Abseits der ausgetretenen Pfade
Ich habe mir vorgenommen, einmal nicht nur auf die allseits bekannten Namen und Spielstätten zu schauen, sondern etwas tiefer zu graben, um den einen oder anderen Schatz zu heben. Konkret bedeutet das: wir werfen einen Blick auf die Spielstätten, die Sie vielleicht noch nicht kennen und wo Sie auch mal den einen oder anderen Newcomer entdecken können. Anfangen möchte ich mit dem Hofspielhaus Im Herzen von München hat Christiane Brammer 2015 ihr eigenes Theater eröffnet. Davor konnte sie bereits zusammen mit Susanne Rohrer einige Monate Erfahrung mit dem „alten“ Heppel & Ettlich sammeln. Im Hofspielhaus gibt es anspruchsvolles Programm und viele Eigenproduktionen. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es hier.
Mit einer längeren Historie, aber viel zu selten im Fokus ist das Wirtshaus am Hart Theater-Platz München. Neben dem klassischen Wirtshausbetrieb mit Bar und Biergarten finden immer wieder Künstler und Kabarettisten ihren Weg in den Saal. So trifft sich der KünstlerKreis Kaleidoskop an jedem 1. Montag im Monat im Theater-Platz Wirtshaus und 2018 ist auch wieder ein Kabarett-Marathon geplant. Es lohnt sich also, immer mal wieder einen Blick auf den Spielplan zu werfen.
Fast am anderen Ende der Stadt findet man den „Bahnwärter Thiel“. Der rote Bahnwaggon war zunächst am Viehhof, dann auf der Wiese vor der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) und seit Oktober 2016 wieder am Viehhof. Das alternative Projekt von Daniel Hahn und seinen Mitstreitern des Künstlerkollektivs Wannda gilt als Zentrum für Subkultur und der Dienstag ist dem Kabarett vorbehalten. Aber auch Improtheater steht auf dem Programm.
Einen Steinwurf weiter kann der Stemmerhof auf eine lange Tradition zurückblicken. Ursprünglich mal ein gestandener Bauernhof, beherbergt das Anwesen heute eine bunte Mischung aus Ökoläden, Künstlerwerkstätten und einem Café. Die Musikbühne Ars Musica im Stemmerhof bietet zudem Künstlern aller Couleur eine Plattform.
Last but not least kommt man bei Kabarett, Komedy und Kleinkunst in München nicht am Rationaltheater , dem ältesten Privattheater der Stadt, vorbei. 1965 wurde es von Kabarettist Reiner Uthoff gegründet, der es danach auch 40 Jahre lang leitete.
Beschließen wir den Rundgang durch die Münchner Szene mit dem Pelkovenschlössl in Moosach. Hofmarkschloß, Wirtshaus, Gärtnerei und Schulhaus schrieb die bewegte Geschichte dem Schlößl ins Poesiealbum. Heute wird es als Kultur- und Bürgerhaus genutzt und beherbergt immer wieder auch Künstler aus den Bereichen Kabarett und Comedy.
Frisch eingetroffen – neue Programme verschiedener Künstler
Ein Highlight auf der Iberl-Bühne ist der „doppelte Ude“. Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister und sein Doppelgänger Uli Bauer spielen sich die Bälle geschickt zu und improvisieren über Gott und die Welt. Außerdem präsentierte die Iberl-Bühne vor viel Prominenz im Augustiner Stammhaus das alte Stück von Georg Maier „Hollerküacherl“ in der aktuellen Besetzung. Bayerisch grantlig, schräg und derb und doch wunderbar lustig. Es geht um die Sünde und die Sünderin Maria Magdalena, der der Pfarrer seine Sonntagspredigt gewidmet hat. Diese droht aber durch die verschiedenen Umstände grandios zu scheitern.
Apropos bayerische Stücke: A gmade Wiesn. Ein Bavarical ist nicht nur eine Sprechoper im Dialekt, Thomas Darchinger hinterfragt dieses Lebensgefühl, wenn alles wie geschmiert läuft in eigenen Texten und mit Beiträgen von Ottfried Fischer, Krimiautor Friedrich Ani und Konstantin Wecker. So entsteht eine Liebeserklärung an das Scheitern mit einem zärtlich-kantigen Blick auf die Menschen in all ihrer Unzulänglichkeit.
Sigi Zimmerscheid (Bild) ist ein alter Hase und begeistert seit 1975 sein Publikum. Für sein aktuelles Programm „Der siebte Tag“ hat er sich vorgenommen, einen (Er)Schöpfungs- bericht abzuliefern. Man stelle sich vor, am siebten Tag erschaffen Schöpfungsassistent Engelbert Erz und sein Chef den Witz. Und dieser muss gepflegt werden, denn Erz ist dafür verantwortlich, dass mindestens einmal pro Woche gelacht wird, sonst droht der Erde die Zerstörung. Keine leichte Aufgabe, die Zimmerschied aber bravourös meistert. Nicht umsonst hat der Künstler im März 2017 mit dem Karl-Valentin-Preis ausgezeichnet.
