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    ORA ET ANGORA

    Auch in diesem kalten Frühjahr gab es im Raum Stuttgart wieder eine heiße Kleinkunstzeit.

    Im Renitenztheater gab es das alljährliche Hausprogramm, diesmal unter dem Titel „Der Impressario von S“. Diese Theater-Sartire frei nach Goldoni wurde wieder von Christian Duda geschrieben, der auch für die Regie verantwortlich war. Der Intendant Sebastian Weingarten spielte den Impressario. Es ist nicht ganz einfach, ein Stück aus Venedig aus der Zeit Goldonis auf die heutige Zeit zu übertragen. Gut und sehr witzig wird es, wenn sich das Ensemble und der ganze Theaterbetrieb sich selbst auf den Arm nehmen. Hoffnungen, Auseinandersetzungen, Krisen werden auf das Renitenztheater und das Ensemble übertragen. Da steckt eine Menge Selbstironie dahinter. Das Original von Goldoni ist ein Stück im Stück, es wird geprobt. Hier ist es aufgrund des zeitlichen Abstandes doch etwas schwierig, die Spannung zu halten, die am Anfang mit viel Selbstironie aufgebaut wurde.

    Eine ganz andere Art von Kleinkunst ist das Solokabarett von Reiner Kröhnert, eine Art Best of unter dem Titel „Kröhnerts Krönung“. Er steigt redu_Kroehnert_Merkel_Siegemit einer Parodie von Angela Merkel ein, wie alle seine Rollen ist auch diese perfekt in der sprachlichen Imitation. Und ein aktuelles politisches Kabarett dazu mit einer Fülle von guten Pointen. Wenn er drei Rollen gleichzeitig spielt, wie Danni Cohn-Bendit, Kretschmann und Trittin, gelingen ihm auch hier die Stimmwechsel hervorragend. Wenn Politiker wie Merz, Hinze oder Stoltenberg aus der Vergangenheit auftauchen, wird es für das altersgemischte Publikum schon schwieriger, diese Personen zu erkennen und ihren politischen Stellenwert einzuordnen. Ganz anders, wenn er sich Fernsehprominente vornimmt. Becker, Katzenberger oder Dieter Bohlen als Philosophen werden im Interview mit Friedmann in ihrer Hohlheit köstlich entlarvt. Auch der zurück getretene Papst, Ex-Kanzler Schröder, Genscher und Honneker kommen zu Wort. Oft erhöht Kröhnert die Sprache ins Poetische, was den ironischen Effekt noch einmal steigert. Ohne drei Zugaben lässt das Publikum ihn nicht von der Bühne.

    Im März hat das hat das Renitenztheater wieder einmal die türkischen Kabarettwochen veranstaltet, mit Kabarettisten wie Sinasi Dikmen, Murat Topal und Kerim Pamuk. Die Themen der in Deutschland geborenen oder eingewanderten Türken ironisieren nicht nur das Zusammenleben von Leuten aus unterschiedlichen Herkunftsländern, sondern gehen mittlerweile weit darüber hinaus

    Im Theaterhaus spielte der Passauer Sigi Zimmerschied sein Programm Multiple Lois – Einwürfe eines Parasiten“. Wie  Rogler oder Hader macht er kein Nummerprogramm mehr, sondern spielt ein Solostück. Anfangs spielt redu_sigi_zimmerschied_Weiaer ziemlich schüchtern sich selbst, er kommt auf die Bühne, auf der nur ein Papierball liegt, den er später als Fußball benutzen wird, um über die Gehälter von Bundesligaprofis und ihren möglichen Steuerlasten zu philosophieren. Das Stück handelt von seinem kriegsversehrten Vater und seinem Onkel Norbert, einem Steuerprüfer, der immer wieder zugunsten seiner eigenen Großfamilie durch leichte Drohungen Vorteile herausschinden kann. Der Vater muss nicht arbeiten, er ist Vermieter, dem es völlig egal ist, ob er an eine kiffende linke Kommune, Rechtsradikale, Türken oder Deutsche vermietet. Die Hauptsache ist, das bei ihm die Kasse stimmt. Neben der Familiengeschichte gibt es Episoden, die an die jüngste Papstwahl erinnern, nach dem satirischen Motto „Ora et Angora“. Seine Pointen sind nicht deftig aber gut, seine Art des Auftrittes ist mehr schaupielerisch als typisch kabarettistisch, mal spielt er mit dem Rücken zum Publikum am Seitenvorhang, mal liegt er am Boden, oder er spielt im Knien. Großen Applaus bekommt er bei seinen Gesangseinlagen wie „Bandiera Rossa“ oder „Let`s Go To St. Francisco“, wenn er Flower Power oder Politgruppen auf die Schüppe nimmt. Auch vor einem sehr gut gemachten Rap scheut er nicht zurück. Eine rundum gelungen Vorstellung.


    Vom 19.-28. April findet das 21. Stuttgarter Kabarettfestival statt, eine Idee der „Erzeugergemeinschaft Stuttgarter Kabarett“, ein Zusammenschluss von Renitenztheater, Theaterhaus, Laboratorium, Merlin und Rosenau.

    Eine kleine Terminauswahl:

    19.4.13      Eröffnungsgala im Theaterhaus mit Butzko, Schwarzmann, Kay Ray, Ass Dur
                    und Timo Wopp.

    20.4.13      Sebastian Krämer in der Rosenau

                    Wiglaf Droste im Merlin

                    Thomas Freitag im Renitenz

                    Thomas C. Breuer im Laboratorium

    21.-23.4.    Geschwister Weil im Theaterhaus

    24.4.13      Ingo Börchers im Renitenztheater

    26.4.13      Thomas Reis im Renitenztheater

                    Theatre Du Pain im Merlin

                    Stefan Waghubinger im Theaterhaus

    27.4.13      Christoph Sieber im Renitenz

                    Wilfried Schmickler im Theaterhaus

    28.4.13      Christian Ehring im Renitenz

                    Bodo Wartke im Theaterhaus

     

    Termin-Vorschau

    Stuttgart - Renitenz Theater

    16.-19.5.13         Ernst und Heinrich

    22.-23.5.13         Leipziger Pfeffermühle

    7.-8.6.13            Maren Kroymann

    9.6.13                Hagen Rether

    14.-15.6.13         Malediva

    27.-30.6.13         Mathias Richling & Gerhard Woyda

     

    Stuttgart - Theaterhaus

    1.5.13                Familie Flöz

    2.5.13                Serma Somunca

    3.5.13                Johann König

    17.5.13              Ingo Appelt


    Gesamtes Programm: Stuttgarter Kabarettfestival

    Redaktion: Bruno Schollenbruch


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    1089|213 TG: Olivia Reinecke . Musiktheater . Musikkabarett . Slapstick . Soul-Musik .
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    2013-04-22 | Nr. 79 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch


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