Karl Garff, nordhessisches Kabarett-Urgestein, präsentierte sein neues Programm
Zuerst die gute Nachricht: Der Nordhesse, so Karl Garffs beruhigendes Fazit im Kuppelzelt, dem vorübergehenden Domizil des Staatstheaters Kassel, ist weitgehend „durchgloballesiert“, also als Kulturhauptstadtausrichter bestens geeignet. Dialekt spricht er ohnehin nicht, der Nordhesse, wie ihm immer noch gelegentlich bösartig unterstellt wird. Da muss wieder einmal Aufklärungsarbeit geleistet werden, und das tut der Ritter des regionaltypischen „Quetschlautes“ denn auch eingehend. „Na klar!“ heißt Garffs neues Programm. Bedächtige Reflexionen über die Delikatessen der nordhessischen „Ardigulationsbasis“ und über den Zeitgeist, wie er, nach dem Gesetz der Ungleichzeitigkeit immer ein wenig verspätet, Einzug in die Provinz hält. Feng-Shui etwa ist jetzt auch in Nordhessen gelandet, der Virus hat Karls Freund Willi befallen. Ein jähes Aufeinanderprallen von Orient und Okzident, dem Garff aus der Position des fassungslosen Beobachters ein hohes Maß an Skurrilität verleiht – die stärkste Nummer des Abends. Die „Garff Harmonics“, allen voran ihr fabelhafter Frontmann Hugo W. Scholz, boten musikalische Vorhänge vom feinsten, na klar!
Nach so viel Positivem leider auch noch eine nicht ganz so gute Kritik: Karl Garffs neues Programm entbehrt beinahe gänzlich jenes subversiven Bisses, der seinen letzten „Wurf“ in exzellenter Weise ausgezeichnet und mit dem er auch außerhalb der Grenzen Nordhessens Erfolge gefeiert hat. Wo sind die schillernden Charakterminiaturen geblieben, die Figuren, unter deren treuherziger Fassade jäh die Bösartigkeit aufblitzte, bei denen sich unter der Solidität der Abgrund auftat? Nein, Abgründiges liefert dieser eher abgeklärte Abend wenig. Dabei ist das Böse im Biedermannsgewand doch gerade Karl Garffs geheime Stärke. Möge er rasch zu ihr zurückfinden!
Redaktion: Verena Joos
2004-12-15 | Nr. 45 | Weitere Artikel von: Verena Joos