„160 au milieu“ ist eine gelungene Synthese aus Kabarett und Tanz
Einziger Blickfang auf der Bühne des dock4 ist ein riesiges Bett (Bühnenbild: Jörg Hoefer). Es ist leer, so scheint es, dieses Bett, doch der Schein trügt. Mit provozierender Langsamkeit wölben sich Körperteile unter den Decken und Kissen hervor, wird da eine Hand, dort ein Wuschelkopf sichtbar; sie nehmen Kontakt auf zur Außenwelt, ehe sie wieder unter den schützenden Textilien verschwinden. Doch schließlich muss, so will es die Dramaturgie von „160 au milieu“, dem Tanztheater-Kabarett von Brigitte Gautschi, Mirjam Henß, Birgit Kaiser und Udo Müller, das gemütliche Refugium verlassen werden, denn „vier tanzen noch“, so haben sie ihre fulminant selbstironische Standortbestimmung untertitelt.
Die vier Profis sind zusammen rund 160 Jahre alt, in der Mitte des Lebens, aber zu alt zum Tanzen. Zu alt zum Tanzen? Wer sagt das, und warum? Nun, der Körper reagiert schon einmal bösartig auf eine virtuos überdrehte Pirouette, die Hexe schießt erbarmungslos ins Kreuz, das Zünglein an der Waage reagiert von Jahr zu Jahr unwilliger auf die Lust auf Süßes oder Fettiges, und der Trainingsunfallteufel lässt sich immer neue Übergriffe auf die jeweils persönlichen „Achillesfersen“ einfallen. All diese Gefährdungen eines Tänzerlebens spielte das blendend disponierte Quartett mit Lust und Verve aus und brachte damit etwas auf die Bühne, was im deutschen Tanztheater noch immer zu den ganz seltenen Ingredienzien gehört: existenzielle Komik, eingefasst in choreografische Miniaturen von anrührender bis grotesker Poesie. „It’s all over now“ hieß eine der Musiknummern. Nein, gar nichts ist hier vorbei, möchte man beschwichtigen. Im Gegenteil: Hier fängt es erst richtig an!
Pointen, so erlebt der Zuschauer staunend, muss man nicht sagen, man kann sie auch tanzen, das macht sie womöglich noch komischer. Mit mutigem und gewitztem Charme betraten Gautschi, Henß, Kaiser und Müller das neue Terrain, und sie hatten die Lacher auf ihrer Seite.
Redaktion: Verena Joos
2006-06-15 | Nr. 51 | Weitere Artikel von: Verena Joos