Die Frau mit dem abgewetzten Teddy im Arm blickt fragend in die Runde. „Wann hat Sie Ihre Mutter das letzte Mal vom Kindergarten abgeholt, Sie zur Ballettstunde gebracht, ihre Festplatte geputzt? Also, ich kann mich nicht erinnern“, sagt sie dann und drückt das Kuscheltier fest an sich. Cornelia Niemannn, Urgestein der Frankfurter Kabarett- und Theaterszene – und dennoch jung geblieben, feierte ihren 60. Geburtstag dort, wo sie ganz offensichtlich hingehört: auf der Bühne. Im Mousonturm kredenzte sie ihren Geburtstagsgästen ihr Kabarettprogramm „Das Händchen, das die Mutter schlägt…“ Die ehemalige Falckenberg-Schülerin, die sich außer mit zahlreichen Theater-, Funk- und Fernsehauftritten seit dem Jahr 1985 in der Frauenkabarett-Geschichte einen Namen gemacht hat, kalauert sich hintergründig durchs Zeitgeschehen und nimmt dabei liebevoll bis grausam dem Ursprung menschlichen Lebens aufs Korn: die Mutter. Rund dreißig Mütter der Weltgeschichte präsentiert Niemann in ihrer Collage aus Prosa, Lyrik, Dramen- und Liedtexten und dokumentiert damit auch die Rolle der Mutter im Wandel der Zeiten. Mit Stimm- und Darstellungskraft zelebriert die Kabarettistin das (Spannungs)verhältnis zwischen Erzieherin und Nachwuchs. An Kindesstatt ist der Teddy, den die Kabarettistin mal knuddelt, fast zärtlich erdrückt, mal achtlos zu Boden wirft oder auch malträtiert. Mutter und Kind, das ist laut Niemann „wie Pech und Schwefel, Peek und Cloppenburg“. Das Jammern ist vorprogrammiert: Muttern ist schuld an seinem Scheitern, findet der Nachwuchs. Und dieselbige leidet, als Hänschen klein sich umbesinnt und seufzt: „Nein, komm nicht zurück nach Hause. Ich wollte aus Deinem Zimmer ein Studio gestalten.“ Und letztendlich kommt Niemann zum Schluss: „Der ganz große Jammer kommt jedoch, wenn Mutter sich davon macht. Wenn sie Zelle um Zelle abrüstet, Zahn und Zahn. Hört sie uns überhaupt noch? Eine bodenlose Inkontinenz ist das: Sie erlaubt sich zu sterben. Das verzeih ich mir nie!“ Auf dass Cornelias Niemanns Wortwitz den Frankfurtern noch lange erhalten bleibe… Witzige Worte und Weisen ganz anderer Art präsentierten die U-Bahn Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern bei der Premiere ihres neuen Programms „Ohne Fahrschein“ im Neuen Theater Höchst. Die Hardcore-a-capella-Truppe hatte wieder einmal Satzgesang vom Feinsten und ein Bühnen-Outfit vom Speziellen zu bieten. Auch in ihrem vierten abendfüllenden Programm kommen Musik- und Comedy-Liebhaber auf ihre Kosten. Da präsentiert sich ein rosafarbener Cowboy mit Haarschneide-Set und Föhn zu den Klängen von „Burn of Fire“. Kontrollöre in Kuhkostümen beteuern, wie glücklich ihre Leben mit Gras verläuft und offerieren beim Striptease ihren Euter. Und - am Premierentag ganz aktuell - verabschieden die Protagonisten Gerhard Schröder aus dem Amt des Parteivorsitzenden freundlich mit dem Lied „Bella Ciao“. Insgesamt eine gelungene Vorstellung, nur schade, dass der Titel „Ohne Fahrschein“ nur mit einigen Ansagen aus dem Off und in einem Schwarzfahrer-Song einen Bezug zum Programm hat. Eine Inszenierung, bei der die U-Bahn-Story sich mehr trägt, hätte das vergnügliche Spektakel noch runder gemacht.
Allerlei Bezug zum Programm hat der Name Magic Monday. Denn die vier Künstler, die ihre sehr individuellen Fähigkeiten in einer zauberhaften Bühnenshow unter Beweis stellen, stehen gemeinsam tatsächlich meistens an einem Montag auf der Bühne. Regelmäßig geben sie sich im legendären Frankfurter Schmiere-Theater ein Stelldichein, außerdem sind auch in anderen Städten anzutreffen. So geschehen im Wiesbadener Thalhaus. Dort servierten die Zauberer Kai Schmid, Pit Hartling, Michael Leopold sowie der Komiker Rainer Ewerrien ein Programm zum Schmunzeln und Staunen. Wenn Monsieur Brezelberger alias Michael Leopold charmant „eine kleine Trick“ vorführt und dabei Maggi statt Magie als Hilfsmittel benutzt, macht fauler Zauber den Show-Effekt. Comedyantisch noch einen obendrauf setzt Muttersöhnchen Heinz (Pit Hartling) im hellblauen Bubi-Pullunder, der den amüsierten Zuschauern mit leiernder Stimme eine Nerven zerfetzende Nummer verspricht, die durch gekonnten Dilettantismus besticht. Kai Schmid hingegen gibt sich seriös, um Zuschauern Geld für Zauberkunststücke abzuluchsen und spielt anschließend mit den Nerven seiner Opfer. Doch schlussendlich erweist sich: Zaubern können alle drei. Und Hermann alias Rainer Ewerrien, der fest zum Ensemble des Spottlicht-Theaters in Neu-Isenburg gehört, erntet Lachsalven des Publikums als dickbauchiger Prolet, der bissig die Aktionen der Kollegen kommentiert. Wer Zauberei nicht klassisch ernst nimmt und dennoch überrascht werden will, ist beim Magic Monday richtig.
Der Äppler Express steuert andere Stationen an: Nachdem das Frankfurter Improvisationstheater seine feste Spielstätte, die Kleinkunstbühne „Frau Batz“, wegen Schließung verloren hat, spielt das Ensemble neuerdings regelmäßig im kp-21/Open mind in der Hausener Brotfabrik sowie in der Musikhalle Portstraße in Oberursel. Jeweils donnerstags, 20.30 Uhr, stehen die Stegreif-Schauspieler dort im 14-tägigen Wechsel auf der Bühne. Die Zuschauer geben die Stichworte und die Darsteller alles, wenn es darum geht, in atemberaubender Geschwindigkeit interaktive Szenen auf die Bühne zu bringen. Der Äppler Express wird von einer Musikerin begleitet, was der Impro-Truppe zusätzlichen Spielraum verschafft. Zudem richtet das Frankfurter Ensemble vom 7. bis 10. Oktober im Gallustheater sein 1. Internationales Improvisationstheaterfestival aus. Infos gibt’s unter www.aeppler-express.de.
Auszeichnung
Der Rüsselsheimer Comedian und Kabarettist Frank Fischer gewann den mit 2500 Euro dotierten FFN-Comedy- Award 2004. Die vom niedersächsischen Radiosender vergebene Auszeichnung wurde in Hannover vom Ministerpräsidenten Christian Wulff übergeben. In der Jury waren unter anderen Bodo Bach, Gaby Köster und Ausbilder Schmidt vertreten.
Vorblicke
Auf den „Brennpunkt Zwerchfell“ zielt die Comedy-Nacht mit Moderator Vince Ebert am 18. April im Friedberger Café Kaktus. Unter dem Motto „Dur oder Moll“ präsentieren Herbert & Agathe am 23. April Comedy mit Varieté-Einlagen. Und am 14. Mai. ist Bernhard Hoecker mit seinem Programm „Sie sind raus“ zu Gast in Friedberg Kulturcafé.
Thomas C. Breuer kommt am 6. Mai mit seinem Programm „Deutsche far niente“ in die Kulturscheune im Selzerbrunnenhof nach Karben. Ebenfalls dort präsentiert werden die Vagina-Monologe, nämlich am 16. Juni.
Und Bodo Wartke gibt sich am 2. und 3. April ein Stelldichein in der Kleinkunstbühne Fresche Keller in Ortenberg. Arnulf Rating hingegen präsentiert sich nicht im Fresche Keller, sondern open air in Ranstadt-Bobenhausen auf der Waldbühne am Sportplatz. Termin ist am 9. Juli.
Viel Spaß auf hessischen Bühnen und davor wünscht Christine Krebs 2004-03-15 | Nr. 42 | Weitere Artikel von: Christine Krebs