Und dann kam er! Zu seinem praktisch letzten Auftritt überhaupt! Werner Schneyder kam ins Renitenztheater. 75 Minuten knallhartes, intelligentes Kabarett, zeitnah, wie man es von einem Achtzigjährigen auf Abschiedstour nicht unbedingt erwartet. Fast ist es noch Nummernkabarett, nach einem politischen Thema schließt er seinen Block mit einer passenden Gesangsnummer ab, hervorragend begleitet von seinem Dauerpianisten Christoph Pauli.
Wie bei Georg Kreisler ist man nicht überrascht, wenn ein dreißig Jahre altes Lied immer noch topaktuell ist. Politisch ist ja Vieles beim Alten geblieben. Die Politiker sind nach wie vor dumm, die Professoren bestechlich oder umgekehrt. Beide reden immer noch so einen kapitalistischen Unsinn wie „Wachstum soll Probleme lösen!“. Löhne werden gedrückt, scheinbar damit man Standorte halten kann. Wenn Schneyder diesen Schwachsinn der eben Genannten persifliert, erntet er laute Lacher und kräftigen Applaus. „Arbeit macht nicht frei sondern müde“! Im Zeitalter von Internet und Industrie 4.0 wäre eher ein bedingungsloses Grundeinkommen angesagt, statt dass immer weniger Leute doppelt so viel arbeiten müssen wie früher und das zum gleichen Lohn. Angesagt ist „Mut zur Faulheit“, hervorragend dokumentiert in einem Buch mit Beiträgen von Heine, Tucholsky, Kästner, Schollenbruch und Böll. Drei Stunden Arbeitszeit am Tag und Recht auf Gewinnbeteiligung sind angesagt. Es dauert wohl noch etwas, bis Polit-Ticker und Gewerkschaften das endlich begreifen! Wieso ein verurteilter, krimineller Banker immer noch 3600 Euro Pension am Tag bekommt, kann wohl niemand begreifen. Zur AfD und NPD wundert Schneyder sich, dass kein Verbot für Ewiggestrige zustande kommt, obwohl die Abschaffung der Demokratie in den Programmen der Ultrarechten steht.
Ein weiteres schönes Zitat: „Trump ist so blöd, wie alle aus der Familie Bush mit Haustier zusammen!“. Aber selbst unter dem vielgeliebten Obama ist aus „Yes we can“ ein „May be we could“ in den USA geworden. Und die amerikanischen Armen haben dafür gestimmt, dass Reiche weniger Steuern zahlen, weil sie eventuell in einigen Dekaden auch reich werden könnten. Bevor er mit dem Song „Ich bin konservativ“ augenzwinkernd in die Pause geht, kündigt er noch seinen reinen Chanson-Teil für die zweite Halbzeit an. Sportreporter, Autor, Kabarettist, Sänger, Schauspieler – z.B. „Sonny Boys“ mit Dieter Hildebrand – und Regisseur von Dramen, Komödien und Opern. Vielseitiger kann man als Künstler kaum sein, dynamisch, schlau, gewitzt. Dem zwei Meter Mann wünschen wir einen tollen Unruhestand!
Im Sommerprogramm des Stuttgarter Renitenztheaters präsentierte Peter Vollmer vor ausverkauften Haus sein drittes Männer- und Frauenprogramm mit dem Titel: „Er hat die Hosen an, sie sagt ihm, welche! Das Programm ist klar gegliedert. Immer ein zehnminütiger Sprechteil, dem ein kommentierender Song folgt. Gnadenlos werden Männer karikiert, die jeden Satz mit „Meine Frau hat gesagt...“ beginnen. Männer und Jogginghosen, aus denen sie immer die Kordel verlieren, Männer und Falten, Kosmetik und Autos. Schlag auf Schlag hagelt es Pointen. Über Schwiegermütter, Sex, Fernbedienungen am TV, Witze über Bush, Obama und Trump. Die Songs bestehen aus bekannten Melodien, die sich gut zum Mitsingen eignen: Atemlos, Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, Guantanamera oder Volkslieder. Frauen, die nach einem Kneipengang des Mannes mit einem Besen hinter der Tür stehen, müssen sich fragen lassen: „Sauber machen oder Wegfliegen?“ Den Gegensatz zwischen Vegetariern und Fleischliebhabern treibt Vollmer auf die Spitze: „Bauer mordet Weizen!“ und „Wie mach ich aus Hackfleisch Salat?“. Gesundheit, Bärte, Alter und Schule sind weitere Themen. Manchmal wünscht man sich zwischen den Lachsalven eine kleine Pause. Peter Vollmer hat sein Thema gefunden, der lang anhaltende Applaus und mehrere Zugaben bei 35 Grad im Schatten sprechen für sich.
