Kleinkunst-Family Maria und Peter Vollmer:
„Heute hier, morgen dort“: Peter Vollmer hat sein Wader-Programm vor der Pandemie schon mal bei den Galgenstricken in Esslingen gespielt. Auch diesmal wieder ein gelungener Vortrag, unterstützt wird er von einem Spitzen-Elektro-Gitarristen Roger Barrach.
Peter baut viele Volkslieder wie „Sag mir, wo die Blumen sind“, Dat Du meen leevsr´ten bist“, Bürgerleid“ etc. ein. Ich wünschte mit ein paar weitere Wader-Eigenkompositionen. Abwarten. Sicher „hat sich PV noch eine Menge vorgenommen", wie es auf der zweiten Wader-LP um 1970 heißt. Hingehen!
Eine Woche später trat hier Maria Vollmer auf. Sehr agil, sie tanzt, sie singt eigene Texte zu bekannten Playbacks – und das sehr gut – baut das Publikum mit ein, kennt am Ende fast alle Vornamen, ist beweglich wie ein hüpfender Gummi-Ball. Dieses Bild fällt mir immer als erstes ein, wenn ich ihren Namen lese. Das ganze ist ein sehr unterhaltsamer Comedy-Abend im wahrsten Sinne des Wortes.
Polt und die Well-Brüder aus dem Biermoos im Stuttgarter Theaterhaus: Dort traten die fantastischen bayrischen Vier zum Vierzigsten Jubiläum auf. Einstieg mit einem Instrumentalstück. Dann kommt Polt mit seiner Rede über eine Art von Firmenjubiläum. Er sitzt wie ein Budha auf seinem Stuhl, bricht die Sätze ab, das Publikum denkt sich den Rest, sucht immer wieder in Halb-Demenzart in seiner Rolle nach Begriffen, die ihm einfach nicht einfallen wollen Und ständig wird der Focus zwischen Polt und den Well-Brüdern gewechselt. Eine angenehme Atmosphäre in proppe vollen Theaterhaus Saal für 1000 Besucher. Bei den Wellbrüdern sticht Stofferl heraus, dieses Multitalent, das unzählige Instrumente spielt. Die Ansagen der drei sind sehr humorig, und auch die Lieder haben wie immer einen augenzwinkernden Charakter. Aktuelles schleicht sich immer wieder ein: Der Schlussspurt des Virus, Bakterien-Überschwemmungen, Krieg, Abschuss von Luftballons durch US-Intelligenz-Bestie, die mühsam beschneiten Skipisten durch Pistenbullis und mehr. Bei Polts Vorträgen scheint auch Improvisatorisches dabei zu sein, die Entwicklung der Gedanken beim Reden und gehen! Die Wellbrüder sind wieder in voller Form mit ihrem neuen Familienmitglied dabei, sie spielen nach eigene Angaben wie auf der Titanic bis zum letzten Tropfen, nachdem der älteste Bruder abgesprungen ist und mit seinem Nachwuchs eine eigene Gruppe aufgemacht hat. De Name Biermöselblasen durfte wohl nicht weiter von den anderen Brüdern verwendet werden. Polt unterstreicht seinen Vortrag mit Geräuschen und wenigen prägnanten Gesten. Toller Gig für einen Mann, der den Berg des Achtzigsten schon überklettert hat. Auch die Instrumente der Musiker sind nicht nur musikalisch interessant und gut ausgewählt, sondern sind wie das Loch-Rhythmus-Instrument oder die drei Alphörner auch ein Hingucker. Polt liebt auch deftige Ausdrücke, wobei „die Drecksau“ noch zu den harmlosen gehört. Gegen Ende spielt Familie Well ein Mix aus „Veronika, der Lenz ist da“, „Ein Freund , ein guter Freund“, „Wochenend im Altersheim“. Na klar, die Texte bekommen immer wieder einen satirischen Schlenker. Ich lernte die Gruppe beim Achtzigsten deutschen Kabarett-Jubläum im Kabarett-Archiv in Mainz kennen, 16 Jahre später in Olten, wo sie mal wieder mit einem Kleinkunstpreis ausgezeichnet wurden. Was für eine Entwicklung, ein Prosit auf die nächsten vierzig Jahre!! Langanhaltender stehender Applaus mit einigen Zugaben zum Abschluss!1
In der Rosenau in Stuttgart traten Sebastian Krämer und Marco Tschirpke auf. Beides hervorragende Pianisten, die ihre kleinen Gedichte oder Prosa vertont vortragen. Das ganze hat einen ausgefallenen, fast skurrilen Charakter. Sie wechseln sich ständig ab, oft dauert ein Vortrag nur 15 Sekunden. Natürlich gehört es wie bei anderen Duos dazu, sich spielerisch immer wieder gegenseitig auf die Füße zu treten, verbal fertig zu machen. Vom Äußeren ein Gegensatz. Sebastian im Anzug und mit ordentlich geputzten Schuhen plus einer seltsam gebundener Krawatte, Marco in Jeans und einem „zerknitterten Oberhemd“, wie Sebastian hämisch kommentiert. Da geht es thematisch über alles, über Eltern und Erben, Sex, Tod mit Springseilen, Schrebergärten, Exekution von Fliegen, Spanien, ein sogenanntes Karnevalslied und vieles mehr! Popnamen wie Sinatra, Elvis, Spector, Lennon oder auch Dion fliegen durch den Raum
Der Auftritt beginnt etwas unterkühlt, steigert sich aber dann bis zu einem Siedepunkt, wenn Sebastian mit Mikro und Ständer tanzt. Für Leute, die nicht so gut hören, war das zu laute Klavier, das die Stimmen oft übertönte, ein Problem! Die Zuschauer haben nach jeder kleinen Episode geklatscht, was Sebastian mit „Man muss ja nicht immer klatschen“ zu verhindern suchte. Mit einem Understatement als Werbung für ihre Bücher und CDs verabschiedeten sich die beiden, um an einem Tisch zum Verkaufen und Plaudern Platz nehmen.
Redaktion: Bruno Schollenbruch
2023-02-26 | Nr. 118 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch