Sätze, die in Kurven gehen
Vor kaum 42 Jahren, erinnert sich Max Goldt war er doch schon mal im Theater am Kurfürstendamm. Damals auf Klassenreise, man sah ein Stück von Ralf Hochhuth.
Heute Abend sitzt er nun selbst auf der Bühne, in gestreiftem Hemd unter grauem Jackett, und liest aus zwei Büchern, „Lippen abwischen und lächeln“ und „Räusper“, eine Sammlung von auf Comic-Szenarien basierenden Dramuletten.
Querulantentum
Im ersten Text „Ein Querulant hört was knarren“ erzählt er, wie ein Mitreisender in der Bahn ihn und seinen alten, aber noch durchaus schicken Reisekoffer für ein Knarren im Zug verantwortlich macht und sich dann in seine Meckerei hineinsteigert, die mit einem „So wird das nichts mit Deutschland“ endet.
Und gleich erkennt man es wieder: Goldt präsentiert Panoramabilder, um dann ins Detail zu gehen, abzudriften, hinein in die Absurditäten unseres Alltags, den wir irgendwann nicht mehr richtig erkennen. Und irgendwann, in einem grandiosen Schwenker, holt er uns zurück zum Anfang. Zum großen Ganzen. Oder auch nicht. Egal, denn jedes Wort ist ein Vergnügen.
Ziehschwängel
Sätze schnörkeln sich zur Pointe, drohen immer wieder, sich in kunstvoll eingeschobenen Nebensätzen zu verlieren, aber nein: Herr Goldt hält die Fäden zusammen und amüsiert sich selbst noch über seine eigenen kleinen Sprachwunder. Wie nennt man eigentlich das Teil, mit dem man den Rollkoffer hinter sich her ziehen kann? Goldt weiß Antwort, es ist ein Ziehschwängel. Er benutzt ein besonderes Vokabular, fast vergessen, gräbt es aus und trägt es auf einmalige Weise vor.
Zurück zu den Querulanten: Die gab es doch schon in den „schlecht gelaunten“ 60 Jahren, sagt Goldt, in denen ihm als kleiner Junge noch der Krückstock in den Rücken getrieben wurde, wenn da mal ein Bonbonpapier auf den Boden fiel.
Später dann versucht er sich an einer Demontage unseres Kult-Humoristen Loriot, leidet unter dem schlechten Geschmack der Welt, der sich unter anderem in den Berliner Buddy-Bären ausdrückt oder den kleinen Bärchen, die an manchen Damenhandtaschen schaukeln.
User in Hotelportalen
Macht sich Gedanken über Bidets, bei denen man sich fragt, oder die nun zum Strümpfe waschen da sind oder nicht, erfindet lautmalerische Klangreihen – Lesbe sei vom Klang her ein genauso schreckliches Wort wie Tippse, Putze oder Petze.
Auch wenn er nur Produkte von der Tschibo-Resterampe aus der Kantstraße oder dann im zweiten Teil Kommentare von Usern in Hotelportalen – eine seiner neuesten Sammlungen, der er sich intensiv widmet – aufzählt: ein irrsinniges Lachen breitet sich aus im Publikum. Gut gewählt sind eben seine Versatzstückchen, grandios zusammengesetzt, und mit einer trügerischen Beiläufigkeit vorgetragen.
Der Meister des Konjunktivs 1 sitzt im abgeranzten Hotel auf Malta schon mal Probe für das Elend, das uns alle im Pflegeheim erwartet, und stellt sich dann noch vor, wie es gewesen wäre, hätte Celan seine Todesfuge in Unterhose geschrieben. Und versucht gleich mal, wie es wäre, wenn er selbst einen ganzen Abschnitt ohne Unterhose schriebe. Natürlich bleibt er beim Vorlesen gänzlich bekleidet, und der Versuch geht vom Text her auch wirklich in die Hose, wie er selbst feststellen muss.
Eine Zugabe, dann wird Herr Goldt ganz profimäßig noch seine Bücher signieren. Die Schlange der Wartenden dreht sich heiter durchs Foyer.
Redaktion: Katrin Schielke