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    So läufts im Osten

    Es wäre fatal, wenn der in meinem letzten Beitrag erschienenen Vorbesprechung der 4. Kultur Messe in Halle/Saale nicht auch eine Nachbetrachtung folgen würde. Immerhin war dort drei Tage Kleinkunstpower angesagt, wobei das Spektrum vom Solisten bis hin zur Institution (Künstlervermittlung des Arbeitsamtes) reichte. Mit  einem gewaltigen Engagement (ein Mailing erreichte über 5000 potentielle Veranstalter) und einer Reihe interessanter Ideen hatte der Veranstalter Turm e.V. drei Tage lang den Burggraben und den Turm der Moritzburg Halle in ein Eldorado für Kleinkunstfans verwandelt. Einen Höhepunkt bildete dabei während des Messegeschäfts ein extra arrangiertes Forum zum Thema:Der Kleinkünstler als Überlebenskünstler”. In der Moderation von Roger Barz vom gastgebenden Turm e.V. diskutierten Klaus Döll (Initiator von „Gemeinsam Lachen”), Udo Horn (freier PR & Kulturmanager), Peter Engelmann (Mitglied der Kulturstätten Sachsen-Anhalt) und Friedemann Heinrich (Veranstalter und Künstler) mit einem zahlreich erschienenen Publikum, das mit seinen Erfahrungen und Fragen eine regen Beitrag leistete. Heiß diskutiert wurden unter anderem die Verhandlungsstrategie im immer enger werdenden Korsett der öffentlichen Kulturfinanzierung, Alternativen, die freie Kulturträger bieten können, und das Spannungsfeld von Kreativität und Wirtschaftlichkeit. Im anregenden Disput wurde auch der Wunsch geäußert, 2001 so eine Diskussionsrunde zur Kultur Messe zu wiederholen - vielleicht gelingt es dann, noch mehr Veranstalter ins Forum zu locken. Lobenswert waren auch andere Begleitumstände in Halle: ausgewogene Kurzauftritte, anregende Abendveranstaltungen und eine jederzeit aufmerksame Betreuung durch den Turm e.V., der sich auch für das kommende Jahr die Unterstützung der Politik gesichert hat.

    Traditionell an dieser Stelle das Neueste von der Bundesvereinigung Kabarett. Wenn dieses Heft erschienen sein wird, wird es schon vorbei sein, das 10. Festival der Bundesvereinigung in Bernburg. Verfolgt man die Festivalgeschichte, so ist woanders kaum besser ablesbar, wie in den letzten 10 Jahren Ost und West im Kabarettbereich zusammengewachsen sind. War logischerweise anfangs die Ost-Lastigkeit hoch (die Bundesvereinigung ist immerhin in Deutschland-Ost gegründet worden), so kamen nach und nach immer mehr Interessenten aus all den Bundesländern, die man nicht die 5 Neuen nennt, und es ist wohl einer schöner Zufall der Geschichte, daß im Jubiläumsjahr von den 16 auftretenden Gruppen und Solisten acht aus dem Osten und ebensoviel aus dem Westen kommen. Auch zeigt sich die Stadt Bernburg engagiert und hat das Festival zu ihrem Ereignis gemacht. Erstmalig wird durch die Stadt der „Bernburger Kabarettpreis” verliehen. Wer ihn erhalten hat, wird in meinem nächsten Beitrag zu lesen sein. Ebenfalls dann etwas über die von der Bundesvereinigung geplanten Weiterbildungsveranstaltungen im Jahr 2001.

    Die aktuelle Programmkritik ist diesmal eine Würdigung. „Anakonda” aus Wormstedt wurde 15 Jahre alt. Unter der rührigen Leitung von Roberto Töpfer gab es dazu passend ein Festprogramm, welches im total ausverkauften Saal des Hotels „Am Schloß” in Apolda die Zuschauer derart begeisterte, daß an die geplanten zweieinhalb Programmstunden noch eine dritte drangehängt werden mußte. Keine Verschleißerscheinungen zeigte dabei nicht nur das Publikum, sondern auch das Textpotential, denn immerhin hatte sich die Gruppe eine geschickte Dreiteilung ausgedacht. Den ersten Teil prägten Nummern, die noch in der DDR entstanden waren und dem einen oder anderen die beklemmende Einsicht der Fast-noch-Aktualität brachten, wenn auch manchmal mit umgekehrten Vorzeichen.

    Den zweiten Part bildeten Szenen vom Anfang der neuen Republik, also Nummern der Jahre 1990 bis 1998. Das waren Szenen, die vor allem von der Zeit, in der sie entstanden, geprägt waren und in denen die noch relativ jungen Akteure vor allem spielerisch zu überzeugen wußten (zum Jubiläum spielten übrigens gleich zwei Pianistinnen). Die rasant vergehende Zeit mit all ihren Entwicklungen und Fehlentwicklungen war hier besonders spürbar. Der dritte Teil brachte Ausschnitte aus dem aktuellen Programm „Avanti diletanti”. Mit voller Hingabe wurden Schumi und andere Größen karikiert; wurden, und da ist „Anakonda” besonders streitbar, lokale Themen abgehandelt. Hier gelang eine bemerkenswerte Gratwanderung. Auch für den Außenstehenden waren die regionalen Spitzen verständlich aufgearbeitet und wurden in humorvoller bis zynischer Art an konkreten Beispielen vorgeführt. Dem Ensemble sei für die Zukunft alles Gute gewünscht und vor allem eine solche auch vorausgesagt.

    Zum Abschluß noch 2 Premierenhinweise: Im Dezember läuft beim 1. Chemnitzer Kabarett das Programm „Alle Jahre wieder - satirische Betrachtungen zum Fest” mit Ekkehard Lange, Ludwig Streng und Sabine Kühnrich und im gleichen Monat zeigen in Dresden „Breschke & Schuch” ihr neues Programm „Rad ab”, bei dem ... aber dazu vielleicht mehr im nächsten Heft.

    Bis dahin Friedel

    2000-12-15 | Nr. 29 |





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