Ein guter Sommer geht zu Ende, die Berliner Künstler kriechen nun wieder aus ihren schattigen Höhlen – oder wo sie sich sonst versteckt haben.
Evi und das Tier etwa widmen sich in diesem Herbst ganz der Gattung New Burlesque. Diese historische Mischung aus humorvollem Striptease und Varieté, erfunden in Amerika, ist seit einigen Jahren in Deutschland wieder sehr beliebt (TROTTOIR berichtete). Mit dem Programm „Miss Evi's Company“ feierte das Duo mit Gästen gerade im Stuttgarter Friedrichsbauvarieté Erfolge. Nun hat sie der Veranstalter Peter Schwenkow für sechs Wochen nach Berlin engagiert. Eigens für diese Show wird das pleite gegangene Wintergarten-Varieté wiederbelebt. Die NEUE Show von Evi und das Tier im Berliner Wintergarten heißt "Black Flamingo" und baut auf der Stuttgart-Show auf, wird aber um einiges wilder und hochkarätiger besetzt sein, (z.B. mit einem echten internationalen Burlesque-Star: Catherine D' Lish). Während Mr. Leu die Show der Künstlerinnen und Künstler vom Klavier aus anheizt, wird Evi durch das Programm führen. Und um Fragen gleich vorwegzunehmen: Sie wird singen. Aber sie zieht sich nicht aus.
Apropos Familie Leu: TROTTOIR-Leser wissen ja, dass das musikalische Paar vor zwei Jahren mit Sohn Benjamin in die nächste Generation ging. Aber hat der Nachwuchs auch das Rampensau-Gen der Eltern geerbt? Die Antwort darauf konnte man im Juni anlässlich des „Fête de la Musique“ bekommen. Bei einem Spontanauftritt im Kookaburra drängte der Kleine auf die Bühne, um im Duett mit Mutter Evi so eigenwillig wie inbrünstig das Lied der Loreley vorzutragen. Inoffizielles Motto des Auftritts: „Evi und das Tierchen“. Am Klavier übrigens begleitet von Martin Betz.
Auch sonst ist die Berliner Kleinkunstszene vital und energiegeladen. Die Comedienne Cloozy alias Claudia Wipfler hat im Sommer sogar den Prix Pantheon erhalten – für ihre Figur Rita, die schräge Sekretärin. Nach bescheidener Meinung der Kritikerin nicht die stärkste Nummer der Berlinerin. Deutlich kantiger etwa sind die Handpuppennummern mit „Bernd und Uschi“. Dort erinnert Cloozy – übrigens ausgebildete Geigerin – gelegentlich an Kurt Krömer oder René Marik.
Apropos Krömer: Warum hat man eigentlich von dessen ehemaligem Bühnenpartner Otto Kuhnle so lange nichts mehr gehört? Das Rätsel ist nun gelöst: Der Körperkomiker mit den vielen Zähnen suchte den Erfolg in der angelsächsischen Welt. Und er fand ihn! In den letzten vier Jahren brachte Kuhnle drei Programme auf britische Bühnen und wurde drei Mal zum legendären „Fringe Festival“ im schottischen Edinburgh eingeladen. Titel einer Show: „A Beginner’s Guide to German Humour“ (etwa: Deutscher Humor für Anfänger). Dem selbstbewussten Unterfangen war so viel Erfolg beschieden, dass Kuhnle sich zu einer zweimonatigen Gastspielreise nach Australien entschloss. Dort wurde er sogar für den Barry-Award nominiert, benannt nach dem legendären australischen Damenimitator Dame Edna. In Berlin gab es deshalb nur einen einzigen Kuhnle-Auftritt, im Juni bei den Wühlmäusen. Wenn uns der Kuhnle bloß nicht abspenstig geht …
Von Comedienne Anny Hartmann ist neues aus der Rubrik „Bühnenkünstler, die mit Büchern ein Zubrot verdienen“ zu berichten. Hartmanns Buch zum Programm „Zu intelligent für Sex“ erscheint dieser Tage im Lappan-Verlag und wird im Herbst mit vielen bundesweiten Auftritten vorgestellt.
