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    Ritter und Preisträger – 40 Jahre Bühne zahlen sich meistens aus

    Musikalische Karrieren werden nicht nur mit Preisen, Goldenen oder gar Platin-Platten veredelt. Besondere Ehrungen krönen solche Laufbahnen. So hat der britische Musiker Peter Gabriel in diesem Jahr den Frankfurter Musikpreis erhalten. In der Tat eine hohe Ehre. Begründung der Jury: Der 55-Jährige hat mit seinem kreativen Schaffen und der Förderung von jungen Talenten einen wichtigen Grundstein für die Rock- und Popmusik gelegt.

    Bekannt als Komponist und Songwriter skurriler und surrealer Texte wurde Gabriel im Verbund mit dem Drummer Phil Collins vor allem mit der legendären Band Genesis. Nachdem der Sänger sich 1975 von Genesis trennte, hatte Peter Gabriel auch als Solokünstler große Erfolge. Vor allem seine Musikvideos zu den Titeln „Big Time“ und „Sledgehammer“ waren bahnbrechend. Heute sind die Gerüchte um eine Neuauflage von Genesis immer lauter zu hören.

    Ein weiterer Brite und Weltstar hat eine große Ehrung erfahren. Die englische Königin Queen Elizabeth II. hat den walisischen „Tiger“ Tom Jones zum Ritter geschlagen. Der nun adlige Tiger wurde ausgezeichnet für 40 Jahre Verdienste um die britische Popmusik. 1964 war Jones mit dem Titel „It’s not unusual“ weltberühmt geworden – und mit seiner Eigenart, sich bei seinen Konzerten mit Damenunterwäsche, die ihm seine weiblichen Fans bei seinen Bühnenshows zuwarfen, den Schweiß abzuwischen. Der Ladykiller hatte daraufhin einen Erfolg nach dem anderen, sang britischen Pop und Countrypop und wurde mit seinen Shows in Las Vegas gefeiert. Also Ehre, wem Ehre gebührt: Vierzig Jahre Bühne und Hits wie „Sex Bomb“ sind schon was.

    Der dritte Brite im Bunde – leider noch nicht geadelt - ist der „Rock ’n’ Roll Soldier“ Chris Farlowe. Seine Stimme ist seit den 60er-Jahren aus der Rock- und Bluesszene nicht mehr wegzudenken. Damals platzierte sich Farlowe mit dem Stones-Hit „Out of time“ auf Patz 1 aller europäischen Hitparaden. An Formationen, in und mit denen er arbeitete, erinnert man sich gerne zurück. Mit dabei die Thunderbirds, Colloseum, Led Zeppelin oder Atomic Rooster. Seit den 80er-Jahren ist Chris Farlowe mit eigener Band auf den Bühnen der Welt zu hören. 2006 tourt er mit der Norman Beaker Band. Und seine originäre und zugleich imaginäre Stimme ist nach wie vor ein Ereignis.

    Als Rhythm-and-Blues-Sänger gehört er zu den Besten. Zwischen butterweich und stahlhart beherrscht Farlowe alle Nuancen des Genres. Er kann sich tief in die Herzen singen. Aber er kann auch derart rhythmisieren, dass es einem glatt die Beine weghaut. Also nichts wie hin. Dieser Mann ist Kult.

    Kult ist auch Inga Rumpf, ist „die Stimme“. Ihre sängerischen Wurzeln reichen ebenfalls in die 60er-Jahre zurück. Seinerzeit war sie die Sängerin der bekannten Formation „City Preachers“. Zur Rocklegende wurde Inga Rumpf aber vor allem durch die Bands „Frumpy“ und „Atlantis“.

    Mit ihren Interpretationen von Soul und Gospel war sie musikalischer Höhepunkt der Weltausstellung „Expo 2000“ in Hannover.

    Inga Rumpf hat das „Schwarze“ in ihrer Stimme. Sie kann Tiefen wie kaum eine andere ergründen und musikalisch so umsetzen, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft. Das erlebt man auch bei den Promokonzerten zu ihrer neuen CD „Easy (in my soul)“, die sie zum 40-jährigen Bühnenjubiläum herausgebracht hat. Bluesige Balladen wie „Up to your room“ oder der Titelsong gehen unter die Haut. Souliges wie „The sun is going down“ bringt sie unvergleichlich auf die Bühne. Und einfach ergreifend ist das Stück „More than I can tell“, bei dem sie dann zur Slide-Gitarre greift. Für Inga Rumpf und Band sollte kein Weg zu weit sein.

