Manche Dinge lassen sich schwer vergleichen und noch schwieriger ist es, darüber hinaus noch eine Wertung abzugeben. Fragen wie „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Lederhose und Pommes Frites?“ erscheinen oft wenig sinnvoll. Und was von beiden besser ist, mag wohl so recht keiner beantworten. Und so geht auch ein Vergleich der Entwicklung der Münchner Kabarettszene mit der Evolution auf unserem Planeten am Krückstock. Versuchen wir es dennoch: Vor nicht allzu langer Zeit, im kabarettgeschichtlichen Zeitalter des Politizoikums, stapften riesige Dinosaurier durch die bayerische Landeshauptstadt und traten auf allem Schwarzen herum. Ehrfurchtsvoll blickte die kritische Öffentlichkeit zu den Politriesen auf und beklatschte feingeistige Sprachwitzeleien und derbe Späße nur dann, wenn sie mit einer eindeutigen politischen Aussage verknüpft waren. Münchens Kabarett wurde berühmt wegen seiner gnadenlos durch den CSU-Wald tobenden Politpointenungeheuer. Da war es beinahe verwegen, was eine Gruppe namens Beier, Bauer, Zauner damals trieb. Sie gab einen ersten Ausblick auf das bald schon anbrechende Zeitalter des Erotokomedozoikums. Während das typisch-bayerische Kabarett sich in die Untiefen der politischen Gegenwart wühlte, befassten sich Beier, Bauer und Zauner schon mit der Zukunft. Es ging um Fortpflanzung, Beziehungen, und die Frage, ob Mann und Frau überhaupt zusammenpassen, und weil nicht, warum sie dennoch nicht voneinander lassen können. Was heute beinahe schon Comedy-Mainstream ist, war seinerzeit Avantgarde. BBZ scharte eine treue Fangemeinde um sich und wurde zu einem Münchner Kabarettmarkenzeichen. Immer neue Programme entstanden. Sogar den Ausstieg von Bauer, dem Uli Bauer, hat die Gruppe verkraftet. Aus BBZ wurde BZ, Beier und Zauner, die in ihrer Heimatbühne, dem Hinterhoftheater, zusammen mit Harry Helfrich soeben ihr neues Programm vorgestellt haben: „Schlaraffenland ist abgebrannt“. Darin zeigen die drei, wie einfach Kabarett sein kann. Man muss nur durch die Stadt gehen und ein wenig genauer hinsehen, schon fliegen einem die Kabarettnummern nur so zu – ähnlich wie die Tauben Helfrich zufliegen, der in seiner Rolle als Rentner nicht aufhört mit den Vögeln zu sprechen, während ein anderer Alter versucht, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Der Taubenfreund kann sich nicht vorstellen, dass es wirklich jemanden gibt, der mit ihm reden will. Auch die Marktschreiernummer, in der Angelika Beier sich als Gurkenhobelanpreiserin vorstellt, funktioniert deshalb so gut, weil man sich vorstellen kann, dass die Beier in den Fußgängerzonen der Republik kein schlechtes Geschäft mit dem Hobel machen würde. Den Dreien zuzusehen ist allein deshalb schon wohltuend, weil bei all den guten Solokünstlern, die sich auf den Bühnen tummeln, ein Kabarettensemble zum schützenswerten Kulturgut geworden ist.
Ein neues Programm gibt es auch von Arnd Schimkat. Der Komiker ist zwar noch nicht so lange in der Szene unterwegs wie Beier und Zauner, ist aber dennoch eine feste Größe. Das darf ruhig wörtlich genommen werden. Denn Schimkat ist ein Mann von schier unendlicher Länge, der immer wieder auch deshalb fasziniert, weil er seinen Bohnenstangenkörper so gewollt ungekonnt bewegt, dass man immer wieder – auch am Ende eines abendfüllenden Programms – Angst hat, er könnte über seine hochhaushohen Beine stolpern. Der chilenische Regisseur Alvaro Solar hat ganze Arbeit geleistet und der neuen Show von Schimkats Kunstfigur Arthur Senkrecht ein hollywoodreifes Timing verpasst. „Alles nach Plan“ heißt der Abend, an dem Senkrecht, begleitet von seinem Pianisten Bastian Pusch, eigentlich schöne Lieder zum Besten geben will (Premiere in der Drehleier). Doch schön ist da wenig, reichlich blöd hingegen viel. Und vielleicht würde man einem anderen Künstler so viel Blödsinn gar nicht erlauben. Bei Schimkat/Senkrecht ist jeder Klamauk ein Lacher, auch weil er einfach ein netter Kerl ist.
In der Lach- und Schießgesellschaft hat sich im letzten Monat Massimo Rocchi ausgetobt. Der Italiener aus der Schweiz ist so etwas wie der Hauskomiker im Schwabinger Laden geworden und zeigt wieder einmal, wie amüsant es sein kann, wenn ein Pantomime es nicht schafft, seinen Mund zu halten. Es ist immer wieder faszinierend, wie sich ein Mann durch das Anspannen seiner Gesichtsmuskeln ganze Landkarten aufs Antlitz zeichnen kann, ohne dass man den Eindruck hat, er schneide Grimassen. Das Hausensemble stellt derweil sein Programm in Hamburg vor, wo es auch geprobt und geschrieben wurde. In der Lach- und Schießgesellschaft wird „Jenseits von Oz“ dann traditionell zum Sommeranfang Ende Juni vorgestellt.
Viel Erfolg kann man Josef Bachmaier wünschen beim Versuch, das Theaterzelt „Schloss“ auf ein solides Fundament zu stellen. Bachmaier, der als Betreiber des Fraunhofer ein Urgestein in der Münchener Gastro- und Kleinkunstszene ist, sieht durchaus Potenzial in dem Veranstaltungsort am Rand des Olympiaparks. Vielleicht gelingt es ihm ja, das Zelt, das bislang kaum wahrgenommen wurde, obwohl es in unmittelbarer Nähe zum populären Gelände des Tollwood-Festivals liegt, aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken.
2004-06-15 | Nr. 43 | Weitere Artikel von: Andreas Rüttenauer