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    Musical goes Kabarett - Die Stammzellformation



    „Musical muss neu geschrieben werden“.

    Klassische Musicals wirken oft künstlich, verstaubt und auf Hochglanz poliert. Nicht so die Musicals der Stammzellformation. Diese holen die Zuschauer im wahren Leben ab. Die Themen sind aktuell und die Dialoge herrlich frisch. Dabei sind die Stücke sehr satirisch, schwarzhumorig und kommen immer mit einer puristischen Ästhetik aus. Im Vordergrund steht die Geschichte, die Texte und die Darstellung der Schauspieler.

    artbild_180_112_034xj_NST_M2009 gründeten Tom van Hasselt (Autor und Komponist), Nini Stadlmann (Schauspielerin, künstlerische Mit-Entwicklung, Choreografie) und Hendrik Weber (Designer, Pressearbeit, Website-Gestaltung die Stammzellformation in Berlin.

    Inzwischen haben sie sogar schon den deutschen Musicalpreis gewonnen. Kein Wunder, denn die Künstler sind sehr erfahren darin, Kabarett auf dem Boden von Musical gedeihen zu lassen. Tom van Hasselt, der Autor und Komponist, kommt aus dem Kabarett-Bereich und wurde bereits als Georg Kreisler des 21.Jahrhunderts bezeichnet. Seine geistreichen Texte verleihen den Musicals der Stammzellformation eine ganz persönliche Note und einen kabarettistischen Stil. Nini Stadlmann, ausgebildete Musicaldarstellerin, lebt ihre künstlerische Ader schon immer im Bereich Chanson und Kabarett aus und schafft dadurch ebenfalls eine virtuose Verbindung in den Bereichen Tanz, Schauspiel, Gesang und Kabarett.

    Kassandra Knebel hat Nini Stadlmann für Trottoir-online interviewt.

    Kassandra Knebel:
    Hallo Nini

    Nini Stadlmann: Hallo Kassandra


    Kassandra Knebel:
    Ihr habt den Deutschen Musicalpreis gewonnen? Toll, ich gratuliere! Wie war das?

    artbild_350_Alma_Premiere_0Nini Stadlmann: Für Alma und das Genie (Bild Premiere) wurden wir für den Deutschen Musicalpreis 2015 in den Kategorien Beste Hauptdar-stellerin, Nini Stadlmann und Beste Liedtexte, Tom van Hasselt nominiert. Tom hat den Preis für die besten Liedtexte gewonnen. Der Deutsche Musicalpreis umfasst alle Uraufführungen im Bereich Musical in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es wurden 22 Uraufführ- ungen bewertet. Bei der Preisver-leihung im Tipi am Kanzleramt konnten wir einen wunderbaren Auftritt mit einer unserer Nummern machen und das Gefühl war wirklich erhebend. Es wirkte fast so, als stünden wir für einen Befreiungs- schlag der Musicalszene. Dass die meisten Stücke, die auf dem Markt sind, nicht besonders humorvoll sind, ist ja allgemein bekannt. Wir waren sehr dankbar, dass unsere ALMA so gewürdigt wurde.

    Wir waren auch schon öfter an einem Punkt, in den letzten 5 Jahren, wo wir dachten: Für wen machen wir das eigentlich? Es ist schwer, in Berlin Publikum zu finden, weil es ein unglaublich großes Angebot von gutem Theater gibt. Die Preisverleihung war für uns ein toller Kick nach oben. Jetzt freuen wir uns, dass wir im nächsten Jahr tolle Spielorte in Hamburg, Berlin, Köln, Wien und der Schweiz bekommen haben.


    Kassandra Knebel:
    Wie ist die Stammzellformation eigentlich entstanden?

    Nini Stadlmann: Ich erhielt 2007 im Sommer einen Anruf von Tom van Hasselt. Er hatte das Stück „Dr. Ich“ geschrieben und wollte gerne, dass ich in dem Musical mitspiele. Ich habe ja gesagt und daraufhin viele andere Kollegen aus der Musicalszene als Ensemble-Erweiterung vorgeschlagen. Ich habe die Choreographie für das Stück gemacht, und wir haben es im La Cappella in Bern uraufgeführt. Hendrik Weber hat damals alles drumrum organisiert und die Website-Gestaltung und Plakate gemacht. Daraus entstand der Wunsch nach einer weiteren Zusammenarbeit. Der Name Stammzellformation entstand ebenfalls über das Stück „Dr. Ich“. Aus einer Stammzelle kann alles entstehen. Sie ist wandelbar und kann zu etwas Großem werden. So sehen wir es auch mit unserer Company. Wir wollen ein großes Theatererlebnis mit kleinsten Mitteln erschaffen. 


