Die alte, grüne Hamburger Polizeijacke („klares Abschreckungspotenzial“) hat er gegen einen Freizeit-Blouson in gleicher Farbe eingetauscht, die Dienstmütze gegen ein Basthütchen. Seine Aktentasche hängt am Sichtzaun aus dem Baumarkt. Wenn „Herr Holm“, der populärste Ordnungshüter der Stadt, am Feierabend per Moped in seinen Schrebergarten fährt, mutiert er zu einem anderen Menschen. Zu einem, der nicht nur dem Vogelpiepen lauscht und mit seiner Kreissäge einen Nistkasten baut, sondern der auch träumt und Sinnfragen stellt: „Wer bin ich?“
Nachdem er seine zahlreichen Fans bereits seit 15 Jahren mit den Marotten und Sprüchen des übereifrigen Staatsgewaltigen („Jeder Mensch ist eine mögliche Straftat“) zum Lachen gebracht hat, stellt Dirk Bielefeldt in seinem fünften Programm „Herr Holm – privat“ die persönliche Seite seiner Kunstfigur vor. Die Premiere im ausverkauften St.-Pauli-Theater wurde vom Publikum frenetisch gefeiert – obwohl manch ein Besucher sich interaktiv wieder einmal einiges, wenn auch weniger als sonst, gefallen lassen musste: „Sie haben ja einen kleinen Bart. Ich mag Tiere.“
Zwar sind viele Versatzstücke bestens bekannt – die ungelenke Körpersprache, der limitierte geistige Horizont, die permanente Belehrung –, doch besteht kein Zweifel: Bielefeldt und mit ihm Holm haben sich weiterentwickelt. Das Programm ist in sich stimmiger als etwa „Der Glückstrainer“ von 2003. Die Holm-Betrachtungen zu Werden und Vergehen und zum Sinn des Lebens erweitern das Spektrum und zielen in ihren besten Momenten durchaus in die Tiefe. So werden die Vergleiche zwischen seinem früheren Hund und einer Frau – Single Holm nähert sich gedanklich der Möglichkeit einer Lebenspartnerin – zur Glanznummer: „Ein Hund kaut auch nich’ auf meinen Schuhen rum.“
Männerträume bringt Bielefeldt in Wild-West-Visionen auf den Punkt („Ich reite an der Spitze“), mit der Vorstellung von Wiedergeburt setzt er sich auseinander: „als Wal in warmer Speckschicht im Polarmeer – ohne Arbeit und Zähneputzen“. Zu den anrührenden Momenten des wortwitzigen Abends gehört auch der Schluss, wenn der beflissene Beamte und menschliche Loser sinniert: „Ich hab’ einen Platz im Leben – aber ich weiß einfach nicht, wo.“
Redaktion: Ulrike Cordes
2006-06-15 | Nr. 51 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes