– das gilt für Kassel wie für den Speckgürtel rund um die Nordhessenmetropole. Da das Wetter in „Hessisch Sibirien“ nicht verlässlich Freiluft-tauglich ist, haben die Organisatoren der meisten Festivals sich für die „open-air-light-Version“ Zelt entschieden. Das Kasseler Kulturzelt, seit 27 Jahren an der Drahtbrücke beheimatet, – sein diesjähriges Programm befindet sich bei Erscheinen dieser „Trottoir“-Ausgabe bereits auf der Zielgeraden – trägt seinen Namen nur mehr der Identifizierung halber: 2010 haben Planen und Heringe einer modernen temporären Konzertmuschel weichen müssen. Ein eigens für den Veranstaltungsort konstruiertes Unikat, dessen Akustik zu Recht überregional gerühmt wird. Nostalgiker trauern dennoch immer noch dem luftig-himmelblauen Sternen-Zelt nach, das dem Zauber des Anfangs Quartier gab. Mehr Fellini war in Kassel nie.
Veritable Zelt-Atmosphäre können besagte Nostalgiker ab dem 21. August im benachbarten Vellmar schnuppern, beim Festival „Sommer im Park“, das heuer in die 19. Runde geht. Wie immer – dafür steht Gerhard Klenner, Kulturbeauftragter der Stadt Vellmar, Gründer und „Komponist“ der Reihe – ein ambitionierter Mix aus Publikumsmagneten (wie Volker Pispers oder Götz Alsmann, letzterer hat gleichsam ein Auftritts-Abonnement), Entdeckungen (wie die Wiener „Kernölamazonen“ ) und lokalen Highlights (wie das TIC-Theater im Centrum Kassel, dessen Markenzeichen kleine, feine, selbst gestrickte, ungemein originelle Musicals sind). Klenners Entdecker-Eros ist an dieser Stelle schon mehrmals gerühmt worden; er lässt sich auch im Herbstprogramm des „Piazza“, Vellmars Kleinkunstspielstätte, bei größerem Publikumsandrang stehen diverse Ersatzspielstätten zur Verfügung, mühelos nachvollziehen. Ein Glücksfall für diese kleine Stadt, ein Glücksfall aber auch für die Bewohner der wesentlich größeren Stadt Kassel, die, nach dem Finale ihres „Kulturzelt an der Drahtbrücke“, das sich seit einigen Jahren fast ausschließlich als hochkarätiges Musik-Festival versteht, nun die Hochkaräter aus Kabarett und Comedy aufsuchen können. Problemlos und engtaktig, auf der jüngst fertig gestellten Straßenbahntrasse.Nach Baunatal führt schon seit langem eine solche. Das ist gut so, denn auch das traditionell dem Frühherbst vorbehaltene Festival der VW-Stadt wartet mit Attraktionen auf. (Richard Rogler, um wenigstens eine zu nennen.)
Zehn Jahre gibt es nun schon die „Espenauer Kulturtage“, dieses Jahr ganz im Zeichen von Kabarett und Comedy. Und auch im „Wirtshaus zum Grünen See“ in Eiterhagen findet etwas statt, was man getrost unter „Festival“ rubrizieren dürfte: die „Nordhessische Mundartwoche“. Hier beweisen Größen wie Karl Garff, der Entdecker und Bewahrer des „nordhessischen Quetschlauts“, oder Almut Weingart mit ihrer unablässig schnuddelnden Kunstfigur „Annchen“ eindrucksvoll die Kabaretttauglichkeit des regionalen Idioms.
Das „Wirtshaus zum Grünen See“ macht seit sechs Jahren Programm; seit zwei Jahren bietet auch „Rinklins Gartenwelt“ der Kabarettszene ein Zuhause. Nimmt man noch das bereits zu Ende gegangene Festival „Open Flair“ in Eschwege und das uns erst in der kalten Jahreszeit erfreuende „Wintervarieté“ in der Konzertscheune Calden hinzu, spätestens dann wird klar: Nordhessen ist ein Dorado für die Kleinkunst. Nicht nur die Metropole Kassel. Vor allem eben der Speckgürtel.
Lokales Highlight - das TIC-Theater im Centrum Kassels
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Redaktion: Verena Joos