Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für das Kabarett, heißt es. Die Zeiten sind nicht gut und das Kabarett nicht schlecht, es besteht also die Gefahr, dass man sich in der Mitte trifft. So könnte man meinen, denn Scherz, Ironie und die Spekulation auf tiefere Bedeutung beherrscht den öffentlichen Diskurs in allen Bereichen. Das Kabarett lebt von der Übertreibung. Aber was ist, wenn bereits alles auf die Spitze getrieben ist? Man sucht nach Auswegen, anderen Spielarten und Formen der Gegenwartsbetrachtung oder der Unterhaltung. Vor allem mit finanziellem Erfolg.
Bei der Magdeburger Zwickmühle zu einer Eintrittskarte zu kommen, bedarf Geduld. Denn die Programme von Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz sind mindestens zwei Monate im Voraus ausverkauft. "Und suche uns nicht in der Führung" heißt ihr aktuelles Programm, das Tempo, Witz und eindeutige politische Haltung hat. So wie man das aktuell-politischem Wort-Kabarett auch versteht. Im Mittelpunkt steht die Doppelconférence, die Pölitz und Bölck einfach im Blut haben. Das Timing stimmt, ihre komödiantischen Fähigkeiten sind schnörkellos und vor allem sind sie mit ihren Nachbesserungen, sei es das fortschreitende Reformgerangel oder die Weltpolitik mit Bush oder Sharon, immer auf dem Stand des politischen Geschehens. Gut, dass es so etwas noch gibt.
Auch gut im Futter stehen die Kabarettisten der Arche aus Erfurt. Sie haben eine Auslastung ihres Hauses von mehr als 80% erreicht. Mit ihrem Programm "Kann ich mal die Kürbismarmelade" führen sie, wie sie selber sagen, den „politisch-satirischen Gang in der Wortspülmaschine mit viel Sprachwitz“ vor. So ist es auch. Es spielen Beatrice Thron und Ulf Annel. Und ein zweites Programm haben sie, den "großen Herricht-Preil-Abend", der den beiden TV-Stars der DDR Komik gewidmet ist. Andreas Pflug und Ulf Annel zeigen, dass es in den 60er Jahren Komik und Humor an der Grenze zur Politik mit Format tatsächlich gab.
Die Kiebitzensteiner aus Halle an der Saale sind regsam, haben aber mit ihrem Publikum doch etwas mehr Mühe als die anderen beiden Kabaretts. Ende des letzten Jahres haben sie ihr Programm "Immer am Verstand lang" auf die Bühne gebracht. Ein Abend mit den besten Texten von Lothar Bölck. Freilich kennt man die Nummern aus anderen Programmen auch von anderen Kabaretts gespielt. Die Zusammenstellung von Thomas Puppe und Peter Treuner mit leichter Hand gespielt, ist jedoch ein Plädoyer für das politische Kabarett.
Die kurz & kleinkunstbühne in Jena, also Gabriele Reinecker und Arnd Vogel, hat jetzt aus Leipzig Clemens-Peter Wachenschwanz zu einem Duo-Abend eingeladen. Er steht mit Arnd Vogel auf der Bühne. Zwei Kabarettisten kann man da erleben, die kaum zu bremsen sind und sich gegenseitig mit Lust extemporierend versuchen, in Verlegenheit zu bringen. Ein offener Abend zum Thema Männer. Die schöne Programm-Idee, ein Sensibelchen auf einen Haudegen treffen zu lassen, verschwimmt etwas, wenn beiden das Temperament durchgeht. Dennoch ein empfehlenswerter, irdischer Abend.
Bei den academixern haben Carolin Fischer und Anke Geißler ihr zweites Duo-Programm mit dem Titel "Störe deinen Nächsten" vorgestellt. Beide zeigen sich in vorzüglicher Spiellaune. Carolin Fischer ist, wie ihre Kollegin, urkomisch, nur macht sie das mit dem kleinen Finger, Anke Geißler hingegen mit der ganzen Hand. Der Abend, der sich vor allem im Zwischenmenschlichen tummelt, ist so ganz nach dem Geschmack des Publikums. Die academixer bieten also Vielfalt an, wobei allerdings eine Art des Hauses immer schwerer zu erkennen ist. Mit "Echte Sachsen" hat Anke Geißler seit einem halben Jahr auch einen Soloabend, der nicht bei den academixern aber erfolgreich läuft. Hier geht sie im Rollenspiel ihrem Faible nach, Absonderlinge oder Schrullen zu spielen. Und sie zeigt auch, dass das sächsische Gemüt und Charme unverwüstlich sind.
Ein Preisträger ist noch zu nennen. Olaf Schubert aus Dresden. Der grandiose Betroffenheitslyriker, der auf der Bühne unentwegt die Welt retten will und dabei immer wieder selber scheitert. Er hat den Salzburger Stier 2004 bekommen, der ihm Ende Mai überreicht wird. Das macht die Szene Ost besonders stolz, denn mit ihm sind in Folge zwei Kabarettisten aus Sachsen mit dem renommierten Preis ausgezeichnet worden. Im vergangen Jahr war der Preisträger der Dresdner Uwe Steimle.
Zum Schluss darf nicht vergessen werden, dass am 22. März die Leipziger Pfeffermühle ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert hat. Das heißt die große Gala, weil es ein Sonntag ist, lief bereits am 21. März, aber Grund genug auch von dieser Stelle aus dem berühmten Leipziger Kabarett die besten Wünsche zu senden. Im Februar gab es dazu noch die Premiere ihres Jubiläums-Programms "Durch die Mühle gedreht". Es enthält historische sowie ganz neue Nummern. Eine Mischung aus Rückbesinnung und Vorausschau. Das als gutes Omen.
Redaktion: Harald Pfeifer
28. März: academixer „In schlechter Verfassung“
14. Mai: Kiebitzensteiner „Affentheater“
2004-03-15 | Nr. 42 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer