LISPA – eine neue Theaterschule in London
Gibt man im Internet www.lispa.co.uk ein, erscheint auf der Startseite unter der Überschrift „Creating theatre“ diese einführende Kurzdarstellung:
„Our aim is to foster a never ending curiosity in life as it is, a strong vision of life as it could be and a fully alive body through which to express creative vision.“
Ein kurzer Satz, der den Kern der Ausbildung auf den Punkt bringt und von vornherein klärt, dass es sich hier um eine Schule handelt, die ihren Absolventen nicht nur Handwerkszeug mitgibt, sondern einen Weg zu eigenem kreativen Schaffen vermittelt.
Die London International School of Performing Arts, kurz LISPA, öffnete erstmalig im November 2003 ihre Türen in der Latimer Road im Stadtteil North Kensington. Der Gründer und Direktor ist Thomas Prattki, ein Deutscher, dessen künstlerische und pädagogische Arbeit eng mit der Lehre von Jaques Lecoq verknüpft ist.
1986-88 besuchte er selbst als Student die École International de Theatre Jaques Lecoq. Danach bereiste er als Schauspieler mit dem damals schon berühmten Schweizer Maskentheater Mummenschanz in einer mehrjährigen Welttournee sämtliche Kontinente, um 1993 nach Paris zurückzukehren und bei Lecoq das dritte pädagogische Jahr zu absolvieren. Ab 1994 blieb er dann als Lehrer an der Schule. Nach dem Tod von Lecoq im Januar 1999 übernahm er die pädagogische Leitung bis zum Sommer 2002, darüber hinaus lehrte er weltweit an verschiedenen Hochschulen die Lecoq-Pädagogik. Mit der Gründung von LISPA setzte er dann die Vision einer eigenen Schule in die Tat um.
Im ersten Jahrgang studieren derzeit 51 Schüler/-innen aus 14 Ländern in fünf Kontinenten. Eine lebendige Mischung mit einem Altersdurchschnitt von 27 Jahren. Dies ist ein bemerkenswerter Hinweis auf das Prinzip der Schule, Menschen, die bereits über schauspielerische Erfahrung und Ausbildung verfügen, auf dem Weg zum eigenen, schöpferischen Theater zu begleiten.
Die Ausbildung ist aufgeteilt in einen „initiation course“ und einen „advanced course“. Beide dauern jeweils ein Schuljahr von November bis Juli. Der Unterricht besteht im Kern aus den Bereichen Bewegung (Bewegungsanalyse nach Lecoq, Akrobatik, Feldenkrais, Alexandertechník), Stimmarbeit, Improvisation und eigene Kreation. Diese kontinuierlichen Fächer werden von einem Team qualifizierter Lehrer gegeben. Darüber hinaus bietet LISPA seinen Student/-innen mit zusätzlichen Workshops Einblick in verschiedenste weitere Bereiche, wie z. B. Stimmarbeit nach Roy Hart, Butoh und Rhythmusarbeit. Die Dozenten für diese Workshops sind meist selber Praktiker aus international arbeitenden Companien.
Die Bewerbungsunterlagen für das kommende Schuljahr können unter www.lispa.co.uk heruntergeladen werden.
Ein wichtiger Anlaufpunkt für Mimen, Körpertheatertreibende und Schauspieler ist das mime centrum in der Schönhauser Allee 73D in Berlin. Das Arbeits-, Informations-, und Dokumentationszentrum für Bewegungstheater hat ein breit gefächertes, zum Teil kostenloses Serviceangebot für Theaterakteure. Als eine Einrichtung des Kulturamts Pankow / Berlin zur Künstlerförderung erhält das mime centrum in- und ausländische, private und staatliche Förderungen und kann so professionelle Gruppen und Künstler auf vielerlei Weise unterstützen.
Eine wohl einmalige Einrichtung ist das tägliche Körper- und Stimmtraining: Unter professioneller Anleitung werden jeden Morgen zwischen 10 und 12 Uhr Trainings gegeben, die mit 3 Euro durchaus bezahlbar sind. Ebenso erschwinglich sind die vom mime centrum angebotenen Workshops und Weiterbildungen, die von bekannten Körpertheatermachern wie Yoshi Oida, Gennadi Bogdanov oder Yves Marc angeleitet werden.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das Vernetzen von Künstlern: Informationsaustausch über Produktionen, Gruppen, Ausbildungen etc., Kooperation (z. B. mit der European Mime Federation, dem Hebbel Theater, der Akademie der Künste) und internationaler Austausch. Ein Besuch auf der Website www.mimecentrum.de ist lohnenswert. Unter „links“ hat man die Möglichkeit, viel über die internationale Mimen- und Körpertheaterszene zu erfahren.
Das mime centrum stellt Künstlern, teils kostenlos, zwei Spieletagen zur Verfügung in denen geprobt, experimentiert, gelernt und präsentiert werden kann. Besondere Unterstützung erfahren experimentelle Arbeitsprojekte.
Das mime centrum beherbergt unter seinem Dach ein bundesweit einmaliges Multimedia-Archiv zum Thema Bewegungstheater. Das heißt, es gibt dort neben einer themenbezogenen Bibliothek ein riesiges Angebot an Videodokumentationen von Mime bis zeitgenössischem Tanz. Vor Ort kann man sich nach vorheriger telefonischer Anmeldung alte Aufnahmen von Marcel Marceau oder moderne Produktionen anschauen. Auch das kostenlos! Genutzt wird dieses Angebot besonders gern von Künstlern in der Ausbildung. Auf der Website kann man per Suchmaschine herausfinden, zu welchen Produktionen Videodokus vorliegen.
Damit noch nicht genug – eine weitere Unterstützung erfahren ausgewählte Produktionen durch das hauseigene Videostudio. Dort gibt es die Möglichkeit, eigene Arbeiten aufzuzeichnen, zu schneiden und zu dokumentieren.
Eine wunderbare, nicht-kommerzielle Institution, die hoffentlich niemals irgendwelchen Streichungen zum Opfer fällt!
Redaktion: Kassandra Knebel
2004-06-15 | Nr. 43 | Weitere Artikel von: Kassandra Knebel