Wenn man in den letzten 10 Jahren eine Show von Pomp, Duck and Circumstance gesehen hat, dann ist einem eine Figur besonders in Erinnerung geblieben: Das gebeugte, alte Mütterchen mit Gehhilfe auf der Suche nach Liebe – Madame Pierrette, alt und gebrechlich, schräg und sehr liebenswert. Wir trafen Danielle Trepanier, die Pierrette-Darstellerin, in Berlin zum Interview.
TROTTOIR: Wann hast du bei Pomp angefangen?
Danielle Trepanier: Eine Freundin aus Kanada war im ersten Cast von Pomp und sagte, „Das wäre was für dich“. So habe ich 1997 dort angefangen.
TR.: Als Madame Pierrette?
DT: Nicht gleich. Ich brauchte etwas, was läuft und Spaß macht. In Kanada hatte ich schon ältere Frauen gespielt, das hat Spaß gemacht. So bin ich dazu gekommen.
TR: Beschreibe den Charakter von Pierrette.
DT: Sie ist wie ein Kind. Zum Beispiel kann sie sich sehr über kleine Sachen freuen. Auf der anderen Seite ist sie sehr ernst. Bei ganz blöden Sachen, Krümel oder so. Das nimmt sie ganz ernst. Da kommt für mich sehr viel Komik her – von jemandem, der die Dinge wirklich ernst nimmt.
Pierrette will einmal bevor sie stirbt noch Sex haben.
TR: Eine Aufgabe, an der sie scheitern kann?
DT: Oh ja! Eine Aufgabe ohne Ende mit vielen Problemen.
TR: Welche unterschiedlichen Arten von Humor gibt es?
DT: Komplexe Frage. Sehr viele. Trockenen englischen Humor, spanischen Humor mit Torte ins Gesicht, schwarzen Humor. Viele, aber ich finde keinen besser als den anderen.
TR: Was bringt dich persönlich am ehesten zum Lachen?
DT: Früher der absurde, schwarze Humor. Was ich jetzt am lustigsten finde ist, wenn der Clown oder Schauspieler mit dem, was er spielt, und sich selbst ganz verbunden ist; 100 % gibt. Das ist ein Volltreffer, dann ist mir die Humor-Richtung ganz egal. Das ist eine Freude zu sehen.
Und ich mag die Verbindung der Gags mit dem Charakter. Wenn es nur um den Gag an sich geht – nee. Die Gags müssen vom Charakter getragen werden. Nur die Gags alleine, ohne Seele, das ist leer für mich. Deshalb ist Stand-up-Comedy nicht mein Ding.
TR: Was ist deutscher und was kanadischer Humor?
DT: Schwierig, weil ich in Kanada damals keine Komik gemacht habe. Alles in allem hat Europa mehr Tradition. In Kanada gibt es auch komische Figuren, aber eher Stand-ups. Europa hat mehr Tradition was Clowns angeht. Bei uns ist Clown gleich McDonalds-Clown. Die kanadischen Clowns, die ich kenne, sind alle irgendwann nach Europa oder arbeiten für den Cirque du Soleil.
TR: Was ist deutscher Humor?
DT: Ein gutes Publikum. Die können eine zweite Ebene sehen, was in Kanada nicht der Fall ist. Die sind etwas hintergründiger hier. Man hat mehr Chancen, auch mal absurd zu werden. Oder drüber zu sein. Oder jemanden anzufassen. Wenn ich z. B. als Pierrette Gäste anfasse oder jemand küsse – das könnte man in Amerika nicht machen. Vielleicht in Quebec, aber sonst nirgends.
TR: Warum?
DT: Die Amerikaner sind sehr hygienisch, die haben Angst vor einem Virus. Das ist kein Witz. Hier kann man aus dem Glas eines Gastes trinken, das geht in Amerika nicht.
TR: Gibt es einen Unterschied zwischen Männer- und Frauen-Humor?
DT: Kommt natürlich sehr auf den Charakter an. Im Durchschnitt wollen Männer öfter Gags, die schmutziger und schockierender sind. Frauen reden mehr über Gefühl. Denen geht es nicht gleich um den Gag.
TR: Redest du jetzt vom Publikum oder den Darstellern?
DT: Von den Darstellern.
TR: Was ist mit dem Publikum?
DT: Kann ich nicht sagen. Wenn eine Frau besoffen ist, ist sie genauso wie ein Mann. Diese Gruppen von Frauen, die nur saufen, die sind oft schlimmer als die Männer. Also nicht schlimmer. Ich glaube, das liegt an den Gruppen. Das beste Publikum ist gemischt.
TR: Wer sind deine Role Models?
DT: Clown Gusti. Er hat bei uns gespielt. Das erste Mal, als ich ihn gesehen habe, dachte ich: Nein, der ist nicht in der Show. Weil er so einfach spielt. Er versucht nicht, extravagant zu sein. Er war Kellner, wenig geschminkt. Das war toll.
Oder Bourvil, der berührt mich. Er ist ein Loser. Ich weiß nicht, ob der hier so bekannt ist. Er hat mit Louis de Funès gespielt. Er ist so eine Seele, so weich.
TR: Wie erfindest du deine Gags?
DT: By doing. Ein Gefühl, dem ich nachgehe. Manchmal habe ich eine Idee und dann mach ich einfach.
TR: Gibt es Tipps, die du geben kannst?
DT: Ja, die Frage: Was will ich? Was ist mein großer Wunsch? Danach kommen die Dinge, die man braucht. Man muss sich selbst entscheiden, sortieren, wo man hin will.
TR: Was macht eine Figur lustig?
DT: Ehrlich zu sein mit sich selbst.
TR: Wie lernt man Animation?
DT: By doing. Man muss die Leute lieben. Wenn man die Leute mag, geht man hin und redet mit ihnen. Dann entwickelt sich was. Wenn man nur auf der Bühne steht, um betrachtet zu werden, ist das etwas ganz anderes.
TR: Gibt es Dinge, die man nicht tun sollte in der Animation?
DT: Ich werde das anders beantworten. Man muss sich die Zeit lassen, zu sehen, was von den Gästen kommt. Das ist kein Monolog am Tisch. Man muss die Leute fühlen, deren Grenzen spüren.
TR: Was ist der Unterschied zwischen Pomp und anderen Dinner Zelten?
DT: Wir haben mehr Animation. Wir machen auch Service.
Und wir sind als Team irgendwie mehr zusammen, durchmischter. Ich habe das Gefühl, wir haben viel Spaß zusammen. Vielleicht, weil sich viele von uns schon so lange kennen.
Lebenslauf Danielle Trepanier:
Kindheit in einem kleinen kanadischen Dorf Vater Holzfäller, sechs Kinder Ausbildung zur Bühnenbildnerin École de Mime Corporelle de Montréal Master of Arts (Theater) Université du Québec à Montréal Mime Omnibus, Tourneen in Amerika und Europa Regisseurin am Theater Le Pool (Mime) École Philippe Gaulier, London Übersiedlung nach Deutschland Geburt des Sohnes Leo Pomp, Duck and Circumstance
AdNr:1007, AdNr:1096
2007-12-15 | Nr. 57 |