Eine interessante und lukrative Spezialdisziplin in der Zauberkunst ist die Zauberei für Firmen – und das nicht nur bei Betriebsfesten! Corporate Magic bringt Produkte und Dienstleistungen ins Scheinwerferlicht von Kunden und Mitarbeitern. Sei es auf Messen, Kick-off Veranstaltungen, Tagungen, Meetings usw.: Zauberkunst hat den großen Vorteil, dass sie nahezu alle Personen anspricht, Neugier, Spannung und Aufmerksamkeit weckt und noch lange im Gedächtnis haften bleibt. Diese Erkenntnis war selbst dem angesehenen Wall Street Journal einen Artikel wert. Und dieser für Firmen so wichtige Effekt entsteht, ob man nun – wie Charles Greenes „Corporate Shuffle“ – mit Karten zaubert oder – wie Marco Tempest – gigantische Multimedia-Illusionen präsentiert.
Und so verwundert es nicht, dass auch die Messe für die Eventbranche „World of Events“ einige Zauberer mit Ständen anlockte. Diese internationale Fachmesse für Event-Marketing und Veranstaltungs-Services fand vom 4.–5. März 2004 in Wiesbaden statt. Bei der sechsten Veranstaltung dieser Art konnte ein deutlicher Zuwachs an Ausstellern – 336 Firmen aus dem In- und Ausland – und Besuchern (mehr als 7.400) verzeichnet werden. Ob sich die Zeit, Mühe und beträchtliche Investition für einen Zauberer lohnt, dort mit einem Stand vertreten zu sein, bleibt offen. Zu bemerken ist, dass die großen Event-Agenturen nicht vertreten waren.
Für jeden Zauberer, der sich in diesem speziellen Segment profilieren möchte, war der vom Euroforum parallel zur Messe veranstaltete Kongress hochinteressant. Für unseren Zusammenhang seien drei Beiträge hervorgehoben: Prof. Dr. Eugen Buß, Stuttgart, referierte über „Trends im Event-Markt Deutschland 2004“. Arthur Somerset, u. a. Präsident der International Special Events Society aus Großbritanien, sprach über „The Future of the European Event Market“ und als Höhepunkt und Keynote-Speaker war Darryl Hartley-Leonard von PGI, The events and communication agency, aus den USA geladen, dessen frei gehaltener Vortrag den Titel trug: „When Evolution becomes Revolution“.
Was ergibt sich aus den Vorträgen und Diskussionen für den Zauberkünstler? Nach dem rapiden Einbruch von und Rückgang an Buchungen in den letzten Jahren stellt man langsam wieder einen Zuwachs an Events – und damit auch Auftrittsmöglichkeiten für Künstler – fest. Allerdings verändern sich der deutsche und internationale Markt grundlegend. Wenn, wie Arthur Somerset meint, ein Event die Verlängerung der Marketing-Strategie des Unternehmens ist, so bedeutet das für den Auftretenden, dass er sich viel stärker in Firmenzusammenhänge einarbeiten muss. Das Budget für spektakuläre Events – ein Auto erscheint aus dem Nichts – ist nicht mehr in dem Umfang vorhanden. Mehr noch: man macht sich Gedanken über Nachhaltigkeit von Events und Messbarkeit von Ergebnissen. Und damit eben auch darüber, was denn ein Zauberkünstler wirklich bringt. Es wird, auf den Punkt gebracht, nicht mehr ausreichen, statt der Assistentin – wie in der klassischen Zauberei – nun den Manager erscheinen zu lassen oder statt eines Radios das Gerät des Kunden. Zauberunterhaltung mit ein bisschen Firmenbezug ist in Zukunft zu wenig. Um nachhaltig zu sein müssen z. B. wesentlich komplexere Sachverhalte mit der Kunst kommuniziert werden. Das bedarf einer erhöhten Kreativität des Zauberers und vor allem einer beträchtlichen Steigerung seiner Kompetenzen im außer-künstlerischen Bereich. Aber nur so wird er bestehen und zeigen können, dass Zauberkunst in und für Unternehmen sinnvoll und wirksam ist. Mir scheint, dass die Möglichkeiten und der enorme Nutzen, die in Corporate Magic stecken, bisher weder von Zauberern noch von Eventplanern entdeckt und ausgeschöpft worden sind.
Apropos Multimedia: Auch der kreative, junge Zauberkünstler Timo Marc verwendet in einer seiner Shows eine (scheinbare) Liveschaltung nach Hause, die er für einen verblüffenden Kartentrick einsetzt. Im Rahmen der originellen Wommy Wonders Varieté Show, die vom 1.–18. April im legendären Kölner Senftöpfchen gastierte, begeisterte er u. a. mit einer Darbietung, in der eine Krawatte von einem Fleischwolf gefressen wird und anschließend vollständig restauriert einem Korb entschwebt.
