Aus dem Comeback von Ulrich Roski könnte man die ganz große Story machen, wenn man den Abstieg von Every-Darlings-Pudels-Kern und unfreiwilligem Bühnenabschied wegen Krebs ausschlachten würde. Der Berliner Blödel-Barde geht die Sache aber erstaunlich nüchtern an unter der Devise: So, und nun zu etwas ganz anderem. Mit dem Münchner Duo Unsere Lieblinge hat Roski unter dem Subtitel ,,Ein Liedermacher ergreift das Wort" ein Programm entwickelt, das einen in seiner schlichten Direktheit geradezu vom Hocker haut. Das hat Gründe: Stefan Noelle und Axel Hass pflegen als frei fabuliernde Rhythmusgruppe aus Kontrabass, Schlagwerk und A-capella-Gesang einen knuffigen Musik-Minimalismus, der Chanson-Klassiker trotzdem zum Swingen bringt. Überdies sind Münchner im besten Sinne ,,charmant" zu nennen. Roski Grummelgesang mit den Lieblingen als Chorus kitzelt eine ganz neue Qualität aus dessen Evergreens, deren Geschichten dem meist schlimmstmöglichsten Ausgang einer Alltagssituation frönen. Der Zuschauer lacht wie Bolle, wenn es geradezu zynisch verbissen um den lieben Nachbarn, Kinder kriegen oder Heimwerkerei geht. Roskis Philosophie von der allgegenwärtigen Verschwörung der Umwelt gegen das Individuum holt den Menschen da ab, wo er emotional beheimatet ist, in seiner stinknormalen Realität. So ist die ,,Bettgeschichte", in der Roski seinen Krankenhausaufenthalt und den Kleinkrieg mit dem Pflegepersonal beschreibt eine verbalsatirische Rache, die einem als Gelegenheitspatienten aus der Seele spricht. Kalauer stechen spitz zu, humorige Wortspielereien über Griechenlandsurlaube enthalten ein gepfeffertes Quäntchen Zynismus. Roski ist ein Meister der explosiv schlechten Laune, das Gallige von ihm wirkt wie ein Befreiungsschlag im prustenden Comedy-Einerlei.
Das Plakat von ,,Liebe macht blond" des Duos Faltsch Wagoni zeigt eine kämpferisch die rote Fahne schwingende Silvana Prosperi im langen Abendkleid und einen aufmüpfig mit einem Pflasterstein werfenden Thomas Busse im seriösen Anzug. Die Eigenbezeichnung dessen, was die beiden rund 80 Minuten auf der Bühne treiben ist ,,Wortbeat Bühnenshow". Und es geht um ,,Liebe". Die so genannte Handlung ist schnell erzählt: In einem Amt sitzt zwischen wolkigem Aktenstaub der Vormund, der von seinem kleptomanischen, anarchistischen und raubaukenden Mündel erst in den Irrsinn und dann als Rockstar und Berufsindianer auf die Bühne getrieben wird. Es wird gereimt und gekalauert mit einer nach unten offenen Slapstickskala. Dadaismus, Spontan-Hip-Hop und Pumuckel feiern ein Ringelrein. Man fragt sich: Dürfen die das? Ja, Falscht Wagoni darf das, kann das und macht der Tatsache mal wieder alle Ehre, dass man es bei ihnen mit Ausnahmekünstlern zu tun hat. Dafür schluckt man sogar, dass der zweite Teil der sich ausschließlich als Song-Performance gibt, merkwürdiger Weise etwas magerer erscheint als das vorige Wort-Musical.
Redaktion: ker
2001-03-15 | Nr. 30 |