Am 27.9.72 eröffneten Heidi und Randi Schmidt in Stuttgart das Laboratorium. Alle bekannten Kabarettisten und Liedermacher, Folk- und Bluesgruppen haben in dieser Zeit hier gespielt.
Eröffnet wurde der Erinnerungsreigen mit der Nummer 1 des schwäbischen Kabaretts, Uli Keuler. Uli spielt seit 1974 im Lab. Seine präzisen, über Jahre ausgearbeiteten Satiren, gespickt mit Pointen, machen ihn zu einer Ausnahmeerscheinung auf dem Kleinkunstmarkt. Ihm reicht ein Stuhl, ein Scheinwerfer. Wenig Bewegung, sparsame Mimik, keine Kostüme. Keuler kommt ohne aus. Und so zieht er in größeren Hallen bis zu 2000 Leute in seinen Bann, auch ohne sonderliche Unterstützung der privaten Medien. Am stärksten ist er im alltäglichen Kampf mit imaginären Partnern, ob es die ausgesperrte Frau beim zwanzigsten Hochzeitstag ist, ob er als Hypochonder mit seiner Familie telefoniert, die im Urlaub ist. Abgesehen von der Witz-Zugabe „Geht ein Mann in den Wald“, die seit 20 Jahren den Abschluss seiner Programme krönt, waren für mich alle Nummern neu. Keuler hat es nicht nötig, mit uralten Hits wie ein Wortroboter durch die Lande zu ziehen. Wer ihn vier, fünf Jahre nicht gesehen hat, bekommt eine Premiere, pointenreich, intelligent, humorvoll. Das Politische schimmert bei ihm im Privaten durch.
Einen Tag später gastierte hier die Klaus-Renft-Combo, Renft in Rock. In den Siebzigern in der DDR wegen Anti-Armee-Songs verboten, seit einigen Jahren wieder gemeinsam auf der Bühne. Frontmann ist Kuno Kunert, der zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Gerulf Pannach kurz nach Biermann ausgebürgert wurde und damals im Duo durch die BRD tourte. Vom Garagenrock mit drei Gitarren und zwei Bässen und Schlagzeug bis zu lebenslustigen, irisch orientierten Melodien mit Fiedel, Quetschkomode und Querflöte reicht das Spektrum. Da wird auf der Bühne gesoffen und geraucht, aber vor allem mit einer überschwenglichen Spielfreude musiziert. Ob uralte Liedermacherhits der Frühzeit oder die neuen Rocksongs der CD „Cool bleiben“. Das Publikum geht begeistert mit. Und obwohl es erst der zweite Auftritt der Gruppe im Westen ist, werden die Lieder vom halben Publikum mitgesungen. Die West-Fans kennen die Platten, die Ex-Ossies im Saal schwelgen in revolutionären Erinnerungen im Kampf gegen Honni & Co. Renft hat mit langem Atem gewonnen. Mit Liedern gegen Arbeitslosigkeit, gegen Kriege, Songs über Lebensfreude sind sie alles andere als eine Ost-Nostalgie-Band. Es sollten mehr Wessi-Veranstalter den Mut haben, diese Combo zu buchen.
Manfred Maurenbrecher gastierte hier als Solist, er ist aus dem Lab nicht mehr wegzudenken, wo er auch öfter mit dem Mittwochsfazit auftaucht, im Trio mit zwei hervorragenden Lesekabarettisten. Gesellschaftskritische und private Texte wechseln sich ab, mit ungeheurer Dynamik bearbeitet der mit dem Deutschen Kleinkunstpreis gekrönte Berliner sein Klavier und singt, mal bissig, mal ironisch, immer mit geballten Ladung Emotion. Guru Guru, Christoph Sonntag, das Dritte Ohr, Le Clou, Andreas Giebel und viele andere Künstlerstammgäste gratulierten mit ihrem Auftritt. Auf dem Stuttgarter Kulturmarkt feierte das Laboratorium mit dem „Kommunalen Kontakt-Theater“ und dem „Theater am Faden“, die auch dreißig Jahre alt wurden, ein großes Kleinkunstfest. Tom C. Breuer mit seinen Geschichten über Pasta, Getränke und die Entwicklung der Folkclubs war das Highlight dieses Abends.
Aus Potsdam kommt Barbara Kuster, die im Renitenz „Naturgewalten stoppt man nicht“ vorstellte. Keine Übertreibung. Ihr Spektrum reicht von der preußischen Gouvernante bis zur explodierenden Tina Turner Parodie.
Ebenso vielfältig die Themen: Tempeltanz und Terrorismus, Kanzlergrabanlagen für die Lausitz, artgerechte Männerhaltung oder neue Deutschlandhymne. Ein geschlossenes Programm. Kritisch, skuril und musikalisch, ein preußischer Tanz auf dem Vulkan.
Von Weihnachten bis Silvester spielte hier Frl. Wommy Wonder mit Begleitung sein überarbeitetes Sommer-Programm Donnerwetter (Special).
Ein außergewöhnlicher Ringelnatzabend von Sebastian Kowski lief im Stuttgarter Schauspielhaus. Obwohl die Parodien und Grotesken nicht immer leicht zu verdauen sind, schafft es Kowski mit guter, sparsamer Mimik und Gestik und professioneller Vortragsart Bilder aus den frühen Jahren des letzten Jahrhundert vor unserem geistigen Auge entstehen zu lassen.
Zum Jahresabschluss traten Roland Baisch und Michael Gaedt und andere in der Rosenau auf, die unter neuer Leitung von Michael Drauz einen zweiten Anlauf als Veranstaltungsort macht.
Insgesamt gibt es drei Neu- bzw. Wiedereröffnungen im Stuttgarter Raum.
In Backnang wird ab März das ehemalige Nögge-Theater unter dem Namen TraumZeit-Theater und Zaubertheater weitergeführt. Unter dem gleichen Dach wird es auch ein Kalanag-Museum und das Deutsche Zauberzentrum geben. Man kann auch hier auf die neuen Programme gespannt sein.
Am 29.3. wird das neue Theaterhaus auf dem Pragsattel eröffnet, damit wird die achtzehnjährige Ära von Stuttgart-Wangen fortgesetzt. Statt drei Spielstätten gibt es jetzt fünf, die parallel bespielt werden können. Ein neues Kapitel in der Stuttgarter Theater- und Kleinkunstszene. Die letzte Vorstellung im alten Theaterhaus mit Abschiedsfest findet am 22. März statt.
Redaktion: Bruno Schollenbruch
Makal City Theater:
19.-26.3.03 Giselle: Die Fünf Sinne (Premiere)
Theaterhaus:
6.-8.3.03 Bülent Ceylan – Döner for One
7.3.03 Eure Mütter
Pforzheim: Kulturhaus Osterfeld:
27.3.03 Sigi Zimmerschied
29.3 03 Dieter Huthmacher
02.4.03 Georg Danzer
03.4.03 Klaus Birk
30.4.03 Leo Bassi
2003-03-15 | Nr. 38 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch