Mit einer großen Gala feierte das Wintergarten Varieté am 25. September sein 15-jähriges Bestehen. Die neuen Inhaber, Georg Strecker und Frank Reinhard, hatten dieses Mal mehr auf Party als auf ein großes Programm gesetzt (das zum 10-jährigen Bestehen über mehrere Stunden ging). Nach einer kurzen Ansprache der beiden mit Blick auf die Zukunft gab es ein kleines passendes Programm, moderiert von Philip Simon. Mit dabei waren u. a. auch als Höhepunkt die Thuranos.
Das neue Programm „Furioso!“ hatte am 19. Oktober Premiere. Wenn zu Programmbeginn Melodien aus „Wilhelm Tell“ von Rossini erklingen, stürmen die Akteure auf die Bühne und wuseln Kaffeetassen-klappernd umher, bis Dirigent Christoph Hagel, sozusagen in letzter Sekunde, auch auf die Bühne hastet.
„Furioso“ ist – nach „Mozart am Trapez“ – eine zweite Inszenierung, die klassische Musik und Artistik verbinden soll. Der „rote Faden“ ist die Lebensgeschichte des sich als Künstler und Frauenheld gerierenden Gustav (Frank Seppeler), die durch verschiedene Metropolen Europas führt – der Einstieg ist ein wenig textlastig. Daraus entwickeln sich Musik und artistische Darbietungen. Die neun Musiker des Orchesters sind an der Bühnenrückwand vor einer weißen Fläche platziert und dadurch völlig fixiert, ein unmittelbares Zusammenspiel mit den Akrobaten ist damit nicht möglich. Diese sind wiederum auf die nun relativ kleine Bühnenfläche angewiesen. Svetlana Belova zeigt eine sehr schöne Kontorsionistik, kombiniert mit schwierigen Einhandständen, zuerst auf dem Flügel, dann auf der Bühne. Kraftvoll, mit beeindruckenden Hebetricks und u. a. einem Schulterstand auf dem Untermann und einem Unterarmstand auf dem Kopf des Partners: das Duo Revival, Absolventen der hervorragenden Zirkusschule in Kiew. Die Arbeit von Rosiris Garrido am Luftring zeigt am deutlichsten, wie schwierig es ist, Musik mit Akrobatik zu verbinden. Zu der relativ langen Habanera aus Bizets „Carmen“ muss sie ihre Arbeit dehnen, um die der Musik entsprechende Zeit auszufüllen. Ein Glücksgriff für dieses Programm sind die Jongleure Manu & Jay (Manu Laude und Jay Gilligan), bei denen die Verbindung zur Musik am besten gelingt. Sie arbeiten nur zeitweise als Duo zusammen, und es ist beachtlich, wie sicher sie trotzdem in der Duoarbeit sind, besonders bei der Partnerjonglage mit Keulen im zweiten Teil. Dabei beeindrucken sie durch interessante Wurfkombinationen. Richtig komisch ist Alexej Bogomasov, wenn er in seiner Ballettparodie als Schwan zur Musik von Saint-Saën über die Bühne tänzelt. Bogomasov tritt außerdem mit einer Strapatendarbietung auf.
Die Sänger, jeweils zwei Damen und ein Herr, sind alternierend besetzt, am Premierenabend sangen Anne Bretschneider, Bhawani Moennsad und Lars Grünwoldt (der zu Beginn auch eine hübsche Jodler-Einlage gab); auch die Rolle des Gustav hat eine Zweitbesetzung (Friedrich Liechtenstein).
„Furioso“ ist ein durchaus sehenswertes Programm, auch wenn sich die künstlerische Einheit von Musik, Gesang und Artistik nicht immer unbedingt einstellt und stattdessen ein Konglomerat der unterschiedlichen Künste vorherrscht (Inszenierung Christoph Hagel und Kaspar Denker).
Vom 30.10. bis 8.11. fand in der Berliner Urania zum 250. Mal die „Internationale Varieté-Serie“ statt, ein Jubiläum, das derartige Veranstaltungsfolgen nur ganz selten erreichen. Zu verdanken ist dies Erich Richter, der in unermüdlicher Arbeit zweimal im Jahr diese Nachmittagsveranstaltungen für Senioren organisiert. Seit 1954 hat Erich Richter die Verantwortung, zuerst für die Berliner Tageszeitung „Telegraf“, seit vielen Jahren in eigener Regie. Hunderte Artisten hat er in über 50 Jahren für seine Programme verpflichtet, und das „Urania-Varieté“ hat inzwischen einen schon fast legendären Namen unter den Künstlern. Die 250. Folge stand unter dem Motto „So war es, so ist es, so bleibt es ...“ mit dem Stargast Chris Roberts. Akrobatisch waren im Programm: Nicky & Claudia Viva mit Rollenbalancen, Radakrobatik mit Sabrina & Dave Blundell, die komische Hutverwandlung von Angelique & Kavalier, Irina Vashchenko mit Zahnstandäquilibristik, der Tempojongleur Vinicky Smaha und der Stepptänzer Ditto. Confériert wurde das Programm von Perry Paul, dazu kamen wie immer die Reinhard-Stockmann-Band und die 7 Show Dancer und natürlich der charmante Bert Beel. Die 251. Folge vom 3. bis 21. März ist bereits perfekt, und es bleibt zu hoffen, dass noch viele weitere Shows folgen werden.
Der Friedrichstadtpalast hatte in den vergangenen Monaten einen erheblichen Besucherrückgang zu verzeichnen. Überraschend hat der Aufsichtsrat der senatseigenen Friedrichstadtpalast GmbH am 16. Oktober entschieden, die bisherige Doppelspitze in der Leitung des Hauses aufzulösen. Der künstlerische Geschäftsführer, Thomas Münstermann, schied einvernehmlich aus, der kaufmännische Geschäftsführer, Guido Hermann, übernimmt die Funktion des Verwaltungsdirektors. Zum alleinigen Geschäftsführer wurde Dr. Bernd Schmidt berufen. Der Wirtschaftswissenschaftler war zuletzt Regionalgeschäftsführer der Stage Entertainment in Stuttgart. Schmidt soll die wirtschaftliche Konsolidierung durch strukturelle Veränderungen, u. a. in Marketing und Vertrieb, erreichen. Der Senat wird den Friedrichstadtpalast weiterhin mit jährlich 6,1 Millionen Euro fördern.
Am 1. November hatte Hans-Peter Wodarz PALAZZO mit „Wein, Leib & Gesang“ Premiere. Es gibt, neben singenden Kellnern, die Music-Comedians Evi & das Tier, Akrobaten und Musik, und natürlich ein entsprechendes Festmahl. PALAZZO gastiert bis 24. Februar in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Dort steht auch Harry Owens Traumtheater Salomé, das mit der neuen Inszenierung „Ich liebe Dich, Welt ... Eine Reise zu den Sternen“ bis 13.1.2008 in Berlin gastiert.
Während die argentinische Show „Fuerzabruta“ ihre Zelte vorzeitig abgebrochen hat, folgte ab 25. Oktober „Le Grand Cirque“ mit China-Akrobaten im Programm „Die verbotene Stadt“. Vom 14.12. bis 6.1.2008 kommt Circus Roncalli zum dritten Mal mit seinem Weihnachtszirkus ins Tempodrom.
Redaktion: Dietmar Winkler
AdNr:1076; AdNr:1027
2007-12-15 | Nr. 57 | Weitere Artikel von: Dietmar Winkler