Um höhere Mächte geht es auch bei der nächsten Künstlerin. Lisa Fitz und Religion – das kann man sich eigentlich gar nicht so gut vorstellen. Doch man muss nicht unbedingt bigott sein, um sich mit der Bibel auseinanderzusetzen. Im Gegenteil, es hilft sogar sehr, wenn man Religion kritisch gegenübersteht und so hat sich Lisa Fitz mit den unterschiedlichsten Religionen auseinandergesetzt, den Koran gelesen und sich mit Huna, einer hawaiianischen Religionsgemeinschaft beschäftigt. Herausgekommen ist am Ende das Programm „Mein Gott – Der Bibelkurs“, mit dem die Jahrtausende alten Glaubensgrundsätze mit aktuellen Fakten kombiniert werden.
Feiern will gelernt sein
Jess Joachimsen (Bild) feiert sich selbst – das darf er, denn auch wenn man es ihm nicht ansieht: er steht seit 25 Jahren auf den Brettern, die manchen die Welt bedeuten. Deshalb wagt er mit ausgewählten texten, Liedern und Dias einen Blick zurück auf das eigene Schaffen. Wer weiß schon so genau, an welche Episoden er sich besonders gerne erinnert? Vielleicht an die Bayerischen Hippie-Eltern oder seinem Seelenverwandten, den traurigen Frosch. Und nachdem alleine feiern doof ist, sind neben dem Publikum auch noch die Kolleginnen und Kollegen Helmut Schleich, Luise Kinsehr, Michael Altinger, Hannes Ringlstetter, Unsere Lieblinge und Alex Liegl im Boot.
Noch fünf Jahre länger gibt es die Wellküren, die sich eine ausgedehnte Jubiläumstour durch Bayern und angrenzende Länder natürlich auch nicht nehmen lassen. Die drei Well-Schwestern Burgi, Bärbl und Moni blicken zurück auf einen bewegten Kampf. Gegen Franz-Josef-Strauß und Streibls Amigos müssen sie heute nicht mehr angehen. Die Berliner Mauer ist gefallen, der Paragraph 218, Pershing und Millenium Bug sind auch keine Themen mehr. Aids, Vogelgrippe und Rinderwahn könnten dagegen schon noch einmal aufleben. Dauerbrenner sind dagegen alle Intoleranten: egal ob es um die Frauendiskriminierung geht oder darum Flüchtlingen zu zeigen, woher der Wind in Bayern weht oder die Lifestyle Mammies aufs Korn zu nehmen – die Wellküren verstehen etwas davon. Mit einigen Lieblingsstücken aus den letzten 30 Jahren , die teilweise neu arrangiert sind, werden Sie auf jeden Fall gut unterhalten.
Nochmal 10 Jahre mehr auf dem Buckel haben die Damen und Herren von Kabarest und sind damit die dienstälteste deutsche Amateurkabarettgruppe. Im neuen München-Programm sind die Themen aber eher ernst. Sie drehen sich um das Leben im Speckgürtel der Millionenstadt mit all seinen Facetten. Von der Flaschensammlerin und vom Schnösel-Designer wird berichtet, aber „Ma woaß ned, wer wer is“.
Redaktion: Gerti Windhuber
Lach und Schieß:
29.-30.4.17: Nessi Tausendschön Jochimsen: „Knietief im Paradies“ (München-Premiere)
29.5.17: Jess Jochimsen: „25-jähriges Bühnenjubiläum mit Gästen“ (München-Premiere)
13.6.17: Matthias Beltz/Christoph Pütthoff: „Ausgewählte Untertreibungen“ (München-Premiere)
Lustspielhaus:
21.-22.5.17: ScienceBusters: „Bierstern, ich dich grüße“
13.6.17: Robert Palfrader/Florian Scheuba: „Flügel“ (Premiere)
15.-17.6.17: Erwin Pelzig: „Weg von hier“ (Premiere)
Schlachthof:
27.4.17: el mago masin: „Operation Eselsohr“ (München-Premiere)
15.2.17: Helene Mierscheid/Helga Brenninger/Rolf Zillner/Chris & Tina Baumer/Ralf Winkelbeiner/Healthy Brown: „G’mischte Schlachtplatt’n 05/17
Bildnachweis:
Sigi Zimmerscheid Foto:Axel Schubert
a gmade Wiesn Foto: TDVision