Die Musikszene wird immer vielfältiger. Und zunehmend fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Wenn dennoch überall neue „Nischen“ gefunden und besetzt werden, zeugt das davon, dass gerade in der Musikbranche die Kreativität der schreibenden und ausführenden Künstler schier grenzenlos ist. Und das ist gut so, auch wenn gerade wegen dieser Kreativität die Grenzen zwischen U- und E-Musik an Schärfe verlieren und die jeweils passende „Schublade“ nicht mehr gefunden werden kann, nicht mehr gefunden werden muss.
Relativ überschaubar ist nach wie vor das Genre, das die Liedermacher für sich reklamieren. Da geht Altes mit Neuem zusammen. Da hat interessanterweise immer noch Politisches seinen Platz.
Vor allem dann, wenn Konstantin Wecker nach mehr als 35 Jahren Bühnenpräsenz konstatieren kann, dass seine Lieder aus der frühen Zeit heute ebenso brisant sind wie damals. Mit einer gehörigen Prise Ironie gräbt der Sänger und Komponist auf der „Am Flussufer“-Tour in seiner eigenen Historie und präsentiert seine unverbrauchten Werke. Er ist nach wie vor der „Revoluzzer“, der, der zum Nein-Sagen aufruft, zum Sicheinmischen. Der neue Wecker ist immer noch der alte, der mit den präzisen, treffenden Worten, die sich wie kleine Pfeile in die Köpfe und Herzen seiner Zuhörer bohren. Musikalisch untermalt und unterstreicht er, dass es sich lohnt, den Mund aufzutun gegen Unrecht und Menschenverachtung bei uns und in der gesamten Welt. Gesungen oder gesprochen ist Weckers politische und mitmenschliche Poesie eine zugleich bedrückende und aufmunternde Energie, von der sich das Auditorium gerne gefangen nehmen lässt. Da geht der „Waffenhändler-Tango“ dann ebenso unter die Haut wie die Jahrmarktsmusik vom „Börsensong“. Das „ganze schrecklich-schöne Leben“ liegt Wecker am und auf dem Herzen und auf der ironiebegabten und filigran analysierenden Zunge. Selbst die Wurzeln des Blues liegen da nicht mehr in Afrika. „Der Blues ist in Bayern entstanden. Wennst an Stoiber hast, dann kriagst an Blues.“ Und wenn Wecker dem Publikum die Geschichte von der familienzerstörenden Wirkung des Neonazismus in die Ohren singt, macht sich bei dem der Blues, die betroffene Traurigkeit breit.
Mit Jo Barnikel als gleichwertigem, hochmusikalischem und kreativem Alter Ego setzt Wecker nicht sich in Szene, sondern das, was er unverblümt mitteilen und mit Barnikel zusammen hörbar machen will. Das darf nicht ungehört bleiben. Das ist überaus ehrlich und nachvollziehbar. Das hat immer noch die Kraft, die Welt ein klein wenig besser zu machen, selbst wenn Wecker das verneint: „Die Welt wird zwar andauernd von irgendwelchen Idioten verändert, aber eindeutig nicht von mir.“ Hier irrt der begnadete Künstler!
Lange schon bei den Liedermacherinnen beheimatet, aber bislang nur wenig aus der Nische herausgeschaut hat Dorle Schausbreitner. Das sollte sich nun aber bald ändern. Mit ihrer Band, ihrem Mann Florian (Bass, Gitarre), Carola Heiner (Saxofon) und Christian Meissner am Schlagzeug macht sie mehr und mehr von sich reden und von sich hören. Was sie schreibt, sind allemal Lieder mit Ecken und Kanten. Dorle Schausbreitners Kompositionen spannen einen weiten Bogen von der Ballade zur Moritat und vom Blues zum Jazz. Ihre poetisch tiefgründigen und oft sehr humorvollen Texte erklingen mal leise und gefühlvoll, mal laut, rhythmisch und expressiv. Ihre Stimme gehört an die Öffentlichkeit. Ihr Gesang, die Arrangements der Eigenkompositionen und das differenzierte, leidenschaftliche Zusammenspiel der Band gehen einfach unter die Haut! Mal ernst, mal mit einem Augenzwinkern erzählen Dorles Lieder einfühlsam von zwischenmenschlichen Beziehungen, von Karrieregestressten, kuriosen Einzelgängern, von Frömmlerinnen, Verlassenen und Liebenden, Gewinnern und Verlierern. Französischen und deutschen Chansons oder auch Interpretationen von B. Brecht drückt Dorle Schausbreitner ihren persönlichen musikalischen Stempel auf und begeistert damit seit 1993 überall dort, wo sie auftritt, ihre Zuhörer. 2001 ist ihre erste CD „Nimm doch die Pfeife aus dem Maul, du Hund ...“ erschienen. Seit 2002 ist sie mit eigenen Bühnenprogrammen unterwegs. Beim 7. Liedermacherwettbewerb „GOLDENE HOYSCHRECKE 2003“ wurde sie mit dem Sonderpreis für ihre „treffsicheren satirischen Texte und die erfrischenden Arrangements“ ausgezeichnet
Der Karrierekick kam 2006 mit der zweiten CD „Ich will nicht warten“. Die „Ballade vom Horst“ findet sich in diesem Jahr unter den Top 20 in der Liederbestenliste. Vermehrt werden ihre Stücke im Rundfunk gespielt.
