„Zapping-Zone – die Stephan Bauer Show“ heißt das aktuelle Varietéprogramm im Stuttgarter Friedrichsbau. „So wie der Zuschauer durch den TV-Dschungel zappt, portionieren und präsentieren wir Schlag auf Schlag unsere artistischen und kabarettistischen Darbietungen. Ich drücke als Moderator die Knöpfe und werde dabei einzelne Schlaglichter aus meinem Lieben aufleuchten lassen“, sagt Stephan Bauer selbst dazu. Aha, also einmal wieder ein Nummernprogramm mit Conférencier, denkt man zunächst. Aber Regisseur Ralph Sun ist es erneut gelungen, mehrere durch den ganzen Abend laufende Stränge zu einem kunstvollen, starken, ja begeisternden Gesamteindruck zu verflechten. Da ist einmal Stephan Bauer selbst, der als Ich-Erzähler vom Kampf ums private Beziehungsglück erzählt, vor allem aber von den vielen Fallstricken und den grotesken Situationen, in die man dabei geraten kann. Von außen betrachtet alles sehr witzig und unterhaltend. Da man sich aber doch des Öfteren wiedererkennt, lacht man auch über sich selbst. Und merkt, dass das auch etwas Befreiendes hat. Den meisten Zuschauern dürfte Stephan Bauer von seinen zahlreichen Fernsehauftritten her bekannt sein, in denen er sich meist irgendwo zwischen Kabarett und Comedy wiederfindet. Diesmal bewegt er sich eher zwischen Kabarett und Theater, denn irgendwie erinnern seine Plaudereien an das Kultstück „Caveman“, das in vielen Städten zu einem Dauerbrenner geworden ist.
Eine ganz andere Art von Humor zelebriert der amerikanische Clown Rob Torres, der sich ebenfalls mit mehreren Auftritten und heiteren, artistisch-circensischen Kabinettstückchen (Schwerpunkt-Requisit: Jonglage-Becher) durch das ganze Programm spielt. Klar, seine Auszeichnungen stammen von den großen Circus-Festivals in Ungarn, Moskau und Kanada. Weiter mit dabei sind: Andrey Koltsov, einer der derzeit besten Solo-Handstand-Equilibristen weltweit; Irina Akimova mit ihrer vom Cirque du Soleil erprobten Hula-Hoop-Spitzennummer; die Finnin Pinja Schönberg mit vielen neuen, spannenden Bewegungsabläufen am Vertikalseil; die immer wieder faszinierende Keulen-Kleidungstausch-Partnerjonglage von Strahlemann und Söhne und natürlich das Friedrichsbauvarieté-Orchester, das unter der Leitung von Rainer Kunert seine Spur durch das gesamte Programm zieht.
Für mich die eigentliche Überraschung war aber das Duo Tr’espace: das sind die Diabolo- und Luftakrobaten Petronella von Zerboni und Roman Müller, von denen ich zwar schon viel gehört, die ich aber noch nie gesehen hatte. Die beiden lernten sich während der Ausbildung an der Scuola Teatro Dimitri kennen. Zu dieser Schule sagte Petronella neulich in einem Interview: „Die Schule Dimitri hat uns sehr geprägt. Da wird keine Circustechnik vermittelt; diese Schule hat mit Diabolo eigentlich nichts zu tun. Man hat die theatralen Grundkenntnisse gelernt: Rhythmus, Präsens, Dramaturgie und Inszenierung. Das Jonglieren kam automatisch mit dem anderen zusammen. Unsere Nummer hat sich irgendwie ergeben. Wir hatten durch die Schule eine gemeinsame Sprache erlernt und dazu die natürliche Veranlagung.“ Herausgekommen ist ein ganz persönlicher Stil, der im Friedrichsbau in Form von zwei Auftritten bewundert werden kann: Einmal Diabolo als Luftnummer und zum anderen das vom Duo Tr’espace entwickelte Horizontalspiel, das im Stuttgarter Ambiente eine spektakuläre Komponente bekommt, da die Diabolos nur knapp über oder neben den Zuschauerköpfen vorbeifliegen. Dabei strahlt das Duo auch bei hohem Tempo eine solche Ruhe und Souveränität aus, dass niemand, auch nicht die ganz nahe am Geschehen Sitzenden, in Versuchung kommt, den Kopf einzuziehen. Das wäre auch sehr schade, denn man würde dann einige Details dieser ästhetisch begeisternden Darbietung verpassen, die im Übrigen auch vor großem Publikum funktioniert, wie der Sonderpreis „Journal Nice Matin“ beim letzten Circusfestival in Monte Carlo oder das Silber beim Cirque de Demain in Paris am Anfang der gemeinsamen Karriere beweisen.
Redaktion: Manfred Hilsenbeck
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