    Begeben wir uns aber jetzt einmal in andere Musikwelten, die in der Avantgarde und Popmusik eine äußerst interessante Liaison eingehen. Erika Stucky hat sich zu den bemerkenswertesten Jazzstimmen Europas entwickelt. Allein ihre Bandbesetzung ist mit den Tubisten Jon Sass und Matt Perrine mehr als ungewöhnlich. „Two tubas and a voice“ – und das geht sogar sehr gut. Mrs. Bubbles und die Bones kreieren ungeheuer groovenden Jazz in einer mitreißenden Performance, in der Erika Stucky hin und wieder auch Filme und Geschichten erzählt. Faszinierend sind ihre Songs, die wie Zwiegespräche zwischen Stimme und Bläsern ins Auditorium fließen. Grandios zelebriert diese Frau auch den Scatgesang. Und immer im Programm dabei auch ihre ganz persönlichen Versionen von Popsongs wie „Love hurts“ von Nazareth. Auch die melancholischen Balladen verfehlen ihre Wirkung nicht. Darüber freut sich nicht nur der geneigte Hörer.

    Musikalische Wanderer im wahrsten Sinne des Wortes waren und sind die Klezmer-Musikanten. Die jüdische Klezmer-Kultur ist weltweit verbreitet. Eine der Hochburgen dieses Genres ist immer schon das polnische Krakau gewesen. Nach „ihrer“ Stadt benennt sich auch eine polnische Klezmer-Formation, die das spezifische polnische Element in den Klezmer mit einfließen lässt. Kroke heißt das Trio. Kroke ist jiddisch für Krakau.

    Seit 1992 sind die studierten Klassiker Tomasz Lato, Tomasz Kukurba und Jerzy Bawol unterwegs, um Menschen diese Musik in der Bandbreite zwischen ausgelassener Lebensfreude und melancholischem Weltschmerz näher zu bringen. Mittlerweile hat sich Kroke in der europäischen Klezmer-Szene und auch weltweit ganz oben etabliert und spielte unter anderem mit Nigel Kennedy. Das, was Kroke präsentiert, gründet immer noch auf dem, was seit dem 16. Jahrhundert als Klezmer bekannt ist. Jedoch schreiben die Bandmitglieder, die Klezmorim, ihre Stücke selbst und erweitern das Traditionelle zur Weltmusik. Auch ihre Besetzung lässt auf diese Erweiterung schließen: Bratsche, Geige, Akkordeon und Bass bilden die Basis, auf der der Gesang sicher gehen kann. Die Kompositionen sind überaus interessant, haben der Tradition viele neue Nuancen gegeben und sorgen dafür, dass auch heute und in Zukunft jüdische, jiddische Musik einfach zur Musikkultur dazugehört. Und natürlich wird das in den Kroke-Konzerten eindringlich und großartig demonstriert.

    Und zu guter Letzt jetzt doch noch etwas über Preisträger. Tetta Müller & Lo Malinke wurden als Malediva dieses Jahr für ihre „Heimatmelodie“ mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet. Sie sagen von sich, dass sie eine Kunst beherrschen, die man braucht, wenn man den Karren mal wieder in den Dreck fährt: das Lachen im Schlamm! Dem ist wohl so. Ist auch dort im Dorf so, wo sie ihre „Heimatmelodie“ ansiedeln. Außergewöhnliche Fragen wie „Können Fleischwürste wirklich fliegen?“ oder „Wie bekommt man einen Tesafilm-Haarschnitt?“ können so eine Antwort finden. Ihre Lieder sind „handgemachte neue Volksmusik mit deutschen Texten“.

    „Ab heute verliebt“ heißt das aktuelle Programm von Malediva, das die beiden Männer nicht nur spielen, sondern auch leben. Mit Volker Ludewig am Flügel, der übrigens auch für Komposition und Arrangement zuständig ist, gelingt ihnen zudem eine Bühnenshow, die sie zu liebenswerten Figuren macht. Alltägliches lassen die beiden in Berlin lebenden Chansonniers ebenso wenig außer Acht wie die großen Fragen der Welt. Sie erzählen in poetischer Sprache davon, wie man Paare hassen lernt oder sich belügen und trotzdem ehren kann. In Wort und kabarettistischem Chanson thematisieren sie die ganze „Beziehungskiste“ zugleich unterhaltsam und skurril. Mit Malediva ist der Kleinkunstbereich wirklich bereichert worden.

    Das war’s mal wieder.

    Bis demnäx

    Bernhard Wibben

    2006-06-15 | Nr. 51 | Weitere Artikel von: Bernhard Wibben





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