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    Musik, Musik, Musik ...


    Eine Zirkusschule aus Kambodscha ist einer der Abräumer der Saison. Phare Ponleu Selpak Cirk heißt ein Projekt, das mit französischer Hilfe (Collectif clowns d’ailleurs et d’ici) Kindern, die aus Flüchtlingslagern in Thailand in ihre kambodschanische Heimat zurückkehren, eine umfassende Ausbildung bietet, die auch Zirkuskünste und Kunstgeschichte enthält. Ein Rettungsanker für inzwischen achthundert oft elternlose Kinder, die sonst keine Schulausbildung bekämen (Lehrer in öffentlichen Schulen verlangen unter der Hand Tagesgeld, ohne das sie selbst nicht überleben könnten) und für Kinderhändler eine leichte Beute wären. Die soziale Komponente bedeutet aber nicht, dass Regisseur Khuon Det die Qualität des Stückes „Von vier bis fünf“ weniger wichtig nähme. Im Gegenteil, dramaturgische Tricks wie bei alten Hasen (die Stuhlpyramide platzt, bis die Spannung ins Unerträgliche steigt, bevor sie natürlich doch gelingt), und die jungen Akrobaten setzen immer im richtigen Moment ein verschmitztes Lächeln auf. Sie sind so dynamisch wie afrikanische Truppen und dabei asiatisch leicht. Zirkuszelte_Theater MetronomDiese Zirkuskinder erzählen von ihrem Leben in Bildern von Kinderarbeit, der Beziehung zur Autorität der Erwachsenen, zu Freunden. Hausarbeit und Mythen ihrer Khmer-Kultur, insbesondere der Theatertradition des Bassac. Sie treten in buddhistischen Zeremonien auf und spielen aufklärerisches Theater, z. B. über Aidsverhütung in den Waggons der einzigen Bahnlinie des Landes. In „Von vier bis fünf“ verwandeln sie sich vor einer herrlich mit Wald und Fluss bemalten Rückwand in Sagengestalten, darunter natürlich ein Drache. Eine Gruppe traditioneller Musiker begleitet sie live, aber die Kids wissen auch, wie man die Human Beat Box wummern lässt. Eine Stunde voller Humor und Energie vor sozial ernstem Hintergrund (www.phareps.org). -Manch große Kompanie scheint in der Krise zu stecken. So richtig rund läuft es weder bei Gosh, noch bei Plume noch bei Cirque 360. Plötzlich scheint die Fähigkeit abhanden gekommen, Figuren und Handlung aufzubauen und trotzdem Zirkus zu machen. Die Recherche steckt in der Sackgasse. Cirque Plume verwenden in „Plic Ploc“ viel Zeit darauf, choreografisch durch das Bild zu laufen, ein Beet aus Metronomen zu pflanzen und wieder abzubauen oder Wasser mit Kasserollen aufzufangen, was natürlich eine Melodie ergibt. Visuell Überraschendes und artistisch Kraftvolles gibt’s erst in der zweiten Stunde. Und das war doch lange die Stärke von Plume. So ist das Thema von „Plic Ploc“ die Nostalgie. Sie treten auf wie eine Zirkusfamilie und trauern der Zeit nach, „als man noch Zeit hatte, sich zu erinnern“. Vielleicht auch ihrer eigenen großen Zeit. Heute wollen sie es offensichtlich dem pseudo-avantgardistischen Geschmack der Geldverteiler im Kulturministerium recht tun. Schade. Zick Zack Traum TheaterAuch Gosh fallen in „Vladjalo“ hinter ihr äußerst gelungenes Zirkuskabarett „Pelahueso“ zurück. Da saß das Publikum noch mitten drin. Jetzt wieder auf drei Seiten, und in der Mitte die Tische des Cafés, wo lustige Gesellen Karten spielen, singen, streiten, über die Tische hüpfen. Und wir warten darauf, dass der Motor anspringt. Aber auch die Band hinter dem Tresen kann mit ihrem Feuer die schauspielerischen Schwächen der Ex-Akrobaten nicht überdecken. Und wenn mal eine Nummer steigt in Jonglage oder Artistik, dann ohne in die Handlung eingebettet zu sein. Genauso stotternd läuft es in „Expect!“ von Cirque 360. Auf und unter einem großen Podium aus Pappkartons geht auf der Suche nach metaphysischen Parabeln der Zirkus selbst verloren. Da helfen auch alle Sprünge von der Wippe, Chansons und die Blaskapelle nichts. Es ist halt schwer, über ein intellektuelles Konstrukt zum Zirkus zu finden. Nur umgekehrt kann die Mischung zünden (www.cirqueplume.com / www.cie.gosh.free.fr / www.36dumois.net).

    Lieber einen Schlussstrich ziehen, als sich totlaufen. Das Schweizer Trio Metzger/Zimmermann/De Perrot (siehe Trottoir 44/2004) gibt seine Auflösung bekannt. Obwohl bei ihnen kein toter Punkt zu erkennen war. Und der Bühnenbildner Goury amüsiert sich in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Arts de la Piste (www.horslesmurs.asso.fr), die den Verbindungen zwischen Zirkus und Tanz nachspürt: „Heute wollen alle Zirkuskompanien frontal spielen und die Theaterregisseure wollen im Rund auftreten“.

    Redaktion: Thomas Hahn

    AdNr:1093, AdNr:1090  


    2005-12-15 | Nr. 49 | Weitere Artikel von: Thomas Hahn





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