Volker Diefes ist genau wie Vollmer aus einem bekannten Duo hervorgegangen. Er war die Rampensau im Duo die „Scheinheiligen“ mit Christian Ehring an seiner Seite, schon damals ein hervorragender Pianist und Texter; die Gruppe schloss sich anschließend dem Kom(m)ödchen an. Diefes als Solist geht nah ans Publikum ran, inhaltlich und körperlich. Wenn er von einem Paar in der ersten Reihe den Mann auf die Bühne holt und dessen Partnerin mit Gesang auf den Knien an-schmachtet, während ihr Partner Volker zurück-ziehen muss. Auch zum Abschluss des Konzertes eilt Diefes zum Ausgang und verabschiedet jeden Besucher mit Handschlag. Ein Kabarettist zum Anfassen, im wahrsten Sinne des Wortes! Auch Äußerlich hat der er sich verändert. Früher mit kurzen Haaren im edlen Anzug, heute in Jeans und T-Shirt, das so durchgeschwitzt ist, dass er es in der Pause wechseln muss. Aus dem braven Haarschnitt ist eine Mähne mit Zopf geworden, wie man sie bei Wrestlern kennt.
Hagen Rether, den ich vor 12 Jahren im Renitenztheater kennengelernt habe, hat sich etwas verändert. Angriffslustig ist er weiterhin, vielleicht noch heftiger als früher. Die Nazi-Armbinde ist verschwunden, der Joghurtbecher auch, das Klavier wird in den ersten drei Stunden des Programms nicht benutzt, ebenfalls die Bananen, die er gegen Ende ins Publikum wirft.
Er übertrifft rein zeitlich gesehen bei Weitem Biermann, Wecker und Kittner, die es in ihren Programmen nur auf gut drei Stunden brachten. Aber wie bei den Genannten wird Hagen für seine geschliffenen und politischen Aussagen ständig durch lauten Zwischenapplaus unterbrochen. So ist das in „Liebe – Teil 6“. Das Theaterhaus Stuttgart, in dem das Renitenztheater den Abend präsentiert, ist auch bei rund 1000 Plätzen ausverkauft! Inhaltlich verrat ich mal nichts. Immer für eine Überraschung gut. Wer mehr wissen will, hört einfach mal in die CD „LIEBE 6“ hinein oder in „LIEBE 1-5“ zum Sonderpreis. Auf jeden Fall gut ausgeruht hinkommen, und wer am nächsten Tag statt um 5 Uhr lieber um 11 aufstehen kann, ist auf der richtigen Seite!
Professor Harald Vogel: „Keller der Galgenstricke“ in Esslingen. Zum zweihundertsten Geburtstag von Theodor Storm präsentierte Vogel sein rund 50. Literaturprogramm. Variationsreich rezitiert er die Texte – wer macht das heute noch – sein Begleiter an Klavier und Gitarre unterstützt ihn kongenial und mit einer Lautstärke, die genau zur Stimme passt, mit Klavier und Gitarre, die manchmal mit einem Geigenbogen gestrichen wird. Außerdem begelietet er den Professor im Unruhestand mit Perkussions-Einfällen. Es ist das 23. Programm, dass die beiden machen und das von der VHS mitgetragen wird. Der Ort ist meistens das „Kabarett der Galgenstricke“. Wie aktuell und humorvoll und sensibel die Stormtexte und Lieder sein können, verblüfft. Oft arbeitet Vogel auch sehr politisch, wenn er zum Beispiel einen Heine-, Kästner- oder Tucholsky-Abend präsentiert. Zu jedem der 50 Programme hat er ein Buch herausgebracht. Es gibt auch eine aktuelle DVD , Bücher über Kabarett, wissenschaftliche Abhandlungen und Vieles mehr. Ein gelungener Abend, nicht nur für die Generation 50+!
