Hessens Ministerpräsident macht Mode: "Brutalst-mögliche Aufklärung" wird nun bald allerorten angekündigt. Auch der neue Moderator des einzig wahren Satire-Magazins im deutschen Fernsehen, "extra 3", hat sich das schneidige Motto auf die Fahnen geschrieben: Jörg Thomas Thadeusz (32). Bei seiner Vorstellung im Hamburger Fools Garden versprachen der in Köln lebende Politikwissenschaftler und Rundfunkmann sowie seine Mitstreiter weiterhin "Tiefsinn mit Leichtsinn, samt Studiogästen aus Politik, Kultur und Gesellschaft". Die 20 Jahre alte Sendung des dritten Programms will sich auch in Zukunft ihre Themen überwiegend aus der norddeutschen Provinz angeln. Bei aller versprochenen Brutalität hinterließ der freundlich auftretende Thadeusz einen recht dezenten Eindruck: Seine Witze, meinte er, sollten frech sein, aber auch irgendwie im Rahmen bleiben.
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A propos Fools Garden: Die früher in der Uni-Gegend, nun im Schanzenviertel angesiedelte Kult-Stätte der Kleinkunst wird seit 22 Jahren von ihrer Gründerin Hanne Mogler geprägt. Die Pantomimin und Sängerin (früher mal mit Udo Lindenberg in einer Band) schafft Bohème-Flair, wo immer sie ist. Die Künstler danken's ihr, sind ihre Freunde und gastieren im winzigen Etablissement, auch wenn sie - wie Corny Littmann, Frau Jaschke oder Christian von Richthofen - längst weit über Hamburg hinaus berühmt geworden sind. Denn eigentlich gibt Hanne Newcomern eine Chance: Junge Interpreten wie Zabba Lindner und Markus Kiefer sowie der Verzicht auf strenge Programm- und Qualitätsvorgaben bilden ihr Konzept, das einen lockeren Mix aus Kabarett, Comedy, Musik und neuerdings wieder mehr Zauberei ergibt. Volles Haus hat sie vor allem bei Poetry Slams und Je-ka-mi-Abenden. Da auch für die Kleinkunst die Zeiten immer härter werden, hat sich Hanne Mogler mit Kollegen zu den "Kleinen Bühnen Hamburgs" zusammengeschlossen, um gemeinsam zu werben und die eigenen Interessen noch besser zu vertreten.
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Immer wieder gern zu Besuch im Fools Garden ist auch Frau Jaschkes dänische Cousine - „Dagny Dienesen“ alias Diplom-Clownin Dorte Winther Hansen, eine Person mit Hasenzähnen und extrabreiten Hüften, dicker Brille und weißen Socken. Dieses in Hannover lebende, selbsternannte New-Age-Orakel - nordischer Akzent, behände Körperbewegungen - verspricht "dänisches Dynamit" und hält zumindest einige Überraschungen bereit, zum Beispiel Blütendessous aus eigener Kollektion. Ansonsten ist ihr verhaltener Humor wohl eher Minderheiten eine Offenbarung. In Hamburg gibt es viel freundliches Gniggern und heftigen Applaus, wenn Dienesen / Hansen unter Einbeziehung des Publikums zeitgeistige Phänomene streift wie Lach-Therapien, Reinigungsmeditationen und Sexappeal-Unterricht.
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The Tiger Lillies waren auch schon bei Hanne Mogler: Anfang 1999, als die Londoner Edelfreaks an der Alster noch unbekannt waren. Das hat sich dank ihrer Produktion "Tiger Lillies Varieté" im Frühjahr jenes Jahres mit und in den Fliegenden Bauten auf St. Pauli gründlich geändert. Die Mischung aus melancholischen, lasterhaften und schmerzhaft schönen Songs des Trios plus internationalem Artisten-Programm wurde inzwischen auch in München, Göteborg und Kopenhagen gefeiert. Im November verwandelten Martyn Jacques (mit Akkordeon und sehnsuchtsvoller Kopfstimme), Adrian Stout (Bass und Tuba) und Adrian Hughes (Percussion) die Fliegenden Bauten erneut in eine Music Hall der 30-er Jahre: mit erweiterter Artistentruppe und neuer Musik. Hochkarätiges Varieté und die "Circus Songs" der Tiger Lillies (die sie auch in den Hamburger Kammerspielen vorgestellt hatten) ergeben wiederum einen berückend stimmigen und stimmungsvollen Abend. Die Welt als schaurig schöner Rummelplatz, auf dem am Ende der Tod lauert - sehr bizarr, sehr britisch, sehr wunderbar.
