Bauchtanz mit Zunge
Was braucht man als Türke in Deutschland, um wirklich integriert zu sein? Ein deutscher Name kann helfen. Horst zum Beispiel. So nannte sich Comedian und Tänzer Cihangir Gümüştürkmen dann irgendwann, als er im Jugendalter genug davon hatte, immer mit seinem Namen als „Gemüsemann“ aufgezogen zu werden. Noch besser aber war dann noch was Anderes: Schwul sein hilft! ruft Cihangir Gümüştürkmen triumphierend in seiner Show „Lale Lokum- Wechseljahre einer Tänzerin“ in der ufaFabrik, die er als Mann und als Frau bestreiten wird. Gut festhalten ist hier angesagt, denn es wird turbulent.
Gümüştürkmen driftet mit echtem komödiantischen Talent von einer wahnwitzigen Geschichte zur nächsten, quasselt sich gnadenlos durch den Abend, singt Remakes bekannter Lieder – „Wir sind gekommen, um zu bleiben“ (von Wir sind Helden), mit „Wir“ sind hier die türkischen Gastarbeiter gemeint – hält als türkischer Ratzinger eine Predigt. Manchmal geht einiges im Redefluss unter, manche Lieder klingen schräg, und über die verfehlte oder gelungene Integration haben uns in Berlin ja auch schon so einige Comedians mit Migrationshintergrund witzige Sachen erzählt.
Lale Lakum
Kurz vor der Pause aber schlüpft Cihangir Gümüştürkmen dann in seine zweite Rolle: ganz ohne Peinlichkeiten zieht er sich auf der Bühne aus und um. Und so wird aus dem sehr sympathischen, gut aussehenden Mann im schicken Anzug und roten Schuhen dann eine sehr sympathische, gut aussehende Frau, mit Brustattrappe, Perücke, schickem Kleid und natürlich hochhackigen Schuhen. Lole Lakum lebt! Als Vorgeschmack auf den zweiten Teil legt diese eine sensationell witzige Einlage hin, einen Bauchtanz mit Zunge, ein Tanz, sinnlich und doch zugleich klirrend komisch.
Einfach den Spiegel abnehmen
Nach der Pause dann leiden wir mit der in die Jahre gekommenen, ein bisschen moppeligen Tänzerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt angesichts ihrer Wechseljahrsbeschwerden: Haare im Gesicht, Schweißausbrüche und und und. Das Publikum – hauptsächlich aus Frauen in genau dieser Lebenszeit bestehend – weiß Bescheid und geht mit. Lole Lakum will nicht alleine dick werden und teilt gerne ihre Lokums mit dem Publikum. Wenn die Haare nicht sitzen, werden sie festgetuckert, und wenn der Spiegel zu viel Fett zeigt, muss man eben etwas abnehmen, und zwar den Spiegel! Verdammt gut tanzen kann diese Lole Lakum und jagt damit immer wieder die Stimmung im Publikum nach oben. Dalidas Lied „Parole, parole“ zum Abschied, in verschiedenen Sprachen gesungen, berührt, auch wenn hier ebenfalls die Gesangskunst hinter der Intention zurück bleibt.
Cihangir stand übrigens 1988 erstmals in Berlin auf der Bühne und gilt heute als Pionier des orientalischen Tanzvarietés in Deutschland. Unter dem Titel "Lale Lokum & Fatma Souad" zeichnet Cihangir Comics für das Magazin "Tanz Oriental", in dem er auch Artikel über den Orientalischen Tanz im Osmanischen Reich veröffentlicht hat.
Unter den vielen migrantischen Comedians wie Fatih Cevikkolu oder Murat Topal, die ebenfalls regelmäßig in der ufaFabrik auftreten, hat Cihangir Gümüstürkmen auf jeden Fall sein Alleinstellungsmerkmal gefunden: so lustig kann uns niemand anderes was über die Wechseljahre vortanzen.
Motley Monday- Open stage
Ab dem 11. September bis einschließlich Dezember 2017 präsentiert Cihangir Gümüştürkmen eine neue Show "Motley Monday – Open Stage" jeden Montag in der ufaFabrik. Eine Show mit Tanz, Comedy, Gesang, Artistik, Moderation und Lippen-synchronisation.
Redaktion: Katrin Schielke
Bildnachweis:
Motley Monday Foto:MichaelDunke
Lale Lokum Foto: Promo