Festival-Overkill in Stuttgart
Neben den angesagten Stuttgarter Kleinkunstbühnen mit vollen Monatsprogrammen gab es parallel dazu praktisch ein halbes Dutzend Festivals unterschiedlichster Stilrichtungen in den ersten beiden Juliwochen.
Jazz Open Stuttgart
Mittlerweile hat Stuttgart ein Format wie Montreux erreicht, nur dass die Karten hier noch bezahlbar sind. Am zweiten Tag hatten die Veranstalter einen der wenigen Duoauftritte von Lee Ritenour und Dave Grusin präsentiert. Und dies zum ersten Mal in einer historischen Spielstätte, im Innenhof des „Alten Schlosses“. Als Spielort eine Premiere. Schon 1984 hatten das Duo die Platte „Harlequin“ herausgebracht, ein Meilenstein in ihrer Stilrichtung. Grusin hat bereits einen Oscar und rund 15 Grammys für seine rund 50 Filmmusiken bekommen, unter anderem für „Die Reifeprüfung“ und „Die fabelhaften Baker Boys“. Auch Ritenour bekam einen Grammy, war zwanzig Mal dafür nominiert und hat über 40 Alben aufgenommen, unter anderem in seiner Zeit bei Fourplay. Die Erwartungen an die beiden wurden mehr als erfüllt. Das exzellente Spiel von Lee, atemberaubende Soli, rhythmische Kaskaden passen sehr gut zu Grusins Pianoklängen und Keyboardpassagen. Der Sound ist angenehm abgestimmt, ruhige bis rockige Stück halten sich die Waage. Immer wieder gibt es vom fachkundigen Publikum Zwischenapplaus. Humorvolle Ansagen würzen diesen musikalischen Höhepunkt.
Auf dem Innenhof des „Neuen Schlosses“ für 6500 Zuschauer spielten in der „Bluesrock Night“ Beth Hart, Steve Winwood und Buddy Guy. Nach der Eröffnung durch Hart mit ihrer ausgezeichneten Bluesstimme spielte Winwood viele Hits aus seiner Karriere, die mit der Spencer Davies Group begann, über Traffic und Blind Face zu seiner Soloarbeit führte. Genial an der Hammond Orgel, die bei „I`m A Man“ und bei „Gimme Some Loving“
dominiert. Neben seinen Solohits wie „Higher Love“ spielte er natürlich auch „Mr. Fantasy“ und „Can`t Find My Way Home“. Ironisch hatte er seinen Auftritt als „Old Time Music“ angesagt. Die Stimme des 69jährigen hat immer noch die Kraft wie zu seinem Karrierebeginn in den Mittsechzigern, sein Gitarrenspiel kann sich mit vielen Legenden messen.
Passend danach der reine Bluesgig mit Buddy Guy, rotes Hemd und weiße Mütze, über 80, Vorbild von Hendrix und Clapton, was er ironisch gegen Ende des Abends zelebriert, wenn er die Gitarre auf den Rücken nimmt und „All along the Watchtower“ anspielt. Immer wieder erzielt er Lacherfolge, wenn er die Gitarre mit seiner Kleidung, mit dem Finger eines Roadies oder einem Drumstick spielt. Tolle Soli, eingebaute überraschende Pausen, mal feiert er musikalisch sein Vorbild John Lee Hooker, mal überrascht er mit „Fever“, „Strange Brew“ oder Anklänge an „Sunshine Of You Love“. Ein ausgezeichneter Entertainer, der das Publikum verzaubert. Und er steigert den Kontakt an diesem lauen Sommerabend, wenn er sich mit der Gitarre durch die Zuschauerreihen bewegt. Wer weiß, ob dieser ausgezeichnete Bluesgitarrist und Sänger in Deutschland noch mal zu sehen sein wird.