    Kassandra Knebel:
    Ihr bringt Musical und Kabarett zusammen. Wie ist denn so Euer Humor?

    artbild_250_Alma_Premiere_0Nini Stadlmann: Wir lieben es, dem Publikum den Spiegel vorzuhalten. Themen aufzugreifen, die die Menschen in unserer Zeit bewegen. Unser erstes Erfolgsstück in Berlin 2010 war Mamma Macchiato – Das Musical, das der Prenzlauer Berg verdient.  Die Gentrifizierung wurde auf die Schippe genommen, die Latte-Macchiato-trinkenden Mütter und Ehefrauen der „neureichen“ Graphikdesigner und Hipsters.

    Trotzdem bleiben unsere Stücke nicht nur auf der Comedy-Ebene, die wir als sehr distanziert wahrnehmen. Die Figuren in unseren Stücken drücken ihre Sehnsüchte, Ängste und Probleme aus. Sie öffnen sich dem Publikum und berühren die Menschen. Darüber entsteht oft ein sehr viel tieferer, natürlicher Humor. (Bild Alma. Premiere)


    Kassandra Knebel:
     
    Wie würdest Du Eure Kunst, Eure Art und Weise beschreiben? 

    Nini Stadlmann: Ich finde, dass unsere Kunst darin besteht, völlig puristisch zu arbeiten. Wir konzentrieren uns in erster Linie auf das geschriebene Wort. Dieses muss komplett auf dem Punkt sein, so, dass bereits in einer Lesung eine Welt für den Zuschauer aufgeht. Das ist mir als Darstellerin sehr wichtig. Ich möchte eine Illusion schaffen, indem ich etwas erzähle, und nicht, indem ich ein tolles Kostüm in einem tollen Bühnenbild trage. Ich liebe die Ausdrucksform des Musicals: Singen, Spielen, Tanzen. Alles, was der Körper zur Verfügung hat, um eine Geschichte zu erzählen. 

    Oft finde ich in Musicals aber nur eine eindrucksvolle Show mit Effekten. Das empfinde ich als Ablenkung. Ich kann dann als Betrachter nicht mehr auf Text und Darstellung hören. Damit distanziere ich mich im Endeffekt emotional von den Schauspielern und es bleibt genau das Gegenteil von dem, was ich unter „Theater“ verstehe. Es bleibt kein Zauber.


    Kassandra Knebel:
     
    Eure Stücke: Bitte gib uns einen kurzen Überblick und beschreibe Eure Stücke mit ein paar Sätzen. 

    Nini Stadlmann: Unsere erste Produkton hieß. „Dr. Ich – Das Mikrobical“. Es geht – in Kurzfassung – um einen Hirnforscher, der den Nobelpreis gewinnen möchte. Er möchte das ICH vom Rest des Körpers trennen, und verschluckt sich dafür selbst. Allerdings landet er in seinem eigenen Darm, und findet die vier letzten lebenden Bakterien vor. Der Rest der Körpers ist von Pilzen befallen. 

    artbild_350_Drei_01Unsere zweite Produktion „Drei – Ein Musical für zwei“ (Bild) ist eine kleine Abrechnung mit dem Genre Musical an sich. Es ist ein Duo-Programm von Tom van Hasselt und mir, das unseren Weg mit der Theatergründung der Stammzellformation beschreibt. Das Leid einer Musical- darstellerin und eines Autors.

    Mamma Macchiato
    Die Geschwister Simone und Thomas wollen ein Cafe am Prenzlauer Berg eröffnen. Dieses läuft aber erst dann gut, nachdem sie unter dem Vorwand eines Massage-Institutes für stillende Mütter deren Muttermilch heimlich abzapfen und in den Kaffee mischen. Bis zur schwäbischen Mutter, die ihren Sohn Thomas nicht loslassen kann, kommen alle möglichen skurrilen Charaktere vor.

    Der Tod und die Mädchen – Das Ende des Musicals
    Zwei Frauen treffen sich auf einer Brücke, von der aus sie sich auf die Gleise vor den Zug in den Tod stürzen wollen. Aber die Deutsche Bahn kommt natürlich zu spät. Bzw. kommt gar nicht. Dann gehen sie erstmal einen Kaffee trinken und beginnen Pläne zu schmieden, wie sie sich noch umbringen könnten... . 