Und an noch einer Stelle in der Stadt sind die Tiger Lillies vertreten: im Deutschen Schauspielhaus, mit ihrer Bühnenmusik zu "Shockheaded Peter". Das ist die abgedrehte Londoner Version des "Struwwelpeter" von Julian Crouch und Phelim McDermott.
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"Wollust der Gänsehaut" - und das unter Hanseaten! Zwei gediegene Hamburger Künstler, die Chansonsängerin Sylvia Anders und der Schauspieler Knut Hinz, lehrten ihr Publikum im "studio" des Ernst-Deutsch-Theaters den wohligen Schauer vor dem Gruseligen und Abgründigen: Am Piano begleitet von Justus Noll, präsentierten sie ihre derart betitelte Zusammenstellung von Texten von Gottfried Benn bis Roald Dahl und Musik von Liszt bis Chopin im Rahmen des Late Night Programms. "Stürmisch finst're Nacht / Kind im Grab erwacht" - so begann der skurrile Abend, der schließlich mit Loriots notorischer Förstersfrau sowie den von Hinz auf der Tuba geblasenen "Winden des Herrn Prunzelschütz" (Fritz Grasshoff) endete. Das Trio agierte mit Gusto und manchmal kaum unterdrücktem Sinn für Humor, wobei Anders' Stimme und Gestaltungskraft für besonderes Format sorgten.
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In Hamburg noch ein Geheimtip, aber im Raum Reinbek längst fest etabliert: die Kleinkunstbühne BeGe im Ortsteil Neuschönningstedt. Hier werden geistig-künstlerische Funken in einem ländlichen Bürgerbegegnungszentrum mit dem Originalcharme von 1974 geschlagen.
1992 von der Reinbeker Kulturreferentin Angela Naujack (49)
gegründet, ist in der BeGe die ganze "Mischung des vielfältigen
Genres", allerdings "keine reine Quatsch-Comedy" zu erleben: in
dieser Saison u.a. das Salon- und
Tanzorchester Gnadenlos, Literarisch-Kulinarisches mit Oskar Ansull und Karsten Gohde sowie Kabarett mit Erwin Grosche und Uli Masuth - von Naujack schon mal mit Pappnase oder im
50er-Jahre-Outfit angekündigt. Besonderes Highlight im Herbst: die meisterhafte
Comedy-Truppe Mikos aus Moskau. Mit
Poesie, Musik und sehr eigenem, lakonischem Humor begegnete das schräge
Quartett den Absurditäten zwischenmenschlicher Beziehungen und fand dafür ein
ausverkauftes Haus (100 Plätze). Für den Oktober 2001 hat der "alte
Kabarettfan" Angela Naujack die "Reinbeker Kabarett-Tage" ins
Programm genommen.
Redaktion: Ulrike Cordes
8.3.: Premiere der neuen Folge von Pension Schmidt, Schmidt Theater
25.3.: Geburtstagsgala (7 Jahre), Alma Hoppes Lustspielhaus
30.3.: "Tauchen" - Kabarett und Musik mit Uli Masuth, BeGe
31.3.: Clown Comedy Show 2001, goldbekHaus
27.4.: Bader-Ehnert-Kommando mit "Lethal Weather 3" (Auf der Suche
nach dem Heiligen Gral), Theater Haus im Park, Bergedorf
8. und 9.5.: Bruno Jonas, Theater Haus im Park, Bergedorf
2001-03-15 | Nr. 30 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes