Galgenstadl Open Stage bei den Galgenstricken in Esslingen
Hier gibt es jetzt eine offene Bühne, die sich „Galgenstadl“ nennt . Hier haben Profis die Möglichkeit, was Neues auszuprobieren und Amateure können ihre Auftrittspräsenz verbessern oder manche gar zum ersten mal öffentlich auftreten.
Moderiert wurde das Ganze von Erich Koslowski, dem Impresario des „Kabaretts der Galgenstricke“. Tolle Stimm-Variationen, geschickte Nutzung des Bühnensaumes. Alles sehr witzig, intelligent und gut gespielt. Eine Nummer aus dem aktuellen Duo-Bühnenprogramm „Zu zweit das Allerletzte“. Und eine aus dem Solo Programm „BettWellness – Frisch gewickelt!“. Köstlich die Nummer über ICE 4 in seiner Paraderolle als alter Motzer. Wieso dieser Mann und die Gruppe „Galgenstricke“, die seit knapp 50 Jahren phänomenal agieren, als Super-Schwaben noch nicht den baden württembergischen Kleinkunst-Preis bekommen haben, verstehen weder die Zuschauermassen, die den Galgenstricken seit 1977 die Treue halten, noch die Kleinkunstsachverständigen und Kritiker der Esslinger und Stuttgarter Zeitung.
Danach folgte John Bon Scholli, der seit den Anfängen 1977 im 4P an der ehemaligen PH mit den Galgenstricke zusammenarbeitet, obwohl er immer noch kein Schwäbisch spricht. Deshalb bisher nur der „Hessischen Kleinkunstpreis“, nicht mal den „Baden- Württembergischen Kleinkunst-Preis für`s Lebenswerk“, obwohl er in seinen Workshops Kabarett-Preisträger und Politiker, z.B, S.Waghubinger, Schreckenberger und M. Aras, auf die Sprünge geholfen hat. Er wurde Jahr für Jahr von der Jury nicht mal ignoriert, genau wie Erich K.. Seine aktuelle Nummer „Lang mach ich den Job nicht“, John B. als Königskanzler von Deutschland. Dann das Tagebuch seiner verrückten Paddeltour vom Ruhrpott nach Stuttgart, wo er von den Kollegen von PUR enthusiastisch mit dem Song begrüßt wurde: Hey John! „Komm ins Abenteuerland, der Eintritt kostet den Verstand!“. Hätte dass der „Prophet der Politsatire (Esslinger Ztg) geahnt, wäre er niemals gut 50 Jahre in BW mit Kabarett, Seminare und Workshops geblieben.
Emotional übertroffen wurde das Lästermaul von der Swinggruppe „Ännie & Jogs“, (Bild) mit bürgerlichen Namen Annette Schmidt und Jürgen Burkart!. Sie verzauberten mit ihren ausgewählten Songs wie „Sing, Sing, Sing“ und einem Lied aus dem zweiten Weltkrieg über „Teekesselchen“ das Publikum! Tolle Stimmen, professionelle Begleitung von Jogs auf der Gitarre.
Waltraud Lemke, auch mal wieder eine „Reingeschmeckte“. Zwei Geschichten: Eine bissige über die „Weihnachtsgeschichte“, ironisch mit all den Zweifeln geschrieben, was in dieser Nacht wirklich geschehen sein könnte. Hier kommt sie ganz nah an die Topsatire der Drei Tornados ran, die mit „Maria und Josef“ die Medien und die Kirchen aufwühlten und dafür vier Jahre Fernsehverbot in den Bezahlsendern bekamen. Ich stelle in meinen Vortrag „Was darf die Satire?“ die Frage aller Fragen. Und Tucho antwortete mir: „ALLES!“.
Die zweite Geschichte zerpflückte die Mucki-Buden, die „Body Styling Institute“. Hier absolvierte Waltraud ein Probetraining und grüßte mit den Worten: „Ich möchte einchecken zum Probetraining“. Das war ihr Herzens- Wunsch. Und wurde mit dem Spruch „Einweisung nicht notwendig“ auf die Muskel-Reise geschickt. Köstliche Satire über diese Schwaben-Institute einer „Bewegung“ im doppelten Sinne. So eine Satire bekommt man nur als Reingeschmeckter hin, der gnadenlos aus Pott ins Ländle einfiel, genau wie John B. Sch.
Dann überraschte uns die Liedermacher-Gruppe „Treibgut Komplizen“ mit Frank Wieprecht und Stephanie Szeremeta. Ausgefallene Instrumentierung: Gitarre und Flöte. Songs von Danzer „Freiheit“ und Reinhard M. "Meine Söhne geb ich nicht“. Ein pazifistische Lied, dass man nicht zur Bundeswehr gehen soll. Liegt in diesen bescheuerten Wendehals-Zeiten das Geld in den falschen Händen? Wird es nur noch für unmögliche Projekte ausgegeben, um Unheil anzurichten? Zu diesen Texten passt das teuflische Gesicht des Sängers und Gitarristen, der mit der Flötistin und Sängerin dem Abend einen besonderen Anstrich gaben. Songwriter mäßig fast professionell, ein tolles Duo.
Der zweite Teil war dann ein durchgehender musikalischer Höhepunkt!
Hier trat die Gruppe „Achille & Tobias“ mit italienischen Liedern auf, deren Titel und Interpret von den Zuschauern erraten werden sollten. Einfach war es beim ersten Song: Rocko Granata mit „Marina“. Weiteres Raten war schwieriger. Später annimierte die Gruppe auch noch zum Sitz-Tanz!
Dann als Überraschung die neue Gruppe „BAUSTELLE“! Auffälliges Stilmittel: Beide spielten Akkorde auf unterschiedlichen Bünden. Zwei Gitarren, die ihre Songs auf diese Weise kongenial rhythmisch begleiteten. Sie haben bis jetzt nur im Bekanntenkreis gespielt. Ihr erster öffentlicher Auftritt klappte hervorragend. Deshalb haben sie vor, auch in Zukunft öfter auf öffentlichen Bühnen zu musizieren. Viel Glück dabei!
Zum Ausklang nach starkem Applaus singen alle, die aufgetreten sind, „Stand by me“ , dass auch Lennon in seiner Downphase toll interpretiert und gecovert hat. Ein wunderbares „Miteinander“, wie in dem Song der legendäre Gruppe „Zupfgeigenhansl“, die als Nachbarn von den Galgenstricken in dem Keller oft aufgetreten sind.
Danach gab es für die Künstler und einem großen Teil des Publikums Pizza, Wein und Diskussion: Z.B. darüber, ob die Satiriker zu hart mit Wählern seltsamer Parteien umgegangen sind? Resume von der Galgenstrick Crew: „Das sollten wir öfter und regelmäßiger machen, um Talenten eine Chance geben!“. Nicht ganz uneigennützig mit Blick auf ein neues, jüngeres Publikum!!!