Sonnig war das Sommerwetter nicht gerade. Die Biergarten blieben ohne Mann und Maus und Bier. Die Sperlinge pfiffen es aus ihrem trockenen Unterschlupf: Kuhle Kabarettzeit, mitten im hei? ersehnten Sommer. Also, nichts wie hin - in die Verlie?e, die nach Subversion riechen, nach ausgleichender Gerechtigkeit fur die Wahler und Dulder beiderlei Geschlechts und messerscharfem Witz. Halt, halt, halt. So ist es doch gar nicht mehr. Die exklusive Lizenz zur abrechnenden Pointe ist den Kabarettisten entzogen worden. Alle machen mit, es prasselt nur so Pointen. Bestmoglichst im Zehn-Sekunden-Takt. Aber aufgemerkt, der Kabarett-Freund ist Igel und nicht der Hase, der die Furchen entlanghetzt. Er ist all schon hier. Und wenn es gar nichts mehr geht, einrollen kann er sich immer noch. Er wei? Bescheid, sein untrugliches Urteil lugt aus dem Armel und ansonsten gibt er sich cool. Was will er dann eigentlich im Kabarett? Die Puppen tanzen lassen.
Dennoch. Das Publikum trifft keinen Vorwurf. Es reagiert nur auf die Zeit. Und wie haben sich die Kabarettisten darauf eingestellt? Sie spielen die Wissenden, schutteln Urteile aus dem Armel und ansonsten gefallen sie sich in ihrer kuhlen "unbestechlichen" Pose. Sie tragen Eulen nach Athen. Das ist allgemeiner Trend und die neuen Produktionen im Osten bestatigten das.
Zum Beispiel "Freiganger", das neue Programm der academixer in Leipzig: Zwei Knackies im Freigang. Der Knast muss renoviert werden. Es hatte spannend und burlesk werden konnen. Aber man erzahlt an der Geschichte der Freigelassenen konsequent vorbei. Ironisch gebrochenen Gedanken an die Revolution, Politikerschelte, Mafia und Geldwaschanstalten. So angenehm die Buhnenprasenz von Burkhard Damrau und Meigl Hoffmann auch ist, es bleibt unklar, was, woruber und uberhaupt warum eigentlich gespielt wird.
Verschenkte Moglichkeiten. Nicht einmal die konnte man in der Leipziger Pfeffermühle, entdecken. "Tag der offenen Zwangsjacken" hie? das neue Programm. Ein Gedanke mit Bart: Die Welt ein Irrenhaus. Man wusste nicht, was man machen sollte, nur, dass es Kabarett werden sollte. Texte von uberall her, Regie von Horst-Gottfried Wagner, der nicht viel retten konnte. Die verstaubten Allgemeinplatze waren zu erdrückend.
Schließlich ist noch eine Premiere der Dresdner Herkuleskeule zu vermelden. Eine "Piep Show" zeigten sie. Die Blicke sollten auf die beschamenden oder schamhaften Stellen der Gesellschaft gelenkt werden. Heitere Unterhaltung und ein Tanz auf Allgemeinplatzen. Nur eben hier muss der Rezensent bescheiden zur Seite treten. Das Dresdner Publikum hat sich kostlich amüsiert.
Nun aber, nach den betrublichen, die gute Nachricht: Lachmesse! Die Zehnte! Vom 12. bis zum 22. Oktober wird sie in Leipzig laufen. Mit 96 Veranstaltungen und 135 Kunstlern aus 10 Landern. Kaum einer hatte vor 10 Jahren geglaubt, dass diese aus Ubermut geborene Messe, sich in Leipzig etablieren wurde. Und alle sind sie wieder da. Allein sieben Lachmesse-Preistrager haben sich angesagt. Die Missfits waren die ersten, die diesen Preis, Leipziger Lowenzahn genannt, 1992 bekommen hatten. Dann Bruno Jonas, Tom Pauls, Georg Schramm, Horst Schroth... Aber die Lachmesse ist nicht nur ein Stelldichein der Stars, wie eben Husch oder Hohler, die bei den academixern auftreten werden. Es sind auch Lachmessedebutanten dabei, wie zum Beispiel das Dusseldorfer Kom(m)odchen, Barbara Kuster aus Potsdam oder die Kultfigur aus Dresden: Olaf Schubert. Dabei sind aus Italien die "Mikoband", die Clowns aus Russland "Sintez Buff" und naturlich der diesjahrige Preistrager Avner Eisenberg aus den USA. Wenn das keine Einladung ist...
Zum Schluss noch einige Nachtrage und Ankundigungen. Der Chef der Herkuleskeule, Wolfgang Schaller ist im Mai 60 Jahre alt geworden, zu den Gratulanten gehorten unter anderem Werner Schneyder, Martin Buchholz, Peter Ensikat und das Zwinger-Trio. Schaller will die kunstlerische Leitung des Hauses in die Hande von Michael Rummler legen, der von der Magdeburger Zwickmuhle nach Dresden gekommen ist. Das Leipziger Kabarett "Gohglmohsch" hat seit dem Fruhjahr keine Spielstatte mehr. Sie suchen und haben ein neues Programm im Herbst angekundigt. In Berlin wird am 17. September die Distel ihr 100. Programm vorstellen. Ein Ruckblick wird aber vermieden.
1. September, Magdeburger Zwickmuhle: "Unter allen Zipfeln ist Ruh"
10. November, Dresden, Breschke & Schuch: "Rad ab"
Redaktion: Harald Pfeifer
2000-09-15 | Nr. 28 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer