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    Jubiläum: 100 Jahre Friedrichsbau in Stuttgart

    Das Friedrichsbau Varieté in Stuttgart blickt dieses Jahr auf 100 Jahre Geschichte zurück, freilich ohne dieses Jubiläum durch eigene Veranstaltungen zu feiern. Vielleicht liegt das daran, dass im Oktober 1900 zunächst mit Operetten und Singspielen gestartet wurde, bevor sich das Haus bald danach unter Direktor Ludwig Grauaug zu einer der angesehensten Varietébühnen in Deutschland verwandelte. Vor dem Eingang erinnern die Herren Häberle und Pfleiderer (alias Oscar Heiler und Willy Reichert) nebst Hund in Gestalt eines kleinen Denkmals an die 30er Jahre, als Willy Reichert hier künstlerischer Leiter war und Oscar Heiler die Bühnenleitung hatte. Die vielen Häberle und Pfleiderer Szenen und Sketche, die vor allem im Rundfunk und später auch im Fernsehen verbreitet wurden, machten die schwäbische Mundart erst varietétauglich und fanden schließlich sogar ihre akademische Würdigung in einer Doktorarbeit von Uli Keuler.

    Ungefähr an derselben Stelle, aber in einem deutlich kleineren Neubau (369 Plätze gegenüber 800 früher), spielt seit 7 Jahren das neue Friedrichsbau Varieté. Im jüngsten Programm „Salto“ knüpft der Stuttgarter Entertainer Topas, einst Weltmeister in der Sparte Manipulation, dann auch mit eigenen magischen Show-Programmen auf Tour, jetzt als Conferencier an die Häberle und Pfleiderer Tradition an. Seine beiden Stuttgarter, die sich über die Vorzüge und Nachteile eines Besuchs der Schwabenthermen unterhalten, dabei die Frage der Kosten ebenso beleuchten wie die dortige Gepflogenheit des textilfreien Badens, sind schon sehr genau beobachtet und sprachlich auf den Punkt gebracht. Ausbaufähig, denkt man, bestens unterhalten, und hofft auf Nachfolgeszenen. Im übrigen tritt Topas angenehm zurückhaltend auf. Zu Beginn zeigt er zwar gleich seine weltmeisterliche Manipulation mit den Brillen, Spielkarten und Glocken, ein Knüller, der auch bei häufigerem Anschauen nichts von seiner Faszination verliert, lässt im Verlauf des Abends zusammen mit seiner Partnerin Roxanne noch  Illusionen folgen und übt mit seinem Publikum Fingerfertigkeiten, um die eigentliche Leistung eines Zauberers, insbesondere eines solchen aus der Gattung der Manipulatoren, deutlich zu machen. In erster Linie versteht er sich aber als Präsentator seiner artistischen Kollegen, eine Tugend, die eher selten geworden ist. Bei diesen Kollegen handelt es sich um Vik & Fabrini (2 Brasilianer, die mit viel Humor pantomimisch einen Roboter als Zauberer präsentieren), Aurelia Cats (mehrfach preisgekrönte Kontorsion am Trapez aus Frankreich), Maryna und Svetlana (jugendliche Zwillinge aus Minsk, die als Antipoden brillant Tücher durch die Luft wirbeln und auch für die Augen des Publikums ein Genuss sind), Ana Yang (eine in Kanada lebende Vietnamesin, die mit ihren Skulpturen aus Seifenblasen fasziniert), Jan van Dyke (der belgische Komiker) und Oleg Izossimov (Handstandakrobatik in unnachahmlicher Eleganz).

    Regisseur Bernhard Paul, assistiert von Simon Kühr, hat aus diesen Einzelnummern das Programm „Salto“ inszeniert, ohne dass ein klassischer Salto darin vorkommt und ohne sich um einen roten Faden zu bemühen. Bernhard Pauls Inszenierungen, immer stilsicher und spannend aufgebaut, betonen in der Regel  den Nummerncharakter und minimieren dadurch das Risiko, mit einer Programmidee zu scheitern. Andererseits hatte gerade der Friedrichsbau in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Erfolge mit Programmen des Typs „roter Faden“. Zum Beispiel wurde hier Karl-Heinz Helmschrots Varieté „Bilder einer Ausstellung“, das die Musik Mussorgskys in artistische Bilder umsetzt und immer noch dann und wann als Gastspiel irgendwo zu sehen ist, aus der Taufe gehoben. Es wäre schade, wenn diese Tradition unter der künstlerischen Leitung von Bernhard Paul ganz einschlafen würde. Das Varieté lebt von der Vielfalt der künstlerischen Persönlichkeiten, und das gilt natürlich nicht nur für die Einzelnummern sondern ganz besonders für die Handschriften der Regisseure.

    Redaktion: Manfred Hilsenbeck                                                                                                         

    2000-12-15 | Nr. 29 | Weitere Artikel von: Manfred Hilsenbeck





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