Cindy aus Marzahn beschränkt sich gegenwärtig noch auf Bühne und Bildschirm. Im Herbst ist ihr neues Programm fertig. Titel: „Nicht jeder Prinz kommt uff’m Pferd“.
Und auch Chansonnière Tanja Ries war fleißig. Nicht nur, dass sie vom 9. bis 11. Oktober das mittlerweile 14. Chansonfest präsentiert, das diesmal in der Bar jeder Vernunft seine Heimat findet. Am gleichen Ort präsentiert Tanja Ries danach ihre neue Show „herbstzeitlos“. Bei dieser Gelegenheit wird auch gleich das legendäre Riessche „Nachtcafé“ wieder belebt. Vom ätherischen Auftreten der Sängerin sollte man sich übrigens nicht täuschen lassen. Seit einigen Jahren macht sich die feenhafte Chansonveteranin für handfeste politische Anliegen wie etwa dem Grundeinkommen für alle stark. Mehr dazu auf ihrer Website.
Zum Schluss noch ein kleiner Geburtstagsgruß: Die ufa Fabrik konnte in diesem Sommer ihr 30-jähriges Bestehen feiern. Wir gratulieren!
Redaktion: Susann Sitzler
Mehringhoftheater:
29.09.–04.10.: Deutsche Impro-Meisterschaften 2009 (Improvisationstheater)
07.–10.10.: Marc-Uwe Kling & Nils Heinrich: „Anarchie & Leidenschaft“ (Kabarett)
27.10.–21.11.: Fil: „Die Stimme Berlins“ (Comedy)
Berlin Story Salon:
01./03./29.10.: Ute Becker & Band: „Knef meets Porter“ (Jazz und Chanson)
04./11./18./25.10.: Wolfgang Rademacher: „Berlin Viertel Zwölf“ (Texte aus dem Berlin der 20er-Jahre)
07./21.10.: Rolf Kuhl: „Helden der Hauptstadt“ (Berlin-Kabarett)
08.10.: Jeannette „Chanson-Nette“ Urzendowsky: „Neustadt, du ick komme!“ (Chanson und Kabarett)
09./25.10.: artdeshauses: „Lucys kleine Sünden“ (Chansons der 20er-Jahre)
10./17./24.10.: artdeshauses: Dinner-Krimi
16./23.10.: Jeannette „Chanson-Nette“ Urzendowsky: „Rin ins Verinüjen“ (Chanson und Kabarett)
18.10.: Jürgen Hilbrecht: „Schlitzohr von Köpenick“ (Theatersolo)
30.10.: Trio Ohrenschmalz: „Die neue Generation Grammophon“ (Chansons im Stil der 20er-Jahre)
31.10.: Robert Kreis: „Im Salon“ (Chansons der 20er-Jahre)
Bar jeder Vernunft
26.10.:Montmorensy and the Montmorensy Orchestra: „Write in Water“ (Musik-Comedy)
05./13.–15.10: Tanja Ries: „Herbstzeitlos“ (Modernes Chanson)
09.–11.10.: 14. Berliner Chansonfest
12./16.10.: Mouron und Terry Truck: „Les Chansons du Paradis“ (Chanson mit Artistik)
17.–23.10.: Katrin Saß: „Goodbye Lenin, Hello Katrin“ (Liederabend)
19.10.//17.–19.11.: Cora Frost: „Best of Rest of Cora Frost“ (Chanson)
27.10.: Irmgard Knef: „Heute Abend: Irmgard Knef“ (Chanson-Comedy)
28.10.: Michael von der Heide: „Freie Sicht“ (Pop-Chanson)
29.10.–1.11.: Ars Vitalis: „Fahrenheiten“ (Theatermusik)
AdNr:1045
2009-09-15 | Nr. 64 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler