Urst? Kennen mittlerweile sogar wir West-Berliner. Bedeutet: sehr oder großartig, toll. Kommt aus der DDR-Jugendsprache. Darin kennt sich der Schauspieler Thomas Nicolai aus, er ist gebürtiger Leipziger.
Die Gaarmen!
Klar kann der Mann also Sächsisch, den lustigsten Dialekt überhaupt (finden wir Berliner). Irgendwann im Laufe des äußerst vergnüglichen Abends im Klub „Kookaburra“ in Berlin-Mitte wird Nicolai nämlich zu Patrick Schleifer aus Skoiditz. Im grässlich grün-gelben Pullover mit Rautenmuster steht er auf der Bühne und träumt von der „Gaarmen“ aus der Essenausgabe, seine Freundin. Und wenn die „Gantri-Musik“ hört, dann geht die richtig ab, erzählt Schleifer. Und das dürfen wir dann gleich mal miterleben. Robert Neumann, der Nicolai am Keyboard begleitet, erscheint im großgeblümten Kleid, tanzt ungelenk und mit unbeweglicher Miene - Schleifer ist begeistert! Wir ebenso.
Traffic noir
Dieser Moment ist einer der Höhepunkte von Nicolais Programm, das mit Pause über zwei Stunden geht. Ein Programm voller Comedy- und Music-Acts. Und voller Menschen, Promis und Geschichten, die Nicolai lebendig werden lässt. Beginnt aber mit einem außerge-wöhnlichen Konzert der belgischen – noch unbekannten – Electro-Pop-Gruppe Traffic noir.
Ich bin sehr stolz und glücklich bei dieser Show das erste Mal einen fantastischen Support dabei zu haben. Und noch dazu ist es meine absolute Lieblingsband. TRAFFIC NOIR machen großartige Musik. Und wer sie bis jetzt noch nicht kennt, der wird auf unserer "URST"-Tour Gelegenheit haben die beiden sympathischen Belgier LIVE zu erleben.
Das schreibt Nicolai auf seiner Webseite und präsentiert sogar noch einen ausführlichen Artikel aus der fiktiven Zeitschrift „Spack“. Traffic noir, das sind natürlich Nicolai und Neumann, aber sie präsentieren ihre Band mit einer solchen Verve und Natürlichkeit, dass man manchmal denkt, dass da vielleicht doch zwei Belgier…
WG mit Klaus Kinski
In der schrägen Promi-WG, in der sich Martin Semmelrogge, Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Thomas Gottschalk und Klaus Kinski (Hilfe!) tummeln, imitiert Nicolai treffsicher und beeindruckend jeden Einzelnen, und wechselt von einem zum Anderen in einer meisterhaften Geschwindigkeit.
Aber er kann noch mehr: den Dieter aus Kreuzberg, ein richtiger Berliner, der seinen veganen Schwiegersohn zum Abendessen eingeladen hat, die Chansonette Giselle – die "letzte noch lebende Schülerin von Edith Piaf" mit einem Lieb über Schwaben in Berlin, und einen Vertreter der NDW – der „neuen deutsche Weinerlichkeit", den jungen Tübinger Patrick Poisel. Wie der mit hängenden Schultern besingt, wie scheiße es ihm geht, ist urst komisch. Ein bisschen Flamenco gibt es auch, wenn der Mann vom Finanzamt kommt und der verzweifelte Steuerzahler nicht mehr weiß, wie’s weitergeht. Und sogar Opernfreunde, die sich mit den Tücken der Neuzeit herumschlagen müssen, kommen bei URST auf ihre Kosten.
Der Mann kann alles
Thomas Nicolai kann nicht nur parodieren und dabei witzig sein, er beherrscht auch alle möglichen Musikgenres, und Robert Neumann ebenso. Ein Profi, der sein Schauspielhandwerk an der Hochschule „Ernst Busch“ gelernt hat und im Grips-Theater bei Linie 1 debütierte. Comedy, Parodie und Musik – Nicolai ist urst-begabt!
Redaktion: Katrin Schielke
Bildnachweis:
Thomas Nicolai Foto: Bernd Brundert