Auf der gleichen Bühne einen Tag später Tom Jones. Als Vorgruppe hatte bereits „Electro Deluxe“ aus Frankreich, eine Jazz und Funkgruppe mit einer tollen Bläserformation, den Saal angeheizt. Der extrovertierte Sänger James Copley brachte die Hälfte des Publikums dazu, von ihren Stühlen aufzuspringen und zu tanzen.
Dann der mit Spannung erwartete Auftritt von Tom Jones. Mit seinem hochprofessionellen Auftreten und seiner ausgezeichneten Stimme spielte er ein Gemisch aus unbekannteren Stücken und Hits aus den Sechzigern wie „Delilah“, „Green, Green Grass Of Home“, What`s New Pussycat“, „It`s not unusal“ und natürlich aus den letzten beiden Dekaden Songs wie „Sexbomb“ oder „Kiss“. Neben Rock- und Beatelementen gibt es Anklänge an Gospel- oder Countrysongs, auch diese hervorragend interpretiert. Immer wieder springt das Publikum von den Stühlen, tanzt, klatscht oder singt begeistert mit. Natürlich wird er von einer Topband begleitet, ob Sologitarre, Trombone, Akkordeon, Hammondorgel, Bläser oder Keyboard, die Mischung stimmt, die Stimme bleibt immer kräftig und klar im Vordergrund. Song mäßig ein Bilderbuchbogen vom 50er Jahres Rock bis zur Gegenwart. Noch mal ein absoluter Höhepunkt auf diesem 24. Jazzopen, auf dem in den zurückliegenden Jahren fast alle Spitzenkönner der Jazzszene und ausgezeichnete Interpreten aus anderen Stilrichtungen aufgetreten sind.
Redaktion: Bruno Schollenbruch
Rosenau:
02.12.17 M. Schwarzmann: „Genau richtig.“ Ort:Theaterhaus Stuttgart
07.12.17 Carmela de Feo: „Wünsch dir was!” – La Signoras Weihnachtsshow
14. 12.17 Michael Altinger: „Meine Heilige Familie” – ein Weihnachtsprogramm
27. 12.17 Jo Jung, Ruth Sabadino & Boogaloo!: Christmas Crime Stories
30. 12.17 Wolfgang Seljé: "Nemm dr was raus“
06.01.2018 Uta Köbenick: „Grund für Liebe – politisch, zärtlich, schön“
10.01.18 Dr. E. von Hirschhausen: „Endlich – das neue Programm
13.01.18 Ernst Mantel: „HA KOMM!
16.01.18 Nico Semsrott: „Freude ist nur ein Mangel an Informationen 3.0 Ort: Theaterhaus
19. 01.18 Timo Wopp: „Best of Jahreswechsel“
26. 01.18 Hans Gerzlich: „Und wie war dein Tag, Schatz?“ Ort: Theaterhaus Stuttgart
27. 01.18 Quatsch Comedy Club: S.Stäblein, Stöckel, Leukert, H. Siam,
Moderation: Roberto Capitoni Ort: SpardaWelt EVENTCENTER
31. 01.18 Rolf Miller: „Alles andere ist primär“
22.10.17 Michael Hazitus Echstasy
25.10.17 Thomas Freitag Europa
27.10.17 Christoph Sieber Hoffnungslos optimistisch
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10.11.17 Tina Teubner & Ben Süverkrüp Wenn du mich verlässt, komm ich mit
28.11.17 Bernd Stelter Wer heiratet, teilt sich die Sorgen...
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13.12.17 Reiner Kröhnert XXL – Große Parodistenkino
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12. 01.18 Arnulf Rating Tornado
Theaterhaus:
07.11.17 Anette Heiter Heiters Comedy Coctail
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18.11.17 Josef Hader
Esslingen
Galgenstricke:
28.10.17 Die Galgenstricke Zum Schießen – frisch durchgeladen
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04.11.17 Link Michel Frisch Dressiert
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26.11.17 Nils Heinrich Mach doch `n Foto davon
10.12.17 Boogaloo Crime Stories 17