Statements zur Zauberkunst: diesmal Alexandra Kassen
Am Rande der Show konnte ich noch ganz kurz mit Alexandra Kassen, Mitbegründerin und seit 1972 alleinige Leiterin des renommierten Theaters, über ihre Einschätzung der Zauberkunst im Rahmen ihrer Kleinkunstbühne sprechen. Zu meiner Freude schätzt sie die Zauberei sehr! Allerdings sieht sie deren Rolle mehr als „Beimischung“ in anderen Programmen. Sie ist nicht davon überzeugt, dass man ein Soloprogramm mit zweimal 45 Minuten präsentieren kann. Schade! Doch es liegt an uns Zauberern zu beweisen, dass auch ein Soloabend auf der Höhe der Zeit ist!
Einmal im Jahr trifft sich die Crème de la crème der deutschsprachigen Zauberszene an einem Wochenende, um einer speziellen Leidenschaft zu frönen: der Zauberei mit Karten. In diesem Jahr ist es bereits das 38. Treffen, das diesmal in der Nähe von München stattfindet und ca. 20 Zauberer anlockt. Der Cardworkshop folgt einem lange erprobten Ritual: Am Freitagabend hat jeder seine „persönlichen 5 Minuten“ (die auch mal länger dauern können), um Erlebtes und Erlesenes aus dem letzten Jahr mit seinen Kollegen zu teilen. Für Samstag steht dann jedes Jahr ein anderes Thema auf dem Programm. In diesem Jahr ist es u. a. das Werk des amerikanischen Close-up Zauberers Paul Harris. Seine innovativen Ideen und Konzepte hatten einen immensen Einfluss auf die Zauberkunst. In den 70er- und 80er-Jahren verfasste Harris in schneller Folge zahlreiche Bücher, um dann plötzlich von der magischen Bildfläche zu verschwinden. In den 90er-Jahren meldete er sich zurück. Sein Gesamtwerk liegt inzwischen in drei stattlichen Bänden von knapp 1.000 Seiten vor.
Am Samstagabend folgt dann eine festliche Gala, in der jeder einige seiner besten Kreationen vor den Kollegen präsentiert.
Aber auch andere Themen wie Kreativität oder Storytelling sind immer wieder Gegenstand des Treffens, das hochinteressant, vergnüglich und äußerst produktiv ist. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Teilnehmerkreis bewusst eingegrenzt wird. Um teilnehmen zu dürfen, muss man von einem Mitglied des Cardworkshops vorgeschlagen und von allen aufgenommen werden.
Zauberer im Varieté:
Fin Jon: Frankfurt, Tigerpalast: (bis 29. Mai), www.Tigerpalast.de
Gaeton Bloom: Berlin, 29. April–25. Juli, www.wintergarten-variete.de
Frank Muslimski: Berlin, Revuetheater „La vie en Rose“ freitags/samstags ganzjährig, www.hexer.de
Kongresse:
30. April–02. Mai Tour de Chance, 2. Vorentscheidung zur Deutschen Meisterschaft des MZvD.; Kontakt: OZ München, Club der Zauberer e.V., c/o Roswitha Hülser,
Eichberger Str. 1, 85560 Ebersberg, Tel.: 0 80 92-22 773
28–31. Mai:
16. Magisches Pfingsttreffen, Winterberg; Kontakt: Gunhilde Wahl, 0 22 02-6 07 03 14
04.–06. Juni: Tour de Chance, 3. Vorentscheidung zur Deutschen Meisterschaft des MZvD im Görlitz Theater; Kontakt: Ralph Kunze, Jakobstr. 32a
02826 Görlitz, Tel.: 0 35 81-66 19 91
9. Oktober: 4. sic! Tag, Ort: Lüdinghausen
Kontakt: www.sic-verlag.de; Hotelbuchung: Marketing Lüdinghausen 0 25 91-7 80 08
(Alle Angaben ohne Gewähr)
Zum Autor:
Klaus-Peter Pfeiffer, Köln, ist seit 2003 in der Redaktion von TROTTOIR für den Bereich „Zauberkunst“ tätig. Er ist professioneller Zauberkünstler und Kommunikationstrainer. In der Zauberkunst gewann er zahlreiche Preise und Auszeichnungen. So war er Deutscher Vizemeister als bis dato jüngster Teilnehmer an den Wettbewerben. Für seine originelle Präsentationsweise wurde ihm der Karl-Hübner-Gedächtnispreis verliehen. Heute kombiniert er u. a. Zauberkunst mit Kommunikationstraining, um wirkungsvolle Präsentationen für Firmen zu realisieren. Coaching, u. a. von Künstlern, gehört zu einem seiner weiteren Arbeitsschwerpunkte.
Kontakt: Dr. Klaus-Peter Pfeiffer, Kringsweg 24, D-50931 Köln; Tel: 02 21-4 24 82 93, E-Mail: booking@corporate-magic.de
2004-06-15 | Nr. 43 | Weitere Artikel von: Klaus-Peter Pfeiffer