10 Jahre lang war er eine Hälfte der „Nestbeschmutzer“. Zur Jahrtausendwende dann startete Kabarettist Frank Sauer seine Solokarriere, und mittlerweile ist der Wahl-Freiburger („Besser von der Sonne braun werden als vom Rost“) mit seinem dritten Programm als Solist erfolgreich unterwegs.
Beeindruckend ist dabei zunächst die Bandbreite seiner Darstellung: Ob als kleiner Rotzlöffel oder als schmierig-fanatischer Verwesungsforscher: Sauer besticht durch schauspielerische Fähigkeiten wie kaum ein anderer. Ein sicheres Gespür für Tempowechsel und Timing garantiert darüber hinaus den perfekten Rhythmus für den Abend. Und weil er auch sonst ein grooviger Typ ist, darf ein Hip-Hop in keinem der Sauer-Programme fehlen. Köstlich auch immer wieder die Passagen, in denen er zwei Dialogpartner gleichzeitig spielt.
Basis bleibt natürlich, dass die Inhalte stimmen: In seinen Programmen schafft es Frank Sauer, jenseits abgegraster Themenpfade eine Brücke zu schlagen zwischen prustendem Witz und intelligenter Unterhaltung. Ob es sich um Aggressionen handelt, wie in seinem Solodebüt „Stocksauer“, oder wie in „Sauerei“ um unser Verhältnis zu Dreck und Sauberkeit im konkreten wie auch im übertragenen Sinne – Sauers Texten merkt man immer an, dass er sich auch über die schnelle Pointe hinaus mit seinen Themen intensiv beschäftigt. Im neuen Solo „Lieber lügen als kurze Beine“ beackert er nun das weite Feld rund um den Themenkomplex Lüge und Wahrheit. Über dieses Programm haben wir mit ihm gesprochen.
TROTTOIR: Was interessiert dich an diesem Thema?
Frank Sauer: Dass es so herrlich widersprüchlich ist. Die Bewertung „Wahrheit = gut, Lüge = böse“ greift ja viel zu kurz. Die Lüge wird zu Unrecht als moralisch verwerflich betrachtet. Natürlich halten wir alle die Wahrheit als moralisches Gut hoch, andererseits gäbe es ohne Augenzwinkern, Heuchelei und Höflichkeitslüge in vielen Situationen Mord und Totschlag. So manches geheuchelte Kompliment sichert den sozialen Frieden, die Krokodilstränen der Dopingsünder bringen uns auf ganz neue Lösungsansätze, die Schönheits-Operation ist doch eine hübsch anzusehende Körperlüge, und wir akzeptieren Bildmanipulationen im Fernsehen, weil wir es gar nicht anders haben wollen.
T.: Mit der Lüge haben wir also tagtäglich zu tun.
F. S.: Natürlich. Das geht weiter beim Thema Treue und Fremdgehen, Verpackungsaufschriften, und natürlich in ganz alltäglichen Situationen. Wenn du jemanden fragst „Wie geht’s?“, willst du da wirklich eine ehrliche, 20-minütige Antwort hören? Oder wenn die Frau oder Freundin fragt „Steht mir dieses Kleid?“ Da sagt man ihr eben nicht – auch wenn es noch so sehr der Wahrheit entspricht –, dass das Kleid aussieht, als wäre es auf ihrem Körper notgelandet. Oder?
T.: Stimmt, ja.
F. S.: Ganz zu schweigen von der ganz persönlichen Befriedigung, jemanden aufs Glatteis geführt oder erfolgreich verarscht zu haben. Und das Ganze hat ja auch ökonomische Dimensionen. Man sollte sich vielleicht mal klar machen, wie viele Arbeitsplätze daran hängen, dass Lug und Betrug in der Welt sind. Polizei, Gerichte, Detektive, Überwachungstechnologien, Sicherheitsdienste, Werbung, Wahlkampf, Innenminister ...
T.: Deine Programme haben ja eine große Bandbreite. Ist dir die Schublade „Kabarett“ nicht zu eng?
F. S.: Nö. Weil es Kabarett ist. Und Schubladen sind ja auch verkaufstechnisch wichtig. Man muss auf dem Plakat lesen können, auf was man sich einlässt. Wenn eine Veranstaltung z. B. angekündigt ist als „eine bunt-unterhaltsame Mischung aus getanzten Passagen antiker Mythen und einer satirisch-ethnologisch unterfütterten Lesung traditioneller Fischrezepte“, dann kann das total interessant sein, aber zu so einem Abend kommen dann eben nur die hartnäckigen Schubladen-Verweigerer. Und zwar alle beide.
T.: Gibt es denn weitere Pläne und Projekte?
F. S.: 2009 steht der 100. Geburtstag von Heinz Erhardt an. Da werde ich zusammen mit den Kollegen Volkmar Staub und Günter Fortmeier das Projekt „HEINZ!“ wieder aufnehmen, mit dem wir ja schon zwischen 2002 und 2004 sehr erfolgreiche Gastspiele gemacht haben. Einen Klassiker der deutschen Humorgeschichte in eigenständigen und durchaus auch eigenwilligen Neuinterpretationen auf die Bühne zu bringen – das ist ein ziemlich einzigartiges Projekt, das nicht nur den Zuschauern, sondern auch uns sehr viel Spaß macht.
T.: Die Herren mit den schwarzen Hornbrillen kehren also zurück?
F. S.: Genau.
T.: ... was ein wunderbarer Übergang noch mal zurück zu deinem Programm ist. Da hast du diese Hörnchen auf der Stirn. Gibst du uns etwa den Leibhaftigen?
F. S.: Sagen wir mal: Den Advocatus Diaboli, Mephistos Schwager und mich selbst in Personalunion.
T.: Sagst du in deinem Programm eigentlich immer die Wahrheit?
F. S.: Natürlich.
T.: Auch wenn du erklärst, dass die Lüge ein tonnenförmiger Festkörper aus Holz sei, oder Nebel nichts anderes als Regen mit Alzheimer?
F. S: Das ist die Wahrheit.
T.: Ehrlich?
F. S.: Ja.
(www. franksauer.net)
5.9. St. Ingbert, Woche der Kleinkunst
8.9. Köln, Eifelturm
28.–30.9. Berlin, Quatsch Comedy Club
4.–6.10. Hamburg, Quatsch Comedy Club
25.10. Bonn, Harmonie
7.11. Walldorf, Jump
8.11. Köln, Eifelturm
10.11. Karlsruhe, Orgelfabrik
5./6.12. Königswinter, Bungertshof
7.12. Mönchengladbach, Spindel
8.12. Köln, Eifelturm
22.12. Obernburg, Kochsmühle
2007-09-15 | Nr. 56 |