Sie ist ein Naturereignis: Wenn Nessi Tausendschön die Bühne betritt, gerät bei so manchem Zuschauer das Blut in Wallung. Vor Erregung, vor Staunen und Bewunderung. Wo hat die Frau das bloß her? Diesen Humor, diese Präsenz, diese Stimme, mit der sie säuselt und gurrt, provoziert und parodiert, ein Organ, das tremolierend jede Amsel in den Schatten stellt. „Mutti hat das Zeug zur Ikone“ - solche Sätze perlen der luziden Schönheit aus dem Mund. Wenn sie nicht gerade „Ganz in Schwarz“ in einem der vielen „Brennenden Betten“ liegt, ist sie als „Königin von Deutschland“ unterwegs oder sie „singt Liebeslieder“ – landauf, landab tritt sie vehement auf Bretter, die andere vor dem Kopf haben.
Und an einem neuen Programm wird auch gearbeitet. Momentaner Arbeitstitel: „Geist ist geil.“ Ein Abend über Frustschutz und Rausch, Schrumpfungserscheinungen und Feiern unter Geiern. Fest versprochen. Premiere wird im September sein.
Wenn man wissen will, was eine begnadete Kleinkünstlerin ausmacht: Bitte sehr, hier steht sie (und kann auch anders). Das vielleicht wichtigste Kriterium besteht in ihrer Originalität, einer unverwechselbaren Persönlichkeit mit charismatischen Zügen und der Aura eines einzigartigen Kunstwerks. Doch halt! Frau Tausendschön ist ganz von dieser Welt. Der Hölle näher als dem Himmel. Die weiseste Entscheidung hat sie vor über 20 Jahren getroffen, als sie das Gärtnern zugunsten des Singens und Spielens aufgab. Die Krume, die sie seitdem beackert, besteht aus Menschen, die lachen und weinen, sehen und hören können – und ganz nebenbei dabei auch noch so einiges lernen. Zum Beispiel, dass man Geheimnisse nicht lüften soll, weil sie dann keine mehr sind. Annette Maria Marx, so der Name der in Hannover geborenen Frau Tausendschön, erinnert an eine rätselhafte Göttin, vielleicht eine indische, wo sie regelmäßig gastiert. Welcher deutsche Künstler kann schon von sich sagen, er hätte in Indien eine Fangemeinde? Nicht ganz so weit musste sie im vergangenen März fahren, um den Kleinkunstpreis des Mainzer Unterhauses in Empfang zu nehmen. In der Begründung der Jury hieß es, sie verdiene die Auszeichnung, weil es ihr gelinge, mit den „Publikumserwartungen zu jonglieren, sich chamäleonartig zu verwandeln und sich dabei selbst zur Zielscheibe satirischer Brechungen zu machen. Ein Energiebündel, das mit weiblichem Raffinement provoziert und irritiert.“ Stimmt genau.
Und da ist noch etwas, womit sich die, darüber hinaus mit dem Salzburger Stier und dem Deutschen Kabarettpreis dekorierte, Diseuse von vielen Kleinkünstlern unterscheidet: Nessi Tausendschön ist saukomisch! Zumindest, wenn sie will. Und das nicht nur in Begleitung ihres „geschmeidigen“ Pianisten Uwe Rössler, sie tritt auch mit einer kleinen feinen Band (Marcus Schinkel, Bernd Keul, Martell Beigang) in Erscheinung. Wunderbare Musiker, die auch schon mit Charlie Mariano, Sasha oder M. Walking On The Water gespielt haben, erzeugen für Nessi einen klangvollen Soundteppich, auf dem sich die bodenständige Diva wie in Alices Wunderland mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt. Das Repertoire reicht vom gefühlvollen bis erotisierenden Chanson über eingängigen Pop, cool groovendem Jazz, tanzanimierenden Afro-Klängen bis zu ausgelassener Circusmusik. Einfach grandios.
Apropos Bewegung: Die ist ihre Spezialität und zwar in jeder Hinsicht. Seien es der atemberaubende Körpereinsatz, mit dem die „Herrin der Süchte“ (sie hat das Rauchen aufgegeben) ihre Musik-Performance zum artistischen Kabinettstückchen macht, sei es die geistige Vibration und der feine Intellekt, mit dem sie ihre Texte zu poetisch skurrilen bis anrührend melancholischen Preziosen ziseliert. Als Schutzengel mit einem kleinen Alkoholproblem träufelt sie Anteilnahme in die Herzen der Zuhörer, als potenzielle Monarchin mit Probekrönchen weckt sie Hoffnungen auf eine bessere Welt und als Interpretin ihres selbst geschriebenen Liedguts nimmt sie allen die Angst vor herrschenden Herren. Purer Wahnsinn.
Apropos Herren: Echtes Format zeigt der herrliche „Bestsellerfresser“ Wolfgang Nitschke, der zusammen mit Frau Tausendschön mit dem Programm „Ganz in Schwarz“ auftritt – ein Paar wie aus dem Bilderbuch. Satire vom Feinsten. Anne Nüme, Journalistin
Nessi Tausendschön
Kabarettistin, Sängerin, Schauspielerin, Moderatorin
Preise u. a.:
Deutscher Kabarettpreis (1999),
Salzburger Stier (2000),
Deutscher Kleinkunstpreis (2003)
Fernsehauftritte u. a.:
in „Scheibenwischer“, „Zimmer frei“, „Missfits und Verwandschaft“, „Satirefest“ Berlin,
„Hüschs Gesellschaftsabend“, Bayrischer Filmpreis (BR), „Beltz Open“, „Nightwash“, „RTL-Samstagnacht“
Auftritte u. a.:
Schmidt-Theater Hamburg, Mainzer Unterhaus
Münchner Lach- und
Schießgesellschaft,
Tempodrom Berlin
Programme:
Herz, mein Herz,
Königin von Deutschland, Ganz in Schwarz
(mit Wolfgang Nitschke),
Brennende Betten (mit Band) und ein neues Programm hat im September Premiere
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