Der Herbst macht melancholisch, weckt Gedanken an Alter und Vergänglichkeit. Auch – oder gerade – Kabarettisten bleiben davon offensichtlich nicht unberührt. Wer als einsamer Wolf allabendlich Frische und Esprit verströmen muss, erkennt früher als andere, wie sehr der Zahn der Zeit an der Persönlichkeit nagt. Altersdepressiven über 50 sei deshalb besonders William Mockridges Geriatrie-Comedy "Leise rieselt der Kalk" empfohlen, die im Herbst letztmalig im Bonner Springmaus-Theater zu sehen ist. Auch Horst Schroths Midlife Crisis-Opus "Katerfrühstück", im Oktober wieder im Pantheon-Programm, ist für diese Zielgruppe bestens geeignet. Aber natürlich ist die Angst vor dem Alter kein Privileg der 50jährigen. Das zeigt das neue Programm von Thomas Reis, das den Titel "Gibt's ein Leben über 40?" trägt. Offensichtlich ist der Inhalt so brisant, dass die Premiere und zwei weitere Vorstellungen in Freiburg stattfinden, bevor Reis dann einen ganzen Monat lang im Theater am Sachsenring zu sehen sein wird. Die Jüngeren, die sich auch schon ganz elend fühlen, sollten dagegen die Comedia aufsuchen. Hier behandelt Jess Jochimsen in seinem neuen Programm "Flaschendrehen und andere miese Bräuche" das harte Leben der Twenty-go-thirties, die ebenfalls von mannigfachen Altersproblemen geplagt werden.
Wer sich nicht dem Alterstrübsinn hingeben will, sondern lieber auf andere Gedanken kommen möchte, findet im Herbstprogramm der rheinischen Kleinkunstbühnen auch dazu reichlich Gelegenheit. Hier einige Highlights: Die Klüngelpützer Marina Barth und Marko Furth wandeln im Rahmen ihres neuen Programms "Unter Geiern" umher – in Köln, wo dank der konzeptionslosen städtischen Kulturpolitik die Geier besonders intensiv über der freien Szene kreisen, ein ausgesprochen passendes Motto. Monika Kampmann widmet sich in einer Matinee des Senftöpfchens mit dem Titel "Alles hät sing Zick" dem kölschen Liederdichter Hans Knipp und verspricht dabei eine Wiederentdeckung eines ganz besonderen Kapitels kölscher Musikkultur. Und schließlich ist da vom 3. bis zum 18. Oktober das Internationale Köln Comedy Festival, das in diesem Jahr bereits zum 13. Mal stattfindet. Neben dem üblichen Veranstaltungsmarathon in über 20 verschiedenen Spielstätten warten die Veranstalter auch in diesem Jahr mit einigen Innovationen auf. Neu sind zum Beispiel Veranstaltungen in der KulturKirche Köln, die Ausstellung "Kunst aufräumen" in der Stadtbibliothek Köln und eine Comedy-Kaffeefahrt im Reisebus. Erstmals finden auch Programme in den Privatwohnungen der Comedybegeisterten statt: Vier der Shows können bei eBay fürs häusliche Wohnzimmer ersteigert werden. Wie immer wird im Rahmen der – wie üblich von RTL übertragenen – Veranstaltung auch der Deutsche Comedy-Preis verliehen.
Ob man sich also der Lust an der Last des Alterns hingeben oder ins Comedytreiben stürzen will – der schlimme kleinkunstlose Sommer ist gottseidank vorbei.
Comedia, Köln 18.10.; 28./29.11., "Flaschendrehen und andere miese
Bräuche" – Jess Jochimsen
Klüngelpütz, Köln22.-30.10., 13.-15.11., "Unter Geiern" –
Klüngelpützensemble
Pantheon, Bonn21.-25.10., "Katerfrühstück" – Horst Schroth
Senftöpfchen, Köln 9.11., "Alles hät sing Zick" – Monika Kampmann
Springmaus-Theater, Bonn17.10., 30.11., "Leise rieselt der Kalk" –
William Mockridge
Theater am Sachsenring, Köln 4.11.-2.12., "Gibt's ein Leben über 40?"
– Thomas Reis