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    Wiener Wunder

    Was Österreichs Bundes- und Kabarett-Hauptstadt da im halbjährlich saisonalen Rhythmus an neuen Kabarettprogrammen, unverbrauchten Gesichtern und frischen Namen vom kleinkünstlerischen Stapel läßt, sorgt nicht nur in unseren Breitengraden für Bewunderung und oftmals sogar für Verblüffung. Die Kreativität Wiens und seiner sich dem Kabarett verschworenen Bewohner scheint wahrlich unerschöpflich. Einige Beispiele gefällig? 


    Im Erdbeerland

    erstes Beispiel: Severin Groebner mit "Jetzt noch Groebner". Eines schickte der Schlaksige im Frack gleich voraus: "Erklärt wird nichts. Wer Fragen hat, kann nach der Vorstellung zu mir kommen und noch einmal Eintritt zahlen. Weil Trotteln zahlen das Doppelte." Da jedoch - zumindest - am Premierentag (3. November 2000) seines neuen Programms "Jetzt noch Groebner" keine Trotteln im Niedermair saßen, gab es auch keine Fragen, sondern ausschließlich beste Laune, viele herzhafte Lacher und jede Menge Verblüffendes. Vor allem Groebners Ausflüge in die absurdeste aller absurden Musikwelten, wie zum Beispiel der gemeinsame "Ants-Song" mit der Niederländischen Ameisen Dance Company, zeugen von der Sonderklasse des notorischen Gedanken-Sammlers ohne Album zum Ablegen. So erfahren wir also wie er sich das Leben auf der Venus vorstellt, dass Gott ein Dackel, Maria ein Spitz und Jesus ein Setter ist, dass es Max Mustermann wirklich gibt und dass Paralleluniversen zumeist mit Gorks bevölkert sind, die sich geschlechtslos durch Achselschweiß vermehren. Wir sind live dabei beim wahrscheinlich peinlichsten Kopulationsversuch aller Zeiten, beim Hohelied auf die Körperflüssigkeiten und beim politisch korrekten Erdbeer-Fruchtjoghurt-Kaufen. Apropos Erdbeeren. Groebners gedankliche Ausflüge in die Kindheit samt voller Hose seinerzeit im Erdbeerland sowie seine aktionistische Demonstration was nun wirklich lustig ist und was nicht, sind nur einige wenige Beispiele für Groebners Ausflug ins schier grenzenlose Absurditätenkabinett. In dem auch die Realität ihr Fett abbekommt: "Die soll sich nämlich schön langsam Gedanken darüber machen, warum so viele Menschen mit ihr nichts mehr zu tun haben wollen." Grandios auch Groebners lichtlose Tabunummer.

     Aktualisierte Infos auf der Homepage: Severin Groebner


    „Machen Sie auch Kinder ?“

    Zweites Beispiel: Gerhard Swoboda mit "Swoboda Swoboda". Der doppelte Familienname ist gleichzeitig Programm und Zauberspruch. Gerhard Swoboda begibt sich ganz bewußt auf die Gratwanderung zwischen zirzensischem Klamauk, artistischer Perfektion und kabarettistischer Performance. Was bleibt ist ein überaus positiver Eindruck aller drei Genres, und dennoch die Frage "Was will er eigentlich wirklich?".

    Gleich am Anfang des Programms zieht Swoboda unsichtbare Fäden zwischen ihm und dem Publikum, um es gleich darauf mit Spielkarten zu bewerfen und einem - ähnlich wie bei den Fernsehköchen - bereits vorbereiteten Schnurtrick zu erheitern und auf seine Seite zu ziehen. Natürlich arbeitet auch Swoboda mit Publikumsassistenten, verblüfft diese genauso wie die Umhersitzenden mit exzellenter Fingerfertigkeit, perfekter Mikromagie und einem "urgsundn Schmäh". Genial wird Swoboda spätestens dann, wenn er Tricks zu erklären beginnt, jeder im Publikum das Gefühl bekommt, jetzt hab ich's durchschaut und er in der gleichen Sekunde durch eine einzige Handbewegung wieder alles ad absurdum führt.

    Viel lieber, so will er uns auf alle Fälle Glauben machen, wäre er ja Ballettänzerin geworden, aber seine Eltern haben es ihm nicht erlaubt. Auch seine Karriere als BH-Opener im Moulin Rouge für 5.000 Schilling im Monat war bald zu Ende, hat er doch auf die Dauer das Geld nicht wirklich aufbringen können. So tingelt er halt in Kleinkunstlokalen herum und muß sich so ab und an die Frage stellen lassen "Machen Sie auch Kinder", was so viel heißt wie ob er auch für Kinder zaubern würde. Ja, tut er. Und zwar mit großer Begeisterung, "denn die Kinder schreien sofort, wenn ich ein schwarzes Tuch herausnehme und behaupte es sei ein grünes. Den Erwachsenen ist das scheinbar egal. Oder sie merken es wirklich nicht."

