Sie karikieren Pfarrer, Politiker, Berühmtheiten und alle, die aus dem üblichen Rahmen fallen, es sind die einheimischen Oldenburger Kabarettmacher, die in diesem Jahr im Mittelpunkt der 7. Oldenburger Kabarett -Tage standen. Viermal Oldenburger Heimspiel, dazu gehörten das Duo Coch & Jochem, das Duo Seyfarth & Störmer, der Solist Andre Eberlei und das Ensemble SPUNK. Angeführt wurden die diesjährigen Kleinkunsttage in Oldenburg von dem Deutschen Kleinkunstpreisträger 2000 Urban Priol („Alles bezahlt!„). Acht Abende waren es insgesamt. Das auf den Nägeln brennende Thema : „Vorsicht Falschgeld!„ war durchgehendes Motiv der Reihe . Dazu hatten auch noch Martin Buchholz, Erwin Grosche, Georg Schramm, Matthias Deutschmann und Horst Schroth neben Lilo Wanders einiges mitzureden.
Das scharfzüngige Solo-Genie Martin Buchholz produzierte mal wieder gekonnt wie immer witzige Aphorismen, satirische Spitzen und doppeldeutige Pointen am laufenden Band. Er geht den Worten mit seismographischer Sensibilität an die etymologischen Wurzeln, dreht und erweitert, wendet und wandelt sie spielerisch so lange, bis sich Zusammenhänge zeigen, die vorher nicht zu ahnen waren. So zieht er mit Leichtigkeit zwischen dem Garten Eden und dem Eros Center mühelos Verbindungen, die dann auch tatsächlich überzeugen.
Dass allerdings der Auftritt von Lilo Wanders in der Oldenburger Kulturetage im Rahmen der 7. Oldenburger Kabarett-Tage eine Enttäuschung war, konnte man voraussehen. Halbherzigkeit und Unter-die-Gürtellinien-Niveau lassen sich die Oldenburger nicht gefallen. Ein Boulevardname allein ist einfach zu wenig. Aber es gibt ja auch noch andere weibliche Kabarett-Choriphäen , die sich im UNIKUM (Oldenburg) die Ehre geben. Die aus München kommende Comedy-Rakete Martina Ottmann ist nicht nur als „olivgrünes Bundesluder„ saukomisch. Das Duo Barbara Ruscher und Beate Rademacher lassen mit Krallen und Streicheleinheiten ihrer süffisanten Lust an Peinlichkeiten freien Lauf und die enorm wandlungsfähige Bärbel Nolden blufft mit ihren Szenen im allerbesten Sinne, wobei ihre Stimme ungeahnte Resultate produziert.
Nostalgie dagegen, fein dosiert und mit Gel im Haar, zeigen die beiden Berliner Sady Augsburger und Michael Hess, bekannt als Duo Schall & Hauch, Preisträger des Chanson-Wettbewerbs „Zarah 2001„, im Wilhelmshavener Pumpwerk. „Zitronenblau„ heißt ihr 5. Programm mit Couplets und Chansons. Klassiker wie Otto Reuter oder die Comedian Harmonists werden in schöner Weise in Erinnerung gebracht.
Nach Gastspielen in Chile und Kuba ist Alvaro Solar wieder im Lande, und sein Erfolgsdauerbrenner „Johann Padan entdeckt Amerika„ ( Dario Fo) ist wieder auf deutschen Bühnen zu erleben. Nach Gastspielen im Münchener Volkstheater stand er im Februar auf der Variete-Bühne des Bremer Scenario. Es soll immer noch Leute geben, die das Stück noch nicht gesehen haben. Und im Hütthofer METRONOM inszeniert Alvaro Solar das Sean O’Casey-Stück „Das Ende vom Anfang„, eine Männerfreundschaft in einem schnöden Alltag, der ständig überall dazwischenkommt und dem man nur über ungeheure Slapstick-Manöver begegnen kann. Übrigens, Hütthof ist ein 20 Seelen-Ort zwischen Bremen, Hamburg und Hannover. Hier haben 1985 Karin Schroeder und Andreas Goehrt, beides Schauspieler, das Theater MOTRONOM ins Leben gerufen. Was als Tourneetheater begann ist heute eine anerkannte Bühne mit 120 Plätzen und als Bestandteil im Kulturleben der Region nicht mehr wegzudenken. 60 Veranstaltungen im Jahr werden geboten und fast immer ist das Haus ausverkauft. Von Theatermüdigkeit kann hier nicht gesprochen werden und das in einem Ort von 20 Einwohnern.