    Alma und das Genie
    Wiens Jahrhundertmuse ist zurück! Sie hatte sie alle. Alle Künste und deren Alpha-Männer: Musik (Mahler, Zemlinsky), Malerei (Klimt, Kokoschka), Literatur (Hauptmann, Werfel), Architektur (Gropius). Wer als kreativer Mitteleuropäer vor hundert Jahren etwas zu sagen hatte, bei dem zuhause hatte sie das sagen. Alma kehrt zurück auf die Erde und möchte an diesem Abend nicht nur ihren Ruf als Hochkulturschlampe zurechtrücken, sondern sich ein Denkmal setzen. Denn sie war die Muse vieler Künstler. Ohne sie – so meint Alma – hätte es viele Kunstwerke sicherlich nie gegeben.

    Kassandra Knebel: Und was ist Deine Lieblingsszene aus Euren Stücken?

    Nini Stadlmann: Der Monolog der Alma Mahler- Werfel, indem man versteht, warum sie ist, wie sie ist, und das darauf folgende Lied, in dem sie den Tod ihrer geliebten Tochter Manon Gropius besingt. Es ist das  „Berührendste“, das ich jemals in meinem Leben auf einer Bühne, in einer Rolle machen konnte.

    Kassandra Knebel: Wie arbeitet Ihr? Wie wird aus der Idee ein Musical?

    artbild_350_Drei_20110320_1Nini Stadlmann: Meistens hat Tom van Hasselt eine erste, großartige Idee. Er legt eigentlich immer den Grundstein. Dann setzen wir uns zusammen und reden viel über die Charaktere. Ich sage, was ich gerne spielen möchte, und meistens fordere ich für meine Rolle viel „Fleisch“ (also Substanz, Wendepunkte, Seelen-schau) ein. Tom lässt sich inspirieren, geht dann in sich und schreibt wieder weiter. Die Schönsten Arbeiten entstehen, wenn wir uns gegenseitig befruchten und die Ideen vom anderen aufgreifen, und dann wieder einen drauf setzen. (Bild DREI)

    Wenn ein Stück gereift ist, machen wir eine erste Lesung. Dann sehen wir, wie das Ganze vor Publikum funktioniert und ändern, diskutieren und probieren es noch mal neu. Oft haben wir auch nach einer Premiere noch weiterentwickelt, verändert. Vor allem, weil uns das großen Spass macht. Uns ist wichtig, dass wir mit jedem Stück etwas Neues ausprobieren und uns neu fordern. Wir wollen neugierig bleiben und immer wieder ohne Netz spielen. Ein Aufguss von etwas, das gut funktioniert hat interessiert uns nicht.

    Der Weg ist das Ziel. Unsere Vision ist es, einmal einen eigenen Theaterstil zu entwickeln. Aber, ich finde, wir sind auf dem besten Wege dazu.


    Kassandra Knebel:
     
    Was sind eure Pläne?

    Nini Stadlmann: Im nächsten Jahr wollen wir vor allem „Alma und das Genie“  spielen. Im Februar 2016 nehmen wir die CD auf. Weitere Pläne haben wir mit dem ORSO Orchester. Das Rock Symphony Orchester unter der Leitung von Wolfgang Roese. Im nächsten Jahr übernehmen wir die Moderation für die Rock Symphony Night. Mein Traum ist es, an einem gemeinsamen Abend mit dem ORSO zu arbeiten. Weiters gibt es erste Ideen für ein neues, größeres Stück mit mehreren Darstellern und ein neues Duo von Tom und mir. Aber, ich will nicht über ungelegte Eier sprechen. Da bin ich sehr abergläubisch.


    Kassandra Knebel:
    Was möchtet Ihr erreichen?

    Nini Stadlmann: Mein persönliches Ziel mit der Stammzellformation ist es, eine künstlerische Eigenständigkeit zu haben. Meinen eigenen Humor auszuleben, und das Publikum damit zu begeistern. Dass die Leute zu uns kommen, weil sie Geschichten von uns erzählt bekommen wollen. Auf unsere individuelle Art und Weise. Insofern habe ich ein Vorbild: Pigor und Eichhorn. Ich finde, die beiden sind unheimlich geistreich, und mit niemandem zu ver- gleichen. 


    Kassandra Knebel:
     
    Wo können wir etwas von Eurer Arbeit sehen?

    Nini Stadlmann: Wir haben einige Videos gestellt.

    "Das kann doch jeder " aus DREI, ein Musical für Zwei mit dem Orso Orchester im Friedrichstadtpalast.

    Video: Das kann doch jeder  - aus Drei

    Video: Hysterisch - aus Alma und das Genie

    Video: Almas Premiere


    :VideoClip

    WebLinks: Stammzellenformation  | Nini Stadelmann


    Redaktion: Kassandra Knebel  

     

    ANZ_clown_schule_tamm_1_8415|739 TG: Clownschule Uli Tamm . Klinik-Clown . Clownschule 


    2016-01-04 | Nr. 89 | Weitere Artikel von: Kassandra Knebel





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