter Sternen mit seinem chinesisch-türkischen Kunststück zu überzeugen? Für das Publikum zählt nicht Engins Fingerfertigkeit, sondern sein Mundwerk. Das Berliner Artistenduo Karabaeus hingegen gefällt mit Schwung und Eleganz, als es sich in futuristischen, blau-glänzenden Kostümen unter die Kuppel des Großzelts hangelt. Artistik ganz anderer Art präsentiert ein Künstler, den Moderator Engin und seine Assistentin Jenny als „untypischen“ Amerikaner ankündigen. „Denn er ist unbewaffnet“, so Jenny kichernd. Seine entwaffnende Art hat Cotton Mc Aloon paradoxerweise seiner Schlagfertigkeit zu verdanken. Während er mit Bällen und Keulen jongliert, amüsiert der Künstler die Zuschauer mit der Darstellung verschiedener Typen und unterschiedlicher Mentalitäten. Als echte Attraktion kündigt Oguz Engin George Schlick an. Im Pariser Lido und einer eigenen BBC-Fernsehshow hat der Künstler von sich reden gemacht – und das, obwohl bei ihm vor allem andere zu Wort kommen. Georg Schlick ist Bauchredner: Und so geben sich freche Hasen und brummige Ritter ein Stelldichein. „Was bist du – Mädchen oder Junge“, fragt Schlick sein langohriges Gegenüber mit der Quitschestimme, das der Künstler vor den Augen der Zuschauer flugs aus einer Serviette geformt hat. Bevor der Hase dank Schlicks Bauchredseligkeit erneut seine Stimme erhebt, schaltet sich der Ritter ein und brummt: „Daniel Küblböck“. Schlicks feinsinniger Humor und seine liebevoll inszenierten Figuren machen seinen Auftritt tatsächlich zu einem besonderen Leckerbissen. Muskelspiel und tänzerische Überzeugungskraft hat das Duo Nos Ipsi zu bieten. Am Reck paaren sich Kraft und Anmut, während sich das Duo im zweiten Teil des Varieté-Programms beim romantischen Pas de deux vereint und Hebeakrobatik präsentiert. Den Diabolos und der Faszination des Tangos hat sich das italienische Duo Double Face verschrieben. In ihrer temporeichen Tanz- und Artistikperformance wirbeln Alessandro und Isabella Tiasci bis zu vier Diabolos durch die Luft.
Und schlussendlich entpuppt sich Moderator Oguz Engin als getürkter Spanier und echter Magier. Mit Hilfe seiner gefesselten Assistentin Jenny zeigt er ein Kunststück, das einem Zuschauer namens Frank im wahrsten Sinn des Wortes die Jacke auszieht. Nach dem obligatorischen Zauberspruch taucht der Zuschauer ohne Jackett unter einer Decke wieder auf, sein Kleidungsstück trägt nun Jenny unter ihren Fesseln. Lachen und Staunen hielten sich beim diesjährigen Varieté-Programm des Neuen Theaters Höchst in Dreieich die Waage: Ein Konzept, das von den Zuschauern mit viel Applaus honoriert wurde.
Vorblicke
Manfred Maurenbrecher ist am Samstag, den 2. Oktober, um 20.30 Uhr, zu Gast in der Ortenberger Kleinkunstbühne Fresche Keller. Unter dem Titel „Gegengift“ präsentiert er einen Liedermacherabend. Ihm folgt am, Samstag, den 16. Oktober, um 20.30 Uhr, das Trio Dirk Raufeisen und Tine Lott mit einer großen musikalischen Bandbreite. Kabarett unter dem Motto „Nabelschau“ haben Hendrike von Sydow und Dieter Thomas vom Frankfurter Fronttheater am Samstag, den 6. November, im Fresche Keller zu bieten. Und am Samstag, den 4. Dezember, kredenzt der Frankfurter Shootingstar Sabine Fischmann auf der Ortenberger Bühne Chansons d’amour unter dem Titel „Am schönsten ist es, wenn es schön ist“.
Beim Kleinen Mittwochs-Varieté im Wiesbadener Thalhaus sind am 20. Oktober um 20 Uhr, Michelle und Damenwahn mit Artistik-Zauberkunst-Comedy und Frauenpower zu sehen. Am 17. November, 20 Uhr, hat das Kleine Mittwochs-Varieté mit Nachtigall und Valentino Magie-Chanson-Pantomime im Programm. Und um magisches Entertainment geht es in Desimos Show am 15. Dezember, 20 Uhr, auf der kleinen, aber feinen Wiesbadener Bühne.
Viele kulturelle Hochs zur Herbstsaison wünscht Christine Krebs allen Zuschauern und Veranstaltern!
2004-09-15 | Nr. 44 |