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    14. Kulturbörse Freiburg: eine Nachlese

    Zahlreiche Änderungen gaben der diesjährigen Kulturbörse Freiburg vom 08.-11. April eine neue Struktur, von der Aussteller und Künstler gleichermaßen profitiert haben dürften. Erstmals lud ein Spiegelzelt nicht nur an den Veranstaltungsabenden zum gemütlichen Beisammensein und Gedankenaustausch, sondern war auch tagsüber Ruhezone, Verhandlungs- und Veranstaltungsort abseits des bunten Treibens. Aussteller, die sich im Spiegelzelt präsentierten, hatten allerdings ihre liebe Not, neben dem Ruhebedürfnis der meisten Besucher bestehen zu können. Parallel zum Messegeschehen wurde eine Seminar und Workshop Reihe angeboten, die sich mit Themen wie "Ausländersteuer" und "Künstlersozialabgabe" gezielt an das Fachpublikum wandte. Den Außenauftritten wurden im Wechselspiel zu den Kurzauftritten in der Halle feste Programmzeiten und Auftrittsplätze zugewiesen, so dass es zu keinen Programm Überschneidungen kam. Dadurch wurde das Außenprogramm eindeutig aufgewertet. Die Wahrnehmung der verschiedenen Akts blieb nicht wie noch auf der 13. Kulturbörse dem Zufall überlassen, sondern die Künstler wurden per Lautsprecheransage gezielt angekündigt.

    Zu den spektakulärsten Kurzauftritten im Außenbereich gehörte die Darbietung "Moving Spirits" des Zebra Stelzentheaters. Vor der untergehenden Sonne - stimmungsvoller hätte man den Programmpunkt nicht plazieren können - entspann sich ein mythenhafter Kampf der Masken. Feuer und Lichteffekte, Tanz und Live-Percussion unterstützen die archaische Szenerie. Von afrikanischen Masken inspiriert, sind die Figuren von eindrucksvoller Formen und Farben Vielfalt. Gekonnt inszenierte Höhepunkte, wie die Geburt des Vogeldämons und das Erscheinen des mächtigen Fürsten der Dunkelheit, verschmolzen alle aufgebotenen Komponenten zu einer packenden Dramaturgie. Der Akrobat Noah hingegen hat mit seiner "A-Klo-batik" vor der Messehalle zwar den Griff ins Klo gewagt, sich damit aber die Gunst des Publikums keinesfalls verscherzt. Astreine Stangenakrobatik nach chinesischem Vorbild, die mit dem Charme des Stummfilm Helden Buster Keaton eine kleine Geschichte rund um ein menschliches Bedürfnis erzählte. Man konnte getrost zu ihm aufsehen.

    Die Kulturbörse Freiburg hat in der Tat einen besonderen Flair. Hier treffen Künstler auf Agenten, hier scheidet sich unter den kritischen Augen eines Fachpublikums Gewinnbringendes vom wenig lukrativen Nischenprogramm. Was man sieht, kann direkt eingekauft werden. Für die Künstler eine Möglichkeit, den eigenen Marktwert auf direktem Wege zu erkunden. Auf der Bühne entsteht dadurch leider auch der Druck, sich in kurzer Zeit möglichst optimal zu präsentieren. Ungewollt finden sich Künstler der unterschiedlichsten Sparten in einer Konkurrenzsituation, die dem klassischen Bühnen-Casting ähnelt. "Bühnen-Menschenhändler" war eine ironisch witzige Randbemerkung, die nicht nur einmal von der Bühne herab ins Publikum gegeben wurde und jedesmal mit einem Schmunzeln der Fachleute goutiert wurde. Wo nicht derart offen angesprochen, konnte man bei vielen Darbietungen die Anspannung auf der Bühne in der Steifheit der Präsentation spüren. Von der schnellen Nummer des Kurzauftritts profitierten vor allem Tempo reiche Akts. Mit der Gefahr auf der Strecke zu bleiben, gingen Darbietungen an den Start, deren Aussage sich nicht in nur knapp 15 bis 30 Minuten erschließt und für den schnellen Konsum eigentlich nicht taugt. So hatte die fünfköpfige Truppe die virtuellen Bienen mit ihrer Multimedia-Performance "Likeness" eigentlich von vorne herein keine Chance in den zu knapp bemessenen 15 Minuten das Publikum zu überzeugen. Die Choreographie aus Tanz, Musik, Videoprojektionen und Hinterglasmalerei erwies sich als zu sperrig für den flüchtigen Eindruck. Mehr kann man vom Konzept der Kurzauftritte nicht erwarten. Bei dem schnellen Tempo der wechselnden Genres kann keine Atmosphäre aufkommen, die Kontemplation und Versenkung beim Publikum fördert. Im Wechselbad der Darbietungen gehen feinere Nuancen verloren und es setzt sich durch, wer entweder laut und spektakulär agiert oder den Olymp schon längst erreicht hat, wie Bülent Ceylan, der frisch gebackene baden-württembergische Kleinkunst-Preisträger.

    Mit seinen blitzschnellen Metamorphosen hat es der Mannheimer Kabarettist Deutsch Türkischer Abstammung geschafft, in 30 Minuten das Publikum durch seine unglaubliche Wandlungsfähigkeit und sein atemberaubendes Tempo zu packen.

    Die Reaktion des Fachpublikums im Saal ist nicht immer Gradmesser dessen, was draußen im wirklichen Veranstaltungsleben gefragt ist. Nicht so viel Zuspruch bei den Veranstaltern fanden die Aufführungen der Improvisationstheater, die sich im Rahmen der Börse erstmals als eigenständiges Genre im Spiegelzelt und im Außenbereich präsentierten und als Publikumstrend angekündigt waren. Alternative Ansätze haben noch nie zum Kassenschlager getaugt und so war hier die Stimmung bei den Veranstaltern eher von verhaltener Neugierde geprägt.

    Besonders gefreut haben dürfte es die Aussteller, dass der Vormittag nur den Messeständen und den Seminaren vorbehalten war und die Kurzauftritte erst ab Mittag über die Bühne gingen. Durch die Verlagerung der Kurzauftritte bis in die späten Abendstunden konnten sich nach Ausstellungsende um 20 Uhr auch Veranstalter, die mit einem Messestand vertreten waren, ins Publikum mischen. Gut doppelt so viele Besucher drängten sich so nach 20 Uhr am Einlaß zum Theatersaal der Messehalle 2. Ein mit über 400 Zuschauern zum bersten voller Saal ließ das Abendprogramm zum täglichen Glanzpunkt der Börse werden.

     

     

    2002-06-15 | Nr. 35 |





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