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    Directors Show und Peter Shub – Neues in Backnang und Stuttgart


    Eines haben die Varietéprogramme im Stuttgarter Friedrichsbauvarieté und im Backnanger TraumZeit-Theater gemeinsam: Den Shows liegt immer eine verbindende Programmidee zugrunde, in die die Einzelnummern eingebunden sind. Diese Grundidee kann in Conférenciers, Tänzern, Zauberern und anderen Entertainern personifiziert sein, manchmal ist sie auch „nur“ im dramaturgischen Ablauf der Show versteckt. Fehlt diese Idee aber einmal oder kommt sie nicht eindeutig rüber, fängt man als mittlerweile von beiden Häusern maßlos verwöhnter Zuschauer gleich zu meckern an. So ist noch zu dem im letzten Trottoir-Heft besprochenen Stuttgarter „Sonambul“-Programm nachzutragen, dass es zwar dem ungarischen Kraftakrobatik-Duo Golden Power gelungen ist, die begeisternde Schlussnummer der Sorellas voll zu ersetzen; Stephan Bauer aber, der in der Umgebung Tübingens aufgewachsene und dadurch mit den Eigenheiten der schwäbischen Seele seines Stuttgarter Publikums durchaus vertraute Kabarettist, vermochte ebenso wenig wie das Mentalmagie-Duo, welches er ablöste, den emotional etwas auseinander fallenden übrigen Nummern den fehlenden roten Faden einzuweben. Er unterhielt die Zuschauer zwar recht kurzweilig, ein Bezug zu den anderen Varieténummern stellte sich aber nicht ein.

    Ganz anders ist das natürlich in den neuen Produktionen „Frühlingsrolle“. Hier setzt Peter Shub die Duftmarken, nicht nur dann, wenn er seinem dankbaren Publikum einschlägige Tipps gibt, zum Beispiel wie man sich mit Händen, die man vorher mit ein wenig Schokolade präpariert hat, als Entertainer in Toiletten erproben kann … Man muss das ja gar nicht erst in die Tat umsetzen, selbst das Denken an solche Situationen und an mögliche Reaktionen der lieben Mitmenschen macht schon Vergnügen. Shub ist ansonsten der Meister der unaufdringlichen Gesten, der kleinen, witzigen und überraschenden Geschichten, die er mit viel (Panto-)Mimik und wenigen, dann aber sehr treffenden Worten erzählt. Dabei schlägt er sogar noch aus dem Wechsel zwischen leicht verständlichem Englisch und akzentfreiem Deutsch Funken. Sein Einfallsreichtum scheint unerschöpflich. Und obwohl er keine rote Nase trägt und sich auch keine Maske anschminkt, ist er durch und durch ein (moderner) Clown. Zu keiner Sekunde muss er zu Mitteln der Animation greifen, seine Anwesenheit genügt. Er braucht auch keine formulierbare Programmidee. Das Programm kann heißen, wie es will, die Person Peter Shub mit all ihren Geschichten wird immer ein optimales Umfeld für hochkarätige Artistik schaffen, wenn diese genauso bescheiden in einem ausgewogenen Verhältnis von Können und Präsentation auftritt.

    In der Show „Frühlingsrolle“ treten außer Peter Shub auf:

    Claudius Specht, vorzüglicher Tempojongleur aus der Schweiz, der sich die benötigten Keulen von einem Apparat zuwerfen lässt, als besonderes Requisit mit bis zu 10 Bechern gleichzeitig jongliert und schon zur Premiere im Takt der Livemusik fängt.

    Evgenia Svirova, Absolventin der Circusschule Kiew, die ihre Hula-Hoop-Künste auf minimalstem Raum mitten im Zuschauerraum zelebriert, aber auch über komisches Talent verfügt, welches sich Peter Shub zunutze macht. Ich bin neugierig, ob sich da nicht bis zum Ende der Programm-Laufzeit noch mehr gemeinsame, komische Intermezzi ergeben werden.

    Denis & Angelina, an der staatlichen Zirkusschule Moskau ausgebildet, die in ihrer Luftnummer schwierigste Tricks in einen tänzerischen Ablauf einbetten und damit die erste Begegnung zweier sich sehr zugetaner Menschen andeuten.

    Vladimir Grinik, Rola-Rola-„Alt“-Meister, dessen Spezialität es ist, auf rollender und schwankender Unterlage für jeden Fuß eine eigene, ebenso rollende und schwankende Unterlage aufzustapeln.

    Svetlana Belova, Kautschuk-Artistin, die Kontorsion und Equilibristik zu immer neuen Bewegungen und Posen kombiniert, welche man für unmöglich hielte, würde man sie nicht live und noch dazu in so bemerkenswert ästhetischer Choreografie erleben.

    Slava, ein junger Artist aus der Ukraine, der seine freistehende Leiter nicht nur als Requisit für schwierige Tricks nutzt, sondern auch mit eben dieser Leiter jongliert und tanzt.

    Das Friedrichsbau Varieté Orchester unter Leitung seines Schlagzeugers Rainer Kunert darf dieses Mal erfreulicherweise wieder fast das gesamte Programm begleiten.

    Im TraumZeit-Theater in Backnang indes gab es das vierte Geburtstagsvarieté zu bestaunen. Auch hier hochkarätige Artistik, darunter der junge Jongleur Christoph Rummel, der Drahtseilakrobat und Entertainer Massimiliano Sblattero, Nina & Nina mit ihrer kraftvollen Hand-in-Hand-Equilibristik und eine andere Nina & Nina, 2006 noch mit der Absolventenshow der staatlichen Artistenschule Berlin unterwegs, die schon jetzt zu den besten Vertreterinnen ihrer Sparte gehören und durch Reduzierung ihrer James-Bond-„Verpackung“ in der Einleitung der Nummer und bei den Kostümen sehr an Wirkung gewonnen haben. Die Programmidee ist aber in Michael Holderried personifiziert, dem Direktor des TraumZeit-Theaters in Backnang. Mit seinem Magischen Kabinett oder mit anderen größeren und kleineren Illusionen ist er schon mehrfach in den eigenen Shows aufgetreten. Bei diesem Geburtstagsvarieté aber feiert er sein Debüt als Conférencier im eigenen Haus. Dabei nutzt er die Chance und lässt sein Publikum wenigstens verbal ein bisschen hinter die Kulissen seines Varietés blicken. Nebenbei zeigte er auch den einen oder anderen Trick aus seinem großen Zauber-Repertoire. Entscheidend aber ist, wie er seine eigene Biografie erzählt, die lange mit den Gebäuden in und um den Stiftshof herum verbunden war, in dem sich jetzt sein TraumZeit-Theater befindet. Hier ging er zur Schule, hier war er als Finanzbeamter tätig, bis er das vom Vater ererbte Hobby Zaubern zu seinem Beruf machte. Damit tourte er durch das In- und Ausland und knüpfte all die Bekanntschaften und Freundschaften, von denen heute sein Theater und seine Agentur profitieren. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ohne diese „Extras“ und ohne das bedingungslose Engagement Michael Holderrieds ein derartig spezialisiertes Theater in einer kleinen Stadt wie Backnang möglich wäre, noch dazu eines, das qualitativ mit den Varietés in großen Städten absolut mithalten kann!

    Redaktion: Manfred Hilsenbeck

    2007-06-15 | Nr. 55 |





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