Im Jungen Theater in Bremen müssen zwei Reihen genannt werden. Die Bremer Neuentdeckung Die Golden Flamingos spielen „die Todesspirale„, Entertainment, Musikshow, Comedy und Krimi, komprimiert zu einer Krimi-Operette. Unter dem Titel „Ecce Müller„ gastiert auch hier gleich an mehreren Abenden die Gelsenkirchnerin Margot Müller: „...gesagt wurde mir, ich bin das Ebenbild Gottes, aussehen tue ich aber wie meine Mutter...„
Was gab es noch? Im Bremer KITO gedachten vier Top-Kabarettisten, Volkmar Staub, Frank Sauer, Florian Schroeder und Günter Fortmeier der einmaligen Bandbreite Heinz Erhardtscher Poesie. Zeitlose und verblüffend aktuell gebliebene Texte aus den 50ern sowie brandaktuelle Gesellschaftskritik beinhalten das von KITOer Hausautor Klaus Petzer Schreiner dargebotene Soloprogramm „Meistersatiren„.
Das Varietè total SCENARIO (Bremen) fährt fort mit großartigen Programmen. „Alles läuft leichter„ im März, „April! April!„ im April. Es lohnt sich, hinzugehen.
Das Kulturprogramm der Arbeitnehmerkammer Bremerhaven im CAPITOL reizt weiterhin mit absoluten Kabarett-Spitzen. So kamen in den hohen Norden – kein Weg ist dafür zu weit!„- neben Martin Buchholz („Euro, Eros, SEX and Crime„), Andreas Reber („ziemlich dicht„) und Mathias Deutschmann (Streng vertraulich„) auch Hertha Schwätzig („Das Leben ist Hertha„), Stephan Bauer („gespielte Höhepunkte„), Reiner Kröhnert („sieben gegen Schroeder„,) und Django Asül („Autark„).
Nicht so üppig wie der Bonner mit 40 000 ? dotierte Kabarett-Preis Prix Pantheon, der in diesem Jahr dem Kabarettisten Gerhard Polt für die Verdienste der Aufrechterhaltung des Erbes von Karl Valentin und Dario Fo verliehen wurde, fiel der Wilhelmshavener Kleinkunstpreis „Knurrhahn„ aus. In diesem Jahr wurde diese begehrenswerte Trophäe dem Hannoveraner WO-WO-isten und Wortjongleur Friedhelm Kändler, der das Gedankengut des Merz-DaDa-isten Kurt Schwitters in seinem Oeuvre immer wieder durchscheinen lässt, verliehen. Trottoir gratuliert beiden Preisträgern ganz herzlich und wünscht weiterhin große Erfolge mit neuen Produktionen.
Redaktion: Klaus Groh
14. 09. 2002 Bernd Lafrenz Shakespeare- frei und komisch
06.-22.11.2002 7. Satirefestival „SATIRICA 2002„
12. u. 13. 06. 2002 Alex Cunningham & Andre Eberlei „Das Endspiel„
27.06.2002 Offene Bühne für NEW COMER
04.06.2002 Verleihung des diesjährigen Kleinkunstpreises KNURRHAHN
an Friedhelm Kändler
31.08.2002 Luise Kinseher „Ende der Ausbaustrecke„
11.09.2002 Richard Rogler neues Programm
14.—28. 11.2002 „8. Internationales Festival der Kleinkunst„
02.-30.10.2002 „11. Ammerländer Kabarett- und Kleinkunsttage 2002„
02. 10. 2002 BiblaBlu Musikkabarett
09. 10. 2002Gerlinde Kempendorff „Diseuse goes Opera„
16.10. 2002 M. Iser & Th. Duda „Schneewittchen„
23.10. 2002 Kabarett A-Z „Hirnlos glücklich„
30. 10. 2002 First Ladies „First Ladies„
21.06.2002 Anja Haentjes „ Das bischen Haushalt„
31.08.2002 Luise Kinseher „Ende der Ausbaustrecke„
07.06.2002 Kerim Pamuk „Mann & Mäuschen„
16.06.2002 Bärbel Nolden „Bärbel blufft„
AdNr:1093
2002-06-15 | Nr. 35 | Weitere Artikel von: Klaus Groh