Clowns ohne Grenzen sind international agierende Vereinigungen mit einer gemeinsamen Philosophie. Sie realisieren Non-Profit-Projekte, die Künstler in Krisengebiete senden, um den Menschen vor Ort die Chance zu geben zusammen zu feiern und zu lachen, um so für einen Moment ihr schweres Schicksal zu vergessen. Die erste Clowns ohne Grenzen-Organisation wurde im Juli 1993 in Barcelona, von dem Spanier Tortell Poltrona, ins Leben gerufen. Er wurde von den Trägern des Projekts „Education for Peace“ eingeladen im kroatischen Flüchtlingslager „Veli Joze" (Savudrija) zu spielen. Dieser Aufführung wohnten wider jeglicher Erwartung über 700 Kinder bei, die deutlich zeigten, welchen Einfluss ein Clown auf Menschen in Krisensituationen haben kann, indem er durch das Vermitteln von Humor, wie eine psychologische Entschädigung oder Unterstützung auf Individuen und Gemeinschaften wirkt. Daraufhin folgten viele Expeditionen zahlreicher Künstler nach Kroatien. Seitdem wurden in Frankreich, Kanada, Amerika, Schweden und Belgien weitere Organisationen gegründet und zahlreiche Projekte realisiert. Dazu zählen Projekte in Ex-Jugoslawien, in der westlichen Sahara, in Israel/Palästina,Kolumbien, Sri Lanka und viele mehr. Wir sprachen mit Constantin Offel, aus dem Vorstand von Clowns ohne Grenzen Deutschland e. V.
T.: Seit wann gibt es Clowns ohne Grenzen in Deutschland?
C. O.: In Deutschland gründeten wir am 1. Juli 2007 mit fünf Clowns in Wiesbaden den Verein. Mittlerweile haben wir 33 Mitglieder. Der Verein arbeitet deutschlandweit. Wir finanzieren uns aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen.
T.: Wer plant die Einsätze? Wie erfahrt ihr, dass ihr gebraucht werdet?
C. O.: Im Allgemeinen plant der Vorstand die Einsätze. Grundlage für einen Einsatz sind ein passendes Projekt und ein Kostenplan. etc. – Ideen können jederzeit auch von außen an herangetragen werden. Wenn es sinnvoll ist und wir Gelder zur Verfügung haben, finanzieren wir das Projekt. Wir handhaben das bisher so, dass bei Reisen 50 % Clowns-ohne-Grenzen-Erfahrene + 50 % Neulinge dabei sind. Wir arbeiten mit Hilfsorganisationen vor Ort zusammen, die uns helfen, Orte zum Spielen ausfindig zu machen, Unterkunft und Essen zu finden usw.
T.: Wie viele Clowns/Artisten fahren zusammen zu einem Einsatz?
C. O.: Wir fahren mit ca. 5–8 Spielern und evtl. 1 Logistiker der sich um die Organisation kümmert. Die bisherigen Einsätze dauerten 10–14 Tage. Die Reaktionen in den Einsatzregionen waren stets positiv. Probleme mit Autoritäten gab es nie. Bisher.
T.: Ist der Humor der Zuschauer international stets der gleiche?
C. O.: Es ist nicht exakt der gleiche, aber sicherlich sehr ähnlich. Das Scheitern des Clowns, kennt man überall auf der Welt. Und das Herz der Menschen pocht auch überall gleich. Ich habe festgestellt, dass Kinder in Krisen oder Armutsregionen während der Show wesentlich enthusiastischer waren. Das war richtig bewegend. Die Aufmerksamkeit scheint mir höher als bei unseren TV-verwöhnten Kids.
T.: Wie geht ihr mit dem Sprachenproblem um?
C. O.: Die Shows sind entweder nonverbal oder in einer Gramelotsprache (klassische Clownssprache). Es hat sich herausgestellt, dass ein Nummernprogramm eine gute Sache ist, dass im Krankheitsfall schnell ausgetauscht werden kann und die Show so variabler bleibt.
Es ist schwer, in einer anderen Kultur eine Geschichte zu erzählen und zu erwarten, dass diese auch verstanden wird.
T.: Was sind die Voraussetzungen, um bei Euch mitzuarbeiten?
C. O.: Wer als Künstler mitmachen möchte, sollte uns eine Bewerbung mit Foto und Vita schicken. Wir legen Wert auf Clowns und Artisten mit professioneller Ausbildung, um die Qualität unserer Arbeit zu wahren. Das ist sehr wichtig für die öffentliche Meinung.
Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, Organisationsarbeiten zu erledigen, Fundraising zu betreiben etc. Solche Leute suchen wir auch. Und Fotografen, Kameraleute, Redakteure sind natürlich sehr willkommen.
T.: Nach welchen Gesichtspunkten stellt ihr die Gruppe zusammen?
C. O.: Die Leute sollten Spielerfahrung haben und teamfähig sein. Eine fertige Clown-Nummer oder artistische Nummer sollte mitgebracht werden. Der technische Aufwand bei artistischen Nummern darf natürlich nur gering sein. Ideal ist z. B. Bodenakrobatik.
Bei Kurztrips bis 3 Wochen werden keine Gagen bezahlt. Bei längeren Reisen gibt es eine Aufwandsentschädigung. Die Reisekosten und die Verpflegung/Unterkunft werden vom Verein getragen. Ein 5-Sterne-Hotel können wir uns natürlich nicht leisten. Zudem gibt es in einem Krisengebiet nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten. Man muss sich darauf einstellen, dass man vielleicht zu fünft in einem Zimmer, evtl. auch auf dem Boden/im Zelt/ in der Scheune schläft. Auf die Unterbringung haben wir leider wenig Einfluss. Man sollte sich auf wenig Komfort einstellen. Die Mitreisende müssen sich selbst krankenversichern.
T.: Gibt es Proben oder ein Training?
C. O.: Vor einer Reise gibt es mit der jeweiligen Crew mindestens 3 Probetage mit Regie.
In naher Zukunft werden wir auch Workshops anbieten, um einen Eindruck von unserer Arbeit zu vermitteln.
T.: Wie bereitet ihr die Leute auf die Reise vor?
C. O.: Natürlich bekommt jeder die notwendigsten Informationen ... aber Eigeninitiative ist sehr erwünscht. Man sollte sich zusätzlich über das jeweilige Land informieren.
T.: Was passiert nach Eurer Abreise in den Krisenregionen?
C. O.: Wir streben an, Erwachsene vor Ort in der Clownsarbeit zu unterrichten, sodass die Arbeit nach Beendigung unseres Aufenthaltes fortgesetzt werden kann. Das erfordert natürlich einen längeren Zeitraum. Und so einen Trip gab es bisher in der deutschen Sektion noch nicht. Die Kanadier z. B. sind derzeit auf Haiti und arbeiten dort über ein halbes Jahr mit den Einheimischen.
T.: Finden die Einsätze der deutschen Clowns nur in Europa statt?
C. O.: Grundsätzlich nicht, aber wir haben uns bisher u. a. aus Kostengründen für möglichst nahe Länder entschieden.
T.: In eurer Ethik-Charta steht, dass man seine Arbeit für Clowns ohne Grenzen nicht für seine Karriere nutzen kann. Was ist damit gemeint?
C. O.: In der Internationalen Ethik-Charta steht dieser Paragraf, um das Ausnützen der Tätigkeit zu verhindern. Wenn jemand viel Arbeit in CoG steckt, wird er nicht umhinkommen, auch seinen Namen zu erwähnen. In der Presse passiert das andauernd.
Aber natürlich darf man den Einsatz in seiner Vita erwähnen. Und es ist auch ideal, wenn ein ehemaliger Teilnehmer nach dem Einsatz aktiv bleibt, zum Beispiel indem das Erlebte in Vorträgen, Workshops, Reportagen, Clownconventions etc. weitergegeben wird.
T.: Wohin gehen eure nächsten Einsätze?
C. O.: Im Mai nach Rumänien, im Herbst nach Transkarpatien in der Südukraine. Für dieses Jahr sind die Teams schon besetzt, jedoch suchen wir für die Ukraine noch jemanden für eine Reportage (Fotografen, Kameraleute, Redakteure). - Wir suchen derzeit auch jemanden, der sich im Bereich Fundraising auskennt. Wir freuen uns über weitere Mitglieder, über Spenden sowieso. Außerdem wäre es toll, wenn Künstler und Artisten uns unentgeltlich bei Benefizveranstaltungen unterstützen könnten!
T.: Was sind eure langfristigen Pläne?
C. O.: Wachsen – damit wir unsere Arbeit in viele Länder bringen können.
Vielen Dank!
Weitere Informationen und Links zu sehens- und hörenswerten Fernseh- und Radioreportagen auf: www.clowns-ohne-grenzen.de.
Das Interview führte Kassandra Knebel
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