Dorle Schausbreitner hat auf der Bühne eine ungeheure Ausstrahlung. Mit einer bestechenden Leichtigkeit versprüht sie die Botschaften ihrer Werke. Das Publikum hängt ihr an den Lippen und lässt sich mitnehmen in eine Welt zwischen heimeliger Idylle und pulsierendem Leben, in der Spaß, Humor und teils tragischer Ernst so nahe beieinanderliegen. Dorle Schausbreitner live zu erleben, ist ein absolutes Muss für alle, die engagierte Lieder lieben.
Was Liedermacher/-innen mit Musik und Worten realisieren, schafft ein musikalisches Duo auch ohne gesprochene Sprache. Manfred Schmidt (Perkussion) und Norbert Grosse (Gitarre) haben das ausgesprochene Ziel, ihre Klänge direkt in die Seelen der Zuhörer zu transportieren. Drumsfusion nennt sich das Duo, welches hemmungslos, aber nur scheinbar respektlos die Grenzen zwischen einzelnen Genres übertritt. Auch ihre Musik passt bei allen Einflüssen aus Funk, Blues, Jazz, Rock, Drum’n’Bass oder Worldmusic nicht in eine wie auch immer geartete Schublade.
Aus den Stücken sprüht Kreativität im Umgang mit dem, was musikalisch machbar ist. Samplereinsatz und Loops aus dem Synthesizer tragen zum besonderen Reiz des Ganzen bei. Auf der pulsierenden Grundrhythmik lassen – nur auf den ersten Blick –minimalistische Gitarrenriffs bei „Wavedance“ die Wellen an die Ufermauern peitschen und die brachiale Gewalt des Wassers spürbar werden. Mitreißend auch der „Song für Katrin“, den Drumsfusion für Gitarre und den afrikanischen Klangbogen Birambao arrangieren und mit sanften Melodiefetzen und einfühlsam umgesetzter Akkordik garnieren.
Manfred Schmidt und Norbert Grosse verstehen es, Gefühle anzusprechen und Empfindungen bei den Zuhörern freizusetzen, und das auch mitten im absoluten Powerplay. „The small eyes of aliens“ oder „Funky Mama“ geraten so zu fulminanten Werken, die das beschreiben, was betitelt ist. „Ork Party“ macht das fast dämonische Trommeln der Orks auf Waffen und Rüstungen hörbar. „Running“ impliziert die Hektik des Alltags, die wie Krieg auf den Straßen anmutet. Und „Arabian Mood“ ist tonale rhythmische Lyrik, unterstützt durch den brillanten Zusammenklang von Gitarre und Framedrum. Dazu sphärische Klänge bei „Woman from Kashmir“, perkussiv auf der Udu umgesetzt.
Manfred Schmidt und Norbert Grosse sind beeinflusst von dem, was in der Welt an Musik existiert. Aber die beiden machen daraus „ihr Ding“. Nur so kann „Compare“ im exquisit dargebrachten Latinorhythmus in die Seelen der Zuhörer fließen. Nur so kann „Eruption“ den drohenden Vulkanausbruch glaubhaft werden lassen. Und nur so kann „Tribute to Carlos“ zu einem Ohrenschmaus für alle Santana-Fans werden. Drumsfusion sind dabei alles andere als bierernst. Der „Totentanz“ nach Goethe ist zudem eine äußerst gelungene, humoreske Persiflage auf die Tragik der Ballade.
Fazit: Tolle Musik. Prädikat: Besonders empfehlenswert!
Bis demnäx
Bernhard Wibben
2007-03-15 | Nr. 54 | Weitere Artikel von: Bernhard Wibben