    Wie man eigentlich Zauberer wird, tanzt er uns vor, der Swoboda, und bemerkt, daß "es nicht nur in der Oper solche Wahnsinnsszenen gibt." Kartentricks à la Las Vegas, Münztricks, Bechertricks, Seiltricks sind quasi die Pflicht in seinem Programm, seine gespielten Hoppalas, der Schmäh und die Gabe, auf jede Verblüffung noch eine draufzusetzen, sind die Kür. Höchstnote 6,0 also nicht nur für Performance, sondern auch für das Gitarrensolo à la Jimi Hendrix und die abschließende Newspaper-Akrobatik.


    Total Quality Mobbing

    Drittes Beispiel: Kabud mit "Powerkabarett". Otmar Kastner und Peter Buda haben sich also vom - bestens bewährten - Nummernkabarett ihrer beiden bisherigen Programm "Wer bastelt mit?" und "Licht((c))Erlebniskabarett" abgewandt und wandeln auf den Spuren Bernhard Ludwigs in Richtung Seminarkabarett.

    Die erste Halbzeit konfrontierte uns - powerpointunterstützt - mit jeder Menge Symbolismen, Andeutungen und Lebenshilfen zu den Themen Persönlichkeit & Entwicklung, Partnerschaft & Sex, Freundschaft & Familie, Körper & Gesundheit, Beruf & Firma, Wohlstand & Geld sowie Gott & Spiritualität. Keine Angst, die kabudsche Behandlung der Themen erfolgt keineswegs so trocken wie die nüchterne Aufzählung derselben. Da mutieren Raupen zur Musik von "Aquarius" zu Falter-Fritzen, da werden Hiphop-Themen zum Kampfsport vergewaltigt, da geht es gleichermaßen um die Erlaubnis zur Lust und die Lust zur Erlaubnis, da werden Rollenspiele verteilt und zum Alltagsfeedback an der Kühlschranktür aufgerufen. Und zwischendurch geraten sich die beiden immer wieder in die Haare, reduzieren sich blitzschnell von ihren Rollen als unbesiegbare Überdrübergurus auf Menschen wie Du und Du, mit all den bestens bekannten Schwächen, Schrullen und Macken. "Laß das Windspiel in Ruhe!" ist zum Beispiel so ein Satz, den die beiden ausgebildeten Tantra-Lehrer (Sie wissen schon: Sexualakte ab 2 Stunden aufwärts und so) unvermutet einstreuen und somit neue zwischenmenschliche Dimensionen eröffnen. Um uns gleich darauf wiederum mit der nicht uninteressanten Idee des Nichtkommens, der sogenannten Injakulation, zu konfrontieren. Einfach so, einfach aus Effizienzgründen, damit nicht wieder so viel unnötige Energie verlorengeht und der Mann weiter an Persönlichkeit verliert.

    Lassen Sie sich einweisen in die Geheimnisse des Bullshit-Bingos, einem überaus kurzweiligen und mitunter ziemlich spaßigen Zeitvertreib bei endlos langen Sitzungen, werden sie unliebsame Kollegen mittels TQM - Total Quality Mobbing los und lernen Sie Ängste riechen! Freuen Sie sich auf Ulrich Strunz als lästigen Bildschirmschoner, auf NPL - Neu Programmieren Lassen und Win.me 1.0, der Persönlichkeitsfindung auf Word-Basis! Zum kabudlachen.

    In der zweiten Halbzeit kamen wieder die guten, alten Kabud-Elemente zum Zug, war das Facettenreichtum an Gags ein noch größeres als vor der Pause. Vor allem auch deswegen, weil in zunehmenden Maße so etwas wie Spannung aufkam. Vor allem als Petzi Entspannungstips gab, als es darum ging, gemeinsam mit Auserwählten aus dem Publikum bloßfüßig über Glasscherben zu gehen, und die Brille der Unendlichkeit zur Winnetou-Melodie abschließende Erkenntnisse brachte, war eines klar: Experiment durchaus gelungen.


    Frühlingserwachen

    Selbstverständlich warten auch im heurigen Restwinter und an all den anderen immer länger werdenden Frühlingstagen jede Menge an kabarettistischen Highlights. Hier einige auserwählte Gustostückerl, über die ich dann im nächsten Trottoir genauer berichten werde.

    Willy Zwerger,  Wien


    Wiener Kabarett-Highlights

    13. Februar 2001, Kulisse: Ludwig Müller - Blaues Blut

    20. Februar 2001, Kulisse: Steinböck&Rudle - Killerkipferl III

    13. März 2001, Theater im Akzent: Joesi Prokopetz - Trotzdem schönen Abend

    14. März 2001, Kulisse: Reinhard Nowak - Der Original Fidele Fritzel

    22. März 2001: Theater am Alsergrund: Pepi Hopf & die Buben: Cuba Libre

    22. März 2001: Orpheum Wien: Lukas Resetarits - Niemandsland

    10. April 2001: Kulisse: Roland Düringer - 250 ccm die Viertelliterklasse

    ArtNr:1079     

    2001-03-15 | Nr. 30 | Weitere Artikel von: Willy Zwerger





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