Kleinkunst beim Evangelischen Kirchentag in Köln
Frage: Was nützt uns die Herrlichkeit unseres Hauptes Jesus Christus? – Antwort: Die nützt uns nur was, wenn wir auch die Fraulichkeit entdecken. (Richard Rogler) – Frage: Was tröstet dich die Wiederkunft Christi, zu richten die Lebenden und die Toten? – Antwort: Dass alle ihr Fett wegkriegen. Ein abendfüllendes Programm wie in „Ein Gott sieht rot“. (Otti Osterath) – Frage: Weil wir nach dem gerechten Urteil Gottes zeitliche und ewige Strafe verdient haben: wie mögen wir dieser Strafe entgehen und wiederum zu Gnaden kommen? – Antwort: Indem wir konzentriert und konsequent Heiden „Herr, Deine Liebe ist wie Gras und Ufer“ vortragen, vorzugsweise in Räumen, die keine Fluchtmöglichkeit bieten (U-Bahnen, Gummizellen). (Lutz von Rosenberg-Lipinsky).
Kabarettisten haben in religiösen Fragen ein Wörtchen mitzureden. Das zeigen schon die oben angeführten Beispiele, die aus dem wunderschönen, vor 10 Jahren von Günter Ruddat und Harald Schroeter herausgegebenen Sammelband „Kleiner kabarettistischer Katechismus“ stammen. Die letzten Fragen der Menschheit kann man eben nicht nur mit heiligem Ernst angehen, sondern auch mit verständigem – und bisweilen sardonischem – Humor. Das weiß man nirgendwo besser als in Köln, wo zwischen Klüngel, Kirche und Karneval von jeher eine Allianz besteht und eine Gestalt wie der ewig gestrige „Herr Kanal Meisner“ als unfreiwilliger Materiallieferant für die WDR-Mitternachtsspitzen nicht wegzudenken ist. Hier findet vom 6. bis zum 10. Juni der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag statt – ein Großereignis, von dem auch die Kleinkunstszene in nicht unerheblichem Maße tangiert wird.
Das betrifft besonders das Gloria-Theater, das in diesen Tagen von morgens bis abends kabarettistisch bestückt wird – größtenteils von semiprofessionellen, kirchennahen Akteuren, als da wären etwa das Erste Allgemeine Babenhäuser Pfarrer-Kabarett, die Düsseldorfer LutherRatten und das Wittener Klerikale Kabarett Kommando. Außerdem findet hier unter dem Motto „Die schwarzen und die weißen Schafe Gottes“ ein ökumenisches Gipfeltreffen statt, das von dem katholischen Diakon und Büttenclown Willibert Pauels und der evangelischen Kabarettgruppe Klüngelbeutel bestritten wird. In der Comedia gastiert während des ganzen Kirchentags das bereits seit 30 Jahren bestehende bayrische Pfarrkabarett Weiß-blaues Beffchen. Immerhin seit der Hälfte dieser Zeit tritt auch Matthias Schlicht öffentlich auf, jener evangelische Pastor, der im Atelier-Theater ein „Kölner Nachtmenü“ serviert, das einige speziell für dieses kirchliche Großereignis geschriebene Nummern bzw. Gänge enthält. Und im Bürgerhaus Stollwerck, das ansonsten weniger die Kleinkunst- als die größer angelegten Theaterprojekte des Kirchentags beherbergt, zeigt Okko Herlyn sein Programm „Dumm gelaufen, Paulus“. Wie fast alle Kirchentagskabarettisten verdient übrigens auch Herlyn sein täglich Brot nicht auf Kleinkunstbühnen, ist er doch hauptberuflich Professor für Ethik, Anthropologie und Theologie in Bochum.
Wer mit Kirchenkabarett nichts zu tun haben will und den eher säkularen Blick auf religiöse Fragen schätzt, muss sich bis September gedulden. Dann ist Jürgen Beckers Erfolgsprogramm „Ja, was glauben Sie denn?“ wieder im Pantheon zu sehen.
Heimatgefühle
Zum Sommerprogramm der Köln-Bonner Bühnen
Der Sommer ist nicht gerade die Hochzeit des Kabaretts. Da greift man auf Bewährtes zurück, und das heißt in Kölner und Bonner Kabaretts immer noch: rheinische Hausmannskost. Das Senftöpfchen setzt auf die Kölner Nachwuchscombo Klüngelköpp sowie auf den Rundfunkmoderator und Rosenmontagszug-Kommentator Wicky Junggeburth – Karneval geht in Köln zu jeder Jahreszeit. Außerdem lassen dort Jürgen Becker und andere Akteure „Köln auf der Couch“ Platz nehmen, da sie ihre Heimatstadt für therapiebedürftig halten. Von da ist es nicht zu weit zu „Couch. Ein Heimatabend“, einem Programm des Düsseldorfer Kommödchen-Ensembles, in dem drei Akteure der Generation Praktikum die Leiden der Gegenwart aufs Korn nehmen – zu sehen im Pantheon, was darauf schließen lässt, dass die Verständigung zwischen Köln/Bonn und Düsseldorf auf einem guten Weg ist. Ein weiteres Indiz hierfür ist der Auftritt des Düsseldorfers Manes Meckenstock im Bonner Springmaus-Theater, der hier seine bizarren Erlebnisse im „düsseligen Dorf“ an ein hoffentlich mitfühlendes Auditorium vermittelt. Wer gerne etwas mehr Multikulti hätte: Im Eifelturm-Theater stellt Moritz Netenjakob einmal mehr seine „dicke, freche, türkische Familie“ vor; außerdem tritt dort das rheinisch-türkische Frauenduo Harem Globetrotters auf den Plan. Auf Heimatgefühle braucht man sicher auch dabei nicht zu verzichten.
Atelier-Theater, Köln
7.–9.6 „Kölner Nachtmenü“ – Matthias Schlicht
Comedia, Köln
7.–9.6. „Wir können auch nicht anders“ – Weiß-blaues Beffchen
Gloria-Theater, Köln
7.–9.6. Kirchentag: offizielles kabarettistisches Begleitprogramm
Stollwerck, Köln
8.6. „Dumm gelaufen, Paulus“" – Okko Herlyn
Eifelturm-Theater, Köln
14.6. „Passt schon!“ – Harem Globetrotters
Springmaus-Theater, Bonn
22.7. Ein Abend mit Manes Meckenstock
Senftöpfchen, Köln
6.8. „Köln auf der Couch“ – Jürgen Becker u. a.
28.-30.8. Klüngelköpp
Pantheon, Bonn
11.8. „Couch. Ein Heimatabend“ – Kom(m)ödchen-Ensemble
2007-06-15 | Nr. 55 |