Der Tausendsassa der Schweizer Szene, Christian J. Jenny, hat – einmal mehr – für Wirbel gesorgt. Zum einen mit „Zimmerstund“, einem amüsant-rasanten Stück von Lukas Bärfuss. Vor allem aber mit einer groß aufgemachten Homestory im Boulevardblatt „Blick“, in der er sich bloß im Pyjama zeigte und in der er Star-Komiker Beat Schlatter, dem er in der Züricher Altstadt genau gegenüber wohnt, als Hanfraucher outete. Jenny, der international Schlagzeilen machte, weil er mit seiner Komik auch vor einem Fall Kampusch nicht Halt macht, „grüßte“ im Interview zudem seinen in der Schweiz sehr beliebten TV-Co-Star Walter Andreas Müller. Beste Werbung für alle Seiten.
Schlatter hat nicht reagiert. Weil die Legalisierungs-Abstimmung bevorstand – und weil er ohnehin keine Zeit haben dürfte. Seit weit über einem Jahr ist er mit „Der beliebte Bruder“ in ausverkauften Sälen unterwegs. Der Erfolg dieser und anderer nicht mehr ganz neuer Comedy-Stücke ist typisch für die momentane Situation: Die Schweizer Szene wartet gerade ein bisschen auf neue große Namen und Nummern (Alt-Stars machen statt Comedy bloß noch Werbung, wie Emil, der sich den Deutschland-Start der Schweizer Nationallimonade Rivella vergolden lässt). Vielleicht deshalb erfahren Monika Kaelins Prix-Walo-Sprungbrette für Jungtalente viel Aufmerksamkeit. Eben ging sogar eines hoch in Graubünden über die Bretter, die die Alpenwelt bedeuten.
Wichtigster Comedy-Export aus dem Bergkanton ist und bleibt aber Claudio Zuccolini. Er hatte den wohl witzigsten Auftritt der Schweizer James-Bond-Premiere im abgelegenen Emmen (an der es dank humorfreiem Film sonst nicht viel zu lachen gab). Und: Zucco vermarktet seine abendfüllende Stand-up-Show gerade als festtägliches Dinner-Spektakel in Zürichs Restaurant „Weisser Wind“.
Das zeigt: Immer mehr Künstler dringen mit Spezialprogrammen in die Nische der Winterzirkusse vor. Das Original – Herbi Lips Circus Conelli – schaffte nach dem überraschenden Tod von Co-Direktor Conny Gasser aber wieder ein wunderbares Programm, das passend „Unforgettable“ heißt. Mittlerweile eine eigene Größe ist Rolf-Knie-Sohn Gregory Knie mit seinem Salto-Natale-Winterzirkus. Das Programm „Elegance“ ist das vielleicht bisher schönste. Und passend wurde auch das Grand-Chapiteau-Zelt noch deutlich eleganter gestaltet. Überhaupt ist der ganze Auftritt des Zirkus, der bis weit in den Frühling hinein unterwegs ist, noch ansprechender gestaltet worden. Highlight ist der schweizerisch-australische Komiker Rob Spence.
In der Jahreszeit mit wenig Licht dürstet es die Menschen nach Komik. Deshalb haben wie jedes Jahr auch Comedy-Festivals Hochkonjunktur. An der „Schweizer Familie“-Comedy-Night zeigte sich auch der große Massimo Rocchi, der sonst leider fast nur noch im Massentempel Das Zelt zu sehen ist. Und dann ging natürlich vor allem Danny Gundelfingers Original Comedy Festival in Luzern und Zürich über die Bühne. Niemand anderer schafft es, eine solche Stardichte zu erreichen und so viele hochklassige Comedy-Acts in die Schweiz zu bringen. Angesichts der Finanzkrise, welche die Finanzindustrie und damit das Kultursponsoring hart getroffen hat, ist das verdienstvoll. Höhepunkt war zudem die Benefizshow Comedy for Charity, u. a. mit Duo Lapsus, Michel Gammenthaler und Duo Hinterletscht.
Doch die meisten der großen Abräumer stammen hierzulande nach wie vor aus Deutschland. Und viele Schweizer Stars beschränken sich derzeit auf Kurzauftritte oder touren mit älteren Erfolgen. Nach dem kreativen Feuerwerk der Jahre und Monate davor scheint gerade etwas Ruhe eingekehrt zu sein. Ist den Eidgenossen mit dem Kurssturz der Bankaktien das Lachen vergangen? Wohl kaum. Denn ihre Mentalität war schon immer: Jetzt erst recht! (Passend heißt denn auch das Jubiläumsprogramm des Zürcher Hechtplatz-Theaters „Jetzt erst Hecht!“). So hatte die Schweizer Komik ihre größte Zeit von 1933 bis 1945, als sie, umgeben von einer Übermacht, diese, klein und frech, gehörig auf die Schippe nahm. Deshalb ist die momentane Ruhe mit Garantie nur die Ruhe vor dem großen Sturm. Wenn da noch Stars aus anderen Manegen, wie der zurückgetretene Eiskunststar Stéphane Lambiel, ankündigen, ins komische Fach zu wechseln, dann stirbt die Hoffnung zuletzt.
Redaktion: Bernhard Sutter
06.02.: Uster, Schlatter&Frey mit „Beliebter Bruder“
ab 13.1.: überall, Massimo Rocchi, Tournee mit Das Zelt
ab 19.1.: Zürich, Hechtplatz-Theater Gala zum 50-Jahres-Jubiläum „Jetzt erst Hecht“, mit Preisen wie vor 50 Jahren!
ab 24.01.: St. Gallen, „Hairspray“ mit Walter Andreas Müller im St. Galler Theater
ab 10.02.: Winterthur, Casino-Theater, Emil Steinberger in „Drei Engel“
ab 16.02.: Luzern, neue Danny-Gundelfinger-Shows mit Bodo Wartke
01.03. bis 15.3.: Basel, Rob Spence im Salto Natale
08.05.: Pfäffikon, Swiss Comedy